Branchenkrisen, große Krisen und Megakrisen aufgrund der falschen Behandlung von großen Krisen
Ein Kommentar von Professor Gunnar Heinsohn (auch mit Blick auf die Diskussion zum Thema Eigentumsökonomik/Debitismus in den letzten Wochen: → Debitismus: Von der zwangsläufigen Krise (II) )
Verteidigung von Eigentum
Alle Firmeninhaber müssen permanent ihre Eigentumspreise verteidigen, um oberhalb der Überschuldungsschwelle zu bleiben. Deshalb müssen immer alle Mitglieder einer Branche die Prozess- und Produktinnovationen mitmachen – etwa Kutschenhersteller rüsten um auf Autos oder Schreibmaschinen-Hersteller auf Computer. Dieser Schritt ist auch dann unvermeidlich, wenn alle Unternehmer sehen oder wenigstens ahnen, dass nach Abschluss der Innovation mehr produziert wird, als verkauft werden kann. Für die Firma lassen sich aus dem Wissen um eine unvermeidliche Überproduktion keine problemlösenden Schlüsse ziehen. Sie zieht mit oder bleibt bewegungslos im Hergebrachten, was ihren Eigentumspreis umgehend gegen null fallen lässt, also ihre Verschuldungsfähigkeit durch Pfandverlust auslöscht.
Firmen haben also nur die Wahl zwischen dem Verzicht auf technischen Fortschritt mit der Gewissheit sofortigen Falls des Eigentumspreises und nicht mehr als der Chance, nach Umsetzung des technischen Fortschritts zu denen zu gehören, die Markt schaffen, also genügend Käufergeld zur Ablösung ihrer Schulden und damit zur Auslösung ihres verpfändeten Eigentums gewinnen können. Unternehmen müssen mithin sehenden Auges an der Überproduktion von morgen mitwirken oder gleich heute ihr Eigentum verlieren. Wenn zehn Firmen in einer Branche in die Innovation gehen und später drei ausscheiden müssen, weiß vorher niemand sicher, welche zu den sieben Überlebenden gehört.
Aufschwung durch Investitionen
Die für die Eigentumsverteidigung notwendigen Investitionen, also Geldauslagen, sorgen in den betroffenen Branchen für Aufschwünge. Die Hersteller der neuen Technologien – etwa Plasmabildschirme für alle Firmen, die Röhrenbildschirme verwenden – verpfänden Eigentum, um für ihre Investitionen Kredit zu erhalten. Selbst wenn Banken auf Goodwill leihen, gibt es im Ernstfall die Generalhaftung des Schuldners. Auch die Käufer der neuen Technik, die sie für die Verteidigung ihres eigenen Eigentums erwerben müssen, nehmen Kredit, verpfänden also riskant Eigentum. Das Geld aus diesen zusätzlichen Krediten sorgt für eine brancheninterne Preis- und Lohnsteigerung, weil die Spezialisten fürs Neue rar sind.
Aufgrund der Kreditaufnahme für die Erstschaffung der Innovation und für ihre Übernahme bei der Aufholjagd der erst einmal abgehängten Konkurrenten kommt es unweigerlich auch zu einer Bankenhausse. Die Branchenmitglieder können überwiegend mit Geld versorgt werden, weil zu Beginn des Aufschwungs das von ihnen angebotene Kollateral im Preis noch stabil oder kaum gefallen ist, wenn es nicht gar in Erwartung des Innovationsbooms steigt. Auch das Geld, das sich vor allem die boomenden Technologieanbieter meist leichter als ihre Kunden durch Anleihen und Aktienausgabe – also über gutes Ranking bzw. ohne Kollateralstellung – beschaffen können, müssen sich die Investoren in diese Papiere im Normalfall ja bei Banken gegen Eigentumsverpfändung besorgen.
Bankenkrise unvermeidlich
Von den zur Modernisierung gezwungenen Firmen müssen für die Geldbeschaffung etliche umgehend bis an ihre Verpfändungsgrenzen gehen. Selbst für den Fall also, dass während des Aufschwungs alle Kredite einer Bank im Nennwert besichert sind, ist eine Überexponierung der Banken – ihr fälschlich als Leichtsinn oder Unersättlichkeit geschmähtes Verhalten – unvermeidlich. Banken können sich nämlich genauso wenig wie Firmen vorab aus dem Geschäft verabschieden, sondern müssen für ihre Klienten mitziehen, um überhaupt im Rennen bleiben zu können. Und in diesem können auch sie vorher bestenfalls ahnen, welche ihrer Schuldner scheitern und ihr dabei entwertetes Kollateral nicht durch Nachschuss unterfüttern können. Sie wissen also nicht, ob unbedienbare Kredite sie oder eine Konkurrenzbank treffen.
Nach dem Umsetzen der Innovationen kommt es zu Firmenzusammenbrüchen für den Abbau der unvermeidlichen Überproduktion. Dieser Abbau erfolgt auch über Preissenkungen mit entsprechender Deflation der zuvor inflationierten Firmenpreise (Börsenkurse). Durch diese Deflation fallen auch die Preise der den Banken zugesicherten Kollaterale, während die ihnen geschuldeten Summen unverändert hoch bleiben. Das führt zur Unterbesicherung der von den erfolglosen Firmen aufgenommenen Kredite, was die banklichen Kreditgeber mitreißt. Sie gehen unter, wenn ihr Eigenkapital für das Glattstellen der ausgebliebenen Rückzahlungen aufgebraucht ist.
Deflation normal
Bei technischen Revolutionen in einzelnen oder nur wenigen Branchen kommt es also immer zu Branchenhaussen mit Inflation und anschließend zu Branchen- und partiellen Bankenkrisen mit Deflation. Bei den viel selteneren Hyper-Innovationen (Elektrizität, Motoren, Automobile, Fernkommunikation, Internet etc.), die alle Branchen für die Verteidigung der Eigentumspreise mitmachen müssen, dauern die Haussen länger. Entsprechend stürzen bei der Baisse mehr Eigentumspreise ab, was dann mehr Banken trifft als bei einer bloßen Branchenkrise. Weil diese Hausse so lange dauert, kann hier am ehesten behauptet und geglaubt werden, dass diesmal alles anders bzw. die Zeit der Krisen vorüber sei. Doch die Krise kommt nur später und muss dann tiefer greifen als eine bloße Branchenkrise. Gleichwohl ist sie in der Eigentumswirtschaft unvermeidlich wie diese.
Krisenbekämpfung verstärkt Krise
Erst falsche Heilungen der branchenübergreifenden Krisen erzeugen Hyperkrisen der aktuellen Variante. Man will den Fall der Preise der auszuscheidenden Firmen stoppen und die von faulen Krediten getroffenen Bankeigentümer heraushauen, in dem man ihre Schulden und Neuverpflichtungen dem Steuerzahler aufbürdet. Diese Umwandlung der Wirtschaftskrise in eine Staatsschuldenkrise kann die Bereinigung allerdings nur verzögern und tut das mit dem kostspieligen Werfen mit der Wust nach der eh entschwindenden Speckseite.