Industrie­strom für alle

Der Ausstieg aus der Atomenergie hat entgegen der Ankündigung führender Politiker wie Katrin Göring-Eckardt (Grüne) nicht zu sinkenden Strompreisen geführt. Die Preise haben sich stattdessen so verhalten, wie man es bei sinkendem Angebot erwarten durfte. Damit kann auch die Bundesregierung die Gefahr für den Standort nicht mehr leugnen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) forderte deshalb bei seiner Indienreise erneut einen reduzierten Industriestrompreis für die nächsten drei bis fünf Jahre. Dieser sei „eine wichtige Brücke, bis über den Hochlauf der erneuerbaren Energien wettbewerbsfähige Energiepreise dauerhaft erreicht sind“.

Doch das erhoffte Ende der Brücke ist keinesfalls in Sicht. „Hier geht es wohl eher um die Ergebnisse bei der nächsten Bundestagswahl als um irgendeinen sinnvollen Übergang“, kommentierte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm die Überlegungen des Wirtschaftsministers auf Twitter.

Sie hat recht. Zuerst verteuert die Politik systematisch die Strompreise, um danach mit dem Geld der Steuerzahler einige Sektoren der Wirtschaft zu subventionieren. Abgesehen von der erheblichen Wettbewerbsverzerrung handelt es sich um enorme Beträge. Im Raum stehen über 30 Milliarden Euro, die die Subvention pro Jahr kosten würde.

Es ist höchste Zeit, dass diese unvernünftige Politik beendet wird. Kein Unternehmen wird in Deutschland bleiben, weil der Preis für Strom temporär subventioniert wird, wenn die Aussicht auf günstigere Energie in der Zukunft fehlt. Bürger und Unternehmen, die das bezahlen müssen, werden noch mehr unter hohen Steuern und Abgaben leiden.

Vor- und Nachteile von Kernkraft

Deutschland verfügt noch über acht reaktivierbare Kernkraftwerke. Zu diesem Ergebnis kommt das US-Unternehmen Radiant Energy. Es hat den Zustand der deutschen Atomkraftwerke analysiert und mit Verantwortlichen gesprochen. Demnach lassen sich alle acht Kraftwerke in einem Zeitraum von drei Jahren wieder in Betrieb nehmen, die ersten bereits nach neun Monaten.

Die Kosten werden auf rund 200 Millionen Euro pro Reaktor geschätzt. Man bräuchte also in der Summe weniger als zwei Milliarden Euro, um Deutschlands Versorgung mit günstigem und CO2-neutralem Strom zu erreichen.

Statt wie jetzt 50 Prozent des Stroms klimafreundlich zu erzeugen, wären es dann 74 Prozent. Die Kosten pro Megawattstunde (MWh) lägen bei 21 Euro, verglichen mit jetzt 120 Euro pro MWh bei Kohlekraftwerken, so die Analyse. Klimaschutz und Wohlstandssicherung dürften durch keine Entscheidung so leicht erreichbar sein.

Dagegen spricht zugegebenermaßen der anfallende Atommüll. Allerdings wäre die zusätzlich anfallende Menge klein. Dass Atomkraftwerke und erneuerbare Energien gut harmonieren, demonstrieren andere Länder wie Schweden.

Zugleich könnte der Wiedereinstieg zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft genutzt werden. Denn die Kernkraftwerke könnten in den Zeiten mit hohem Angebot an Wind- und Sonnenenergie zur Produktion von Wasserstoff eingesetzt werden. Dieser Wasserstoff wäre deutlich günstiger als jener, der mit Wind- und Sonnenenergie in Deutschland erzeugt werden kann.

Zwei Drittel der Deutschen befürworten die Nutzung der Kernenergie. Es dürften mit jedem Tag mehr werden, an dem die Folgen der hohen Energiepreise für den Wohlstand hierzulande deutlicher werden.

Positionierung der Grünen als Problem

Das wichtigste Hindernis ist die parteipolitische Positionierung, wie auch die Autoren der Studie betonen. Die Landesregierungen mit Beteiligung der Grünen würden sich vermutlich gegen einen Wiedereinstieg in die Atomenergie wehren. Selbst grüne Urgesteine wie der frühere Sprecher der Bundesgrünen, Ralf Fücks, halten die Ablehnung der Kernenergie mittlerweile für einen Fehler.

Das Atomenergiegesetz ist jedoch Bundessache. Hier wäre es möglich, einen Wiedereinstieg in die Atomkraft zu beschließen. Wenn es die Union ernst meint mit ihrer Forderung nach einem Politikwechsel, sollte sie einen entsprechenden Gesetzentwurf ins Parlament einbringen. Nur so lässt sich der Verlust wichtiger Industrien in Deutschland vielleicht noch verhindern.