Joseph Huber:„Zeitenwende des Geldsystems – Vom Bankengeld zum digitalen Zentralbankgeld“
Am 14. August 2022 spreche ich mit Prof. Dr. Joseph Huber über sein in diesen Tagen erschienenes Buch “Zeitenwende im Geldsystem”. Zur Vorbereitung einige kurze Auszüge, um seine Argumentation zu verdeutlichen:
- „Das heute bei Weitem dominierende Geld ist das Giralgeld der Banken, die Guthaben auf Girokonten, im folgenden Bankengeld genannt, im Unterschied zu Zentralbankgeld (Noten, Reserven). Der bargeldlose Zahlungsverkehr mit Bankengeld hat das Zentralbankgeld nachrangig werden lassen. Systemisch maßgeblich ist heute die pro-aktive Schöpfung von Bankengeld. Im Normalbetrieb benötigen die Banken dafür nur noch eine geringe Zahlungsreserve in Bargeld und Zentralbankreserven.“ – bto: Das ist so richtig und wird von unseren Politikern, aber auch vielen Ökonomen nicht verstanden.
- „Allerdings hat auch das Bankengeld seinen Zenit heute erreicht und wohl schon überschritten. Es mag kaum vorstellbar erscheinen, dass Banküberweisungen einmal obsolet werden. Aber genau das dürfte mit der Zeit so kommen. Dass das Bankengeld überhaupt dominant geworden und es so lange geblieben ist, liegt nicht zuletzt daran, dass Zentralbanken und Regierungen das Bankengeld und die Banken aktiv stützen und von Krise zu Krise retten. Andernfalls – als rein privates Geld ohne staatliche Gewährleistung – wäre das Bankengeld längst untergegangen wie ehedem schon die privaten Banknoten.“ – bto: Das mag sein. Man könnte aber auch sagen, dass die auf private Initiative geschaffenen Zentralbanken, wenn sie bei den Grundsätzen Walter Bagehots geblieben wären, durchaus ein System gewesen wären, welches dauerhaft funktioniert, weil der Markt die Banken entsprechend diszipliniert hätte.
- „Untergraben wird das Buchgeld nun durch den Aufstieg neuartiger und technisch überlegener digitaler Geldarten. Digitales Geld, sog. Tokens, sind eine Art von digitalem Bargeld. Als Werkzeug, um Tokens zu empfangen, aufzubewahren und auszuzahlen, dient eine digitale Geldbox (e-wallet) in Nachfolge von Geldbeutel und Girokonto. Die Tokens werden von der digitalen Geldbox des Zahlers direkt in die des Empfängers übertragen, wie Bargeld von Hand zu Hand, ohne Zahlungsvermittlung durch Banken. Anders als Bargeld sind digitale Tokens stückelbar wie Buchgeld. Bestimmte Varianten der zugrunde liegenden digitalen Technologien erweisen sich als schneller, kostengünstiger und ebenso sicher wie herkömmliche Banküberweisungen. Obendrein lässt sich digitales Geld programmieren, eine zusätzliche neue Funktion, die Buchgeld nicht darstellen kann. Digitale Tokens bieten von daher eine aussichtsreiche Alternative zum herkömmlichen stofflichen Bargeld ebenso wie zum Buchgeld, deren Nachfolge sie antreten. So wie zurückliegend das bargeldlose Bezahlen mit Buchgeld zunehmend das Bargeld verdrängt hat, tritt künftig digitales Geld an die Stelle des Buchgelds.“ – bto: Das ist die zentrale These von Huber in seinem Buch. Es ist also eine technische Revolution, die zu einem gänzlich anderen, neuen Geldsystem führt.
