MMT eine Neuauflage der Ideen John Laws?

Professor Baltensperger ist ein renommierter Experte für Geldpolitik und vor allem für die Ursachen von Inflation. In einem Beitrag für die FINANZ und WIRTSCHAFT setzt er sich mit den Thesen der MMT auseinander. Dabei geht er zurück zu einem der prominentesten Vertreter dieses Ansatzes in der Vergangenheit: John Law, „einer der ersten Propheten des Papiergeldes, das er als mächtiges und billiges Instrument zur Förderung von Wachstum und Konjunktur betrachtete. (…) Er erkannte als einer der Ersten die Bedeutung und das Potenzial eines Papiergeldsystems, hatte aber eine verhängnisvoll falsche Vorstellung davon, wie ein solches kontrolliert werden muss”. So gleich der Einstieg in den Artikel. John Law ist übrigens in Venedig beerdigt, wo er nach seiner Flucht aus Frankreich nach der totalen Pleite starb. Immer wenn ich dort bin, gehe ich in der Kirche vorbei. Schließlich muss man sich vor den ganz Großen der Welt-Finanzgeschichte verbeugen …

Doch schauen wir uns die Argumentation genauer an:

  • „Laws Politik schuf eine Papiergeldflut, die zu einer der größten Finanzblasen und nach deren Platzen zu einer der größten Krisen und Wirtschaftspleiten der Finanzgeschichte führte, der sogenannten Mississippi-Krise. Ganz Europa wurde in Mitleidenschaft gezogen.“ – bto: Es dürfte auch beim nächsten Mal ganz Europa in Mitleidenschaft gezogen werden.
  • „Law stellte die Geldschaffung hemmungslos in den Dienst der Staatsfinanzen und meinte, die Ausgabe von Papiergeld sei unbedenklich und niemals inflationär, solange Geld nur durch Kauf oder Hinterlegung eines realen Gutes, etwa von Land oder Aktien, in Umlauf gebracht werde.“ – bto: Ähnlichkeiten mit der Modern Monetary Theory sind natürlich rein zufällig …
  • „Er übersah, dass das Volumen an Zahlungsmitteln damit nicht an die Menge eines realen und begrenzt verfügbaren Gutes, sondern an seinen nominalen Wert gebunden wurde, der sich grundsätzlich über Bewertungsanpassungen beliebig verändern kann. Geldmenge und Preisniveau waren aus diesem Grund im System von Law nicht limitiert und verankert. Dies kann zu Hyperinflation und einem Zerfall der Währung führen (…).“ – bto: Jetzt könnte man natürlich sagen, „kann“, „muss“ nicht, denn wir haben in der Eurozone zurzeit keine echte Begrenzung. Andererseits haben wir eine Begrenzung, denn die Kreditvergabe der Banken, die heute für die Geldschaffung steht, ist seit Jahren geringer als vor der Krise, weil die Banken und ihre Kunden nicht mehr können.
  • „(…) Papiergeldsystem (…) verlangt zwingend eine Zentralbehörde, die das Volumen an Zahlungsmitteln künstlich so beschränkt, dass Preisstabilität gewahrt bleibt. Das Prinzip, Geld nur im Tausch gegen Land, Aktien oder andere Wertgegenstände zu schaffen, genügt nicht.“ – bto: Mit Blick auf heute muss man festhalten, dass die Geldmenge von den privaten Banken gesteuert wird. Begrenzt wird es durch die Sicherheiten der Schuldner, deren Interesse an Kredit und der Fähigkeit der Banken neue Kredite zu gewähren, beispielsweise weil sie ausreichend Eigenmittel haben. Das haben wir seit den 1970er-Jahren faktisch so und es hat auch zu Inflation geführt, aber seit den 1980er-Jahren vor allem bei den Vermögenswerten.
