Geld für die Vergangenheit
Deutschland ist Spitzenreiter bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der Europäischen Union. Immerhin rund 3,1 Prozent des BIP bringen Staat und Privatwirtschaft für Forschung und Entwicklung (FuE) auf. Diese Zahl liegt deutlich über dem Schnitt der EU (2,2 Prozent), aber deutlich hinter Japan (3,3 Prozent) und den USA (3,5 Prozent). Absolut geben die USA mit 730 Mrd. Euro um mehr als das Doppelte für Forschung und Entwicklung aus als Europa mit 322 Mrd. Euro. China steigerte die FuE-Ausgaben von unter 0,6 Prozent des BIP im Jahre 1995 auf immerhin 2,4 Prozent des BIP.
So verwundert es nicht, dass China und die USA bei den Patentanmeldungen vor der EU liegen. Der Vergleich mit Japan ist besonders ernüchternd: mit nur 124 Millionen Einwohnern bringt es das Land auf mehr Patentanmeldungen als die ganze EU mit 450 Millionen Einwohnern!
Jetzt könnte man hoffen, dass es sich hierbei um einen statistischen Effekt handelt und die anderen Länder einfach nur mehr Patente anmelden, ohne wirklich innovativer zu sein. Doch leider trügt diese Hoffnung, wie eine Studie der European Policy Analysis Group – zu der auch das ifo Institut gehört – unterstreicht.
Die Forscher haben analysiert, in welchen Bereichen in den jeweiligen Regionen schwerpunktmäßig geforscht wird. Wenig überraschend dominieren in den USA die Bereiche »Software und Computerdienstleistungen« sowie »Pharma- und Biotechnologie«. Dorthin fließen immerhin 85 Prozent der privatwirtschaftlichen FuE-Ausgaben. Auch China konzentriert die FuE-Ausgaben auf Zukunftstechnologien, was dazu führt, dass das Land nach einer Analyse des australischen Australian Strategic Policy Institutes in wesentlichen Zukunftsindustrien einen technologischen Vorsprung hat. Lediglich den USA gelingt es in einigen wenigen Bereichen noch mitzuhalten.
Deutschland und die EU hingegen legen den Schwerpunkt der Forschungsanstrengungen auf sogenannte “Midtech-Branchen“, also Bereiche in denen keine grundlegenden Innovationen mehr stattfinden. 57 Prozent der Ausgaben für FuE fließen hierzulande in Midtech-Industrien, der Hightech-Anteil liegt bei nur 36 Prozent. Besonders dominant ist dabei die Automobilindustrie, die mit Abstand am meisten für Forschung und Entwicklung ausgibt. Daran wird sich in den kommenden Jahren wenig ändern, versuchen die hiesigen Hersteller doch mit Milliarden-Aufwand den technologischen Rückstand gegenüber den chinesischen Anbietern bei elektrischem und autonomem Fahren aufzuholen. Der Verband der Automobilindustrie spricht von etwa 280 Milliarden Euro im Zeitraum von 2024 bis 2028. Erfolg ungewiss.
Der Strukturwandel trifft die deutsche Volkswirtschaft mit voller Wucht. Es ist müßig darüber zu klagen, dass dieser zum Teil auf massive Politikfehler der letzten Jahrzehnte – wie die Energiewende – zurückzuführen ist. Da absehbar keine besseren Wettbewerbsbedingungen für die Stützen unserer Industrie abzusehen sind, bleibt nur die Möglichkeit über neue Produkte, Dienstleistungen und Industrien den Wohlstand für künftige Generationen zu sichern und den Sozialstaat bezahlbar zu halten.
Die Voraussetzung dafür sind deutlich höhere Anstrengungen im Bereich von FuE, fokussiert auf Hightech und frei von ideologiegetriebenen politischen Einschränkungen. Kernkraft, Kernfusion, Gentechnik – überall muss Deutschland versuchen über Innovationen Neues zu schaffen. Die nächste Regierung muss dafür die regulatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen schaffen, statt (weiterhin) zu versuchen, mit Subventionen den Niedergang früherer Säulen der Wirtschaft zu kaschieren.