- „Aller Voraussicht nach konkurrieren dabei zwei Arten von digitalen Tokens darum, zum dominanten Geld der Zukunft zu werden: digitales Zentralbankgeld und daneben Formen von privatem Kryptogeld, wahrscheinlich Stablecoins. Ungedeckte Kryptowährungen wie Bitcoin dürften als allgemein gebräuchliches Zahlungsmittel keine bestimmende Rolle spielen. Stablecoins dagegen, wie aktuell Tether, USD Coin u. a., haben eine Chance. Diese Kryptowährungen heißen Stablecoins, weil sie im stabilen Verhältnis von 1:1 an den Dollar, Euro oder eine andere Währung gebunden sind. Sie werden von Fintechs, Bigtechs und anderen Finanzakteuren in Umlauf gebracht.“ – bto: Den Wettbewerb zwischen staatlichem und privatem Geld sehe ich auch. Aber ich bin mir bei Stablecoins nicht so sicher, da diese mehr den Charakter von Geldmarktfonds haben und – wie wir bereits in den letzten Monaten gesehen haben – dass das nicht unbedingt sicher ist und gut funktioniert.
- „Im Maß, wie digitales Geld sich ausbreitet und der Anteil des Bankengelds entsprechend zurückgeht, werden Banken wieder Finanzintermediäre, das heißt, Darlehensvermittler und Investoren unter Benutzung von Zentralbankgeld und gegebenenfalls auch Stablecoins. Die Position der Banken als monetäre Finanzinstitute, als Schöpfer von Bankengeld, wird sich entsprechend abschwächen. Jedoch gehen die Banken deshalb nicht ihrem Ende entgegen. Kredit und Banken gibt es seit der frühen Antike. Gerade in einer monetarisierten und finanzialisierten Welt bleiben Banken unverzichtbar. Nur entwickeln sie sich im Strukturwandel der jeweiligen Epoche fort. Kreditinstitute, Wechsel- und Zahlungsdienste und sonstige Finanzinstitute werden ihre Geschäfte mit CBDC und Stablecoins ebenso betreiben wie mit allen bisherigen Arten von Geld.“ – bto: Sie leihen dann nur das Geld aus, welches andere zuvor deponiert haben.
- „Zum einen wird sich durch digitales Zentralbankgeld und Stablecoins die Quasi-Monopolstellung des Bankengelds im öffentlichen Zahlungsverkehr auflösen. Zum anderen refinanzieren die Zentralbanken auf indirekte Weise inzwischen auch Schattenbanken und Staatshaushalte. Manche Zentralbanken tragen auch direkt zur Finanzierung von Staatsausgaben bei. Man deklariert dies als vorübergehende unkonventionelle Maßnahmen. Im Kontext der monetären Zeitenwende ist es jedoch näherliegend anzunehmen, dass sich hier eine neue Normalität Bahn bricht.“ – bto: Und dies vor allem auch, weil die Staaten sonst nicht in der Lage sein werden, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.
- „Längst haben die Zentralbanken eine faktische Zuständigkeit für das Wohl und Wehe des gesamten Finanzsektors mit übernommen, nicht nur für die Stabilisierung von Schattenbanken und Finanzmärkten, sondern auch für die indirekte Refinanzierung von Staatsschulden. (…) Im Prinzip war das nie anders, wenn auch normalerweise in geringerem Umfang. Jedenfalls ist es weltfremd, das private und öffentliche Finanzwesen als einander fremde Welten zu betrachten.“ – bto: So ist es aber diese weltfremde Vorstellung besteht gerade in Deutschland.
- „Seit dem Ende des Goldstandards um 1930 bis 1971 ist jedes Geld reines Zeichengeld. Die betreffenden Geldzeichen (Tokens) können von den Emittenten des Geldes technisch jederzeit in beliebiger Menge hergestellt werden. Jedoch stellt nur Zentralbankgeld Vollgeld dar, als unbeschränktes gesetzliches Zahlungsmittel und Basisgeld, das in keiner Weise auf anderes Geld verweist und nicht gegen anderes Geld auf Verlangen einlösepflichtig ist.“ – bto: Alles andere ist eine Forderung gegen die Banken.