  • „Heute (wird die) Modern Monetary Theory (MMT) gar in den Rang einer vermeintlich seriösen Theorie erhoben. Ihre Anhänger meinen, dass der Staat alle für die Gesellschaft wünschenswerten Aktivitäten bedenkenlos finanzieren könne, solange er eine eigene Zentralbank besitze, die ja unbegrenzt Geld schaffen und deshalb letztlich alles garantieren könne. Er müsse sich einfach auf «sinnvolle» und «produktive» Aktivitäten beschränken. Sie würden sich im Sozialprodukt niederschlagen und damit sicherstellen, dass keine Inflation eintreten könne. Dem neuen Geld würden dann ja immer reale Güter oder Leistungen gegenüberstehen.“ – bto: Es wird also angenommen, dass man das Angebot an Gütern und Dienstleistungen ebenso elastisch ausweiten könne wie von Geld.
  • „In der US-Linken genießt diese vermeintlich neue Theorie große Popularität, teils fast Kultstatus. (…) Schlimmer und bedenklich ist es aber, dass auch renommierte Banken und Finanzanalysten gegen diese gedankliche Verirrung nicht immun sind und teilweise Zustimmung markieren. (…) Besonders sei die Einsicht wichtig, dass ein Staat mit eigener Zentralbank nicht pleitegehen könne, weil er ja immer sein eigenes Geld drucken könne. Daraus folge, dass Staatsdefizite und -verschuldung eigentlich nicht problematisch seien (…).“ – bto: Es gibt dann halt keinen offiziellen Konkurs, sondern nur mehr Geld. Das bedeutet dann aber auch, Geld, das weniger wert ist.
  • „Kann ein Staat mit eigener Zentralbank wirklich nicht insolvent werden? Technisch gesehen trifft das zu. Wenn der Staat die Zentralbank seinen Fiskalbedürfnissen unterwirft, kann er jede Ausgabe und Verpflichtung mit von ihm selbst geschaffenem Geld decken. Doch wer sich mit dieser Feststellung zufriedengibt, denkt sehr oberflächlich. Eine Zentralbank kann zwar immer Geldscheine drucken, doch die Menschen müssen auch bereit sein, diese Geldscheine zu akzeptieren und zu halten.“ – bto: Ich denke mittlerweile, dass man es viel weiter treiben kann als früher. Die Menschen bekommen es nicht mit. Solange die Konsumentenpreise nicht spürbar steigen, denken sie, alles sei okay. Nur so kann man auch verstehen, dass es angesichts von Nullzinsen keinen großen Aufstand gibt.
  • „Die Weimarer Republik hatte sehr wohl ihre Zentralbank, aber die von der Reichsbank ausgegebene Mark war 1923 real fast nichts mehr wert. Die Reichsbank hatte zuvor begonnen, die Staatsausgaben durch die Übernahme von Schuldtiteln des Staates zu finanzieren, also Staatsschulden zu monetisieren.“ – bto: Und das machen wir heute auch, die Japaner schon viel länger. Ohne die Inflation von damals. Die Frage ist: Kommt sie gar nicht oder ist sie nur aufgeschoben?
  • „Bringt sie zu viel ihres Geldes in Umlauf, verwässert sie seinen realen Wert über eine Steigerung der nominalen Güterpreise. (…) Der Staat ist deshalb auch mit der Zentralbank als Rückversicherung nicht in der Lage, seine realen Ausgaben und seine Realverschuldung unbegrenzt auszuweiten.“ – bto: einfach, weil dem Geld kein Wert mehr beigemessen wird.
  • „Eine saubere Trennung der Verantwortung für die Geldpolitik und für die staatliche Finanzpolitik ist die wichtigste Voraussetzung sowohl für ein stabiles Geld wie für ein vertrauenswürdiges System staatlicher Finanzen. (…) Die Gefahr, dass die Geldpolitik ins Schlepptau der Finanzpolitik gerät und fiskalischen Motiven untergeordnet wird, stellt historisch die größte Gefährdung für die Gewährleistung stabiler monetärer und finanzwirtschaftlicher Verhältnisse dar.“ – bto: wobei wir uns heute in einer sehr problematischen Lage befinden. Zu viel Geld = Schulden wurde geschaffen und nun ächzen wir unter dieser Last und müssen schauen, wie wir uns daraus befreien. Da mag die Monetarisierung die relativ schmerzfreieste Form sein.

→ fuw.ch: “Geldpolitik vs. Finanzpolitik”, 31. Mai 2019