Bei der Inflation haben wir das Schlimmste hinter uns
Es gibt viele Theorien zur Inflation, die mehr oder weniger aussagekräftig sind. Manche Ökonomen sehen Inflation als Folge von Kostendruck. Steigen in der Lieferkette die Kosten, geben Unternehmen das weiter, bis sich der Effekt in der allgemeinen Preissteigerung niederschlägt.
Andere wiederum, vor allem die Keynesianer (Ökonomen, die die gesamtwirtschaftliche Nachfrage als die entscheidende Größe für Produktion und Beschäftigung ansehen) betonen Schwankungen in der Nachfrage und setzen auf deren Steuerung.
Wieder andere Ökonomen heben hervor, dass die Inflationsrate nicht richtig gemessen wird und vor allem die steigenden Preise bei Vermögenswerten – insbesondere Immobilien – in die Inflationsmessung einbezogen werden müssten. Und dann gibt es noch diejenigen, die der Globalisierung und Deglobalisierung und der Demografie eine wichtige Rolle zumessen.
Jede dieser Inflationstheorien hat in der Vergangenheit funktioniert, aber eben nicht immer. Das gilt auch für eine Theorie, die in den vergangenen Jahrzehnten deutlich an Einfluss verloren hat: den Monetarismus. Nach Vorstellungen des wirtschaftlichen Konzepts sorgt schon eine Ausweitung der Geldmenge durch eine expansive Finanzpolitik allein für Inflation. In modernen Theorien spielen die Erwartungen eine entscheidende Rolle.
Kritiker der Geldmengenlehre der Inflation betonen zu Recht, dass die Korrelation zwischen dem Wachstum der Geldmenge und der Inflationsrate in den vergangenen Jahrzehnten deutlich abgenommen hat.
Inflation: Renaissance des Monetarismus
Dahinter stehen neben einem deutlichen Rückgang der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes die Faktoren Globalisierung und Demografie und der Aspekt der deutlich gestiegenen Kreditvergabe zum Erwerb von Vermögenswerten. Die anderen Theorien waren einfach besser.
2020 dürfte das Jahr gewesen sein, in dem der Monetarismus zu einer Renaissance ansetzte. Wer auf die Entwicklung der breiten Geldmengen achtete, konnte sehen, dass die Inflation kräftiger und nachhaltiger zurückkehren würde.
In der Spitze wuchs die Geldmenge M2 in den USA mit einer Jahresrate von 27,5 Prozent. M2 beinhaltet das umlaufende Bargeld und die täglich fälligen Einlagen bei den Geschäftsbanken (M1) sowie Termineinlagen und Spareinlagen.
In der Euro-Zone war das M2-Wachstum mit 11,5 Prozent deutlich niedriger, aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie in den Jahren davor. Dieses Geld fachte die Nachfrage an, was in Kombination mit den Problemen auf der Angebotsseite zwangsläufig zu höherer Inflation führen musste.
Und wie geht es nun weiter? Schon seit Jahresanfang 2022 sind die Raten des Geldmengenwachstums deutlich gesunken. Das spricht dafür, dass die Inflationsraten schon bald ihren Höhepunkt erreichen und wir zu normalen Werten zurückkehren.
Natürlich gibt es wie bei jeder Prognose Risiken. Es kann länger dauern, bis der Geldüberhang abgebaut ist, es drohen weitere Angebotsschocks. Letztere dürften aber eher die Konjunktur gefährden, als dass sie der Inflation einen weiteren Schub geben.
Die Notenbanken, die die Grundlage für die Inflation gelegt haben, laufen Gefahr, eine Wirtschaft weiter zu bremsen, die sich ohnehin bereits im Abschwung befindet.
→ handelsblatt.com: “Bei der Inflation haben wir das Schlimmste hinter uns”, 20. Mai 2022