- „Der Wert des Geldes, seine Kaufkraft, ist durch das gedeckt, was es für Geld zu kaufen gibt, in erster Linie durch das laufend erstellte Wirtschaftsprodukt. Dieses dient auch den Vermögenspreisen als Wertanker, auch wenn die Abhängigkeit der Vermögenspreise vom laufenden Wirtschaftsprodukt (= Einkommen) eher indirekter und komplexerer Natur ist. Vom Wert bzw. der Kaufkraft des Geldes zu unterscheiden ist seine Gültigkeit. Die Gültigkeit von Zahlungsmitteln in Landeswährung wird im Wesentlichen dadurch gewährleistet, dass der Staat solches Geld zu gesetzlichen Zahlungsmitteln erklärt oder Geldsurrogate wie Bankengeld selbst gebraucht. Das ist jenseits der gesetzlichen Zahlungsmittel generell so. Soweit ein Zahlungsmittel, in welcher Währung auch immer, in allgemeiner Verbreitung akzeptiert wird, so weit ist es gültiges Geld.“ – bto: womit Huber natürlich für das von ihm präferierte Vollgeld argumentiert.
- „Im Euroraum stellt das liquide Bankengeld (Giralgeld) statistisch 87 %, realiter (abzgl. ruhendes Bargeld) etwa 92 % der Publikumsgeldmenge M1 dar. Gemessen an der offiziellen Gesamtgeldmenge beläuft sich das Bankengeld auf 97 %. Das beinhaltet auch Spar- und Termingelder sowie längerfristige Geldeinlagen bei Banken.“ – bto: Auch das ist immer wieder ein Punkt, der sich lohnt in Erinnerung gerufen zu werden.
- „Die neuen Geldarten fußen ihrerseits auf Bankengeld. Sie werden auf unterschiedliche Weise 1:1 gegen Bankengeld und teils andere der neuen Geldarten herausgegeben. Soweit das eingetauschte Geld nicht zur Deckung der neuen Geldsurrogate gehalten werden muss, sondern für Geldanlagen und andere Transaktionen verfügbar bleibt, bedeutet dies eine Verdopplung der verfügbar bleibenden Geldmenge, die in Form der neuen Geldsurrogate zusätzlich in Umlauf kommt.“ – bto: Auch das hatten wir durch Geldmarktfonds bereits ähnlich.
- „Ungedeckte Kryptowährungen ebenso wie ungedeckte CCs bilden eine weitere Kategorie von Geldarten. Sie stellen nicht eine vierte Stufe im Sinn der dargelegten Typologie dar, eher eine Art von eigenmächtig in Umlauf gesetztem Basisgeld. Sie beziehen sich auf kein anderes Geld und beanspruchen, Fiatgeld in eigenem Recht zu sein. Von daher sind ungedeckte Kryptowährungen und CCs genau genommen Basisgeld-Herausforderer, private Wettbewerber zum Vollgeld der Zentralbanken.“ – bto: So sehen es auch die Unterstützer und in der Tat kann man angesichts der Leistung der Notenbanken gut verstehen, warum man sich eine private Alternative wünscht.
- „In den Krisenjahren um 1930 war das für die damaligen Zentralbanken und Regierungen Grund genug, lokale Notwährungen zu verbieten (womit sie die Krise nur verschlimmerten). Heute ist das anders. CCs, ob gedeckt oder ungedeckt, sind auf ihr Milieu begrenzt geblieben und haben darüber hinaus praktisch keine Verbreitung gefunden. So sehen Zentralbanken und Regierungen CCs heute nicht als Herausforderung ihrer Geldhoheit. Die lokal umlaufenden Mengen an CC sind zu gering, um ein Problem darzustellen.“ – bto: Das ändert sich aber, wie auch Huber betont: „Anfang November 2021 gab es über 8.000 Kryptowährungen mit einem Marktwert von insgesamt 2,9 Billionen Dollar. Bitcoin alleine stand dabei für fast eine Billion. Solche Größenordnungen können nicht länger als vernachlässigbar abgetan werden. Dies gilt umso mehr, als in einem anstehenden Konzentrationsprozess die meisten dieser Kryptowährungen zu tausenden wieder verschwinden werden, um einer kleinen Zahl verbleibender Währungen Platz zu machen, die dadurch in noch höhere Größenordnungen hineinwachsen.“ – bto: Deshalb plädiert er für neues, digitales Notenbankgeld, welches ein Vollgeld sein soll.
Dies nur wenige Auszüge, um Appetit zu machen: