Geisterstrom, Dunkelflaute und wirkungslos – teure Klimapolitik

Ich schaue mir eigentlich keine Talkshows an. Als ich aber am Sonntagabend ins Hotel kam, drückte ich den Knopf der Fernsteuerung und landete bei Anne Will. „Zwischen Konjunkturflaute und Klimaschutz – wie sicher ist Deutschlands Wohlstand?“, so der Titel der Sendung. Spontan dachte ich mir natürlich, warum ich da nicht sitze, sind doch die Fakten zur Wohlstandsvernichtung in Deutschland – schon vor der anstehenden Turbovernichtung durch die Politik zur Klimarettung – in meinem Buch “Das Märchen vom reichen Land” zusammengetragen. Auch zur Klimapolitik habe ich ja so einige Fakten präsentiert.

Statt gleich auszuschalten, bin ich dabeigeblieben, was vor allem an DIW-Ökonomin Claudia Kemfert lag. Ohne Zweifel gehört sie zu jenen, die die Qualität des DIW positiv beeinflussen. Dennoch halte ich einige ihrer Überlegungen für ungeeignet:

→ Wie die Wende zu einem nachhaltigen Finanzsystem gelingen kann

Wie immer bei solchen Sendungen geht es weniger darum, wie inhaltsschwer die Aussagen sind, sondern darum, Zuschauer zu gewinnen, was eben oft von anderen Faktoren abhängt. So kann man beispielsweise heftig und hämisch lachend den Kopf schütteln, während ein anderer argumentiert. Dies zeigen die Kameras gern, vor allem, wenn auch die Redaktion die Argumente desjenigen, der gerade spricht, nicht unbedingt teilt.

So geschah es auch am Sonntag. Christian Lindner von der FDP versuchte ökonomisches Denken in die Diskussion zu bringen und verwies auf die Kosten und Risiken der Energiewende. Dabei führte er zwei Worte in die Diskussion ein: Dunkelflaute und Geisterstrom.

Heftig belächelt und kritisiert wurde er dafür. Das Ziel war klar, das Argument als nichtssagend abzutun. Claudia Kemfert sagte zu meiner Enttäuschung und Überraschung: „Geisterstrom? Das habe ich ja noch nie gehört“, was man angesichts der Fakten wirklich nicht glauben kann.

Doch worum geht es? Die Dunkelflaute besprach ich im Zusammenhang mit der Schweiz, die sich angesichts der chaotischen deutschen Energiepolitik als „Kollateralschaden“ darauf einstellt. Dunkelflaute könnte im Winter passieren, wenn keine Sonne scheint (dunkel, ergo keine Solarenergie) und kein Wind bläst (Flaute, ergo keine Windenergie) und würde – so die feine Schweizer Umschreibung – eine lange, schwere ‘Strommangellage’ darstellen. Mehrere 1000 Menschen dürften in diesem Szenario allein in der Schweiz deswegen sterben.

→ Drohender Strommangel

Vertieft ging die Runde am Sonntag nicht darauf ein. Der Fokus lag auf dem „noch nie gehörten“ Begriff des „Geisterstroms“. Nun hätte ich heute gedacht, dass es in den Medien von Artikeln wimmelt, die den Fakten auf den Grund gehen. Weit gefehlt! Die meisten beließen es dabei, Frau Kemfert zu zitieren und Herrn Lindner als ahnungslosen Trottel dastehen zu lassen. Passend zu den TV-Bildern.

In der WELT findet sich ein Artikel zum Thema aus dem letzten August – hinter der Paywall.

→ “Der ‘Geisterstrom‘ offenbart den Irrsinn der Energiewende”

Kein anderes Medium griff das Thema damals überhaupt auf, zumindest wenn man auf Google sucht (oder aber sie haben diesen Begriff nicht verwendet, was auch erklären würde, warum “Geisterstrom” niemandem in der Runde ein Begriff war). Von den Kommentatoren zur gestrigen Sendung war es nur ein Beitrag auf CAPITAL, der dem Thema genauer nachgegangen ist. Und siehe da:

  • „Erst im August gab die Bundesnetzagentur bekannt, dass im ersten Quartal 3300 Gigawattstunden Ökostrom wegen Überbelastung der Stromnetze nicht eingespeist wurde. Wegen besonders viel Wind hatten die Windparks in diesem Zeitraum rund ein Fünftel mehr Energie als noch im Vorjahresquartal produziert. Die Folge: Die Windräder mussten von den Netzbetreibern häufiger abgeregelt werden als in den Vorjahren und konnten keinen Strom einspeisen. Den Betreibern steht aber dennoch eine Entschädigung für die abgeregelte Strommenge zu – in diesem Falle schätzungsweise 364 Mio. Euro.“ – bto: Das hat Lindner gesagt. Er hätte vielleicht noch sagen müssen, was man mit diesem Geld so alles anfangen könnte: Schulen modernisieren beispielsweise.
  • „Im gesamten Jahr 2018 konnten wegen Engpässen im Netz 5403 Gigawattstunden Ökostrom nicht eingespeist werden. Das entspricht in etwa 2,6 Prozent der Gesamtmenge an produziertem Ökostrom. Die entsprechenden Entschädigungsansprüche lagen mit 635,4 Mio. Euro deutlich über dem Wert von 2017 (rund 609,9 Mio. Euro).“ – bto: noch mehr Geld für Schulen, das nun fehlt! Ja, ich weiß, dass wir es alle über den Strom bezahlen und es ja „nur“ 7,50 Euro pro Kopf der Bevölkerung sind, aber es läppert sich!
  • „Lindner (…) fand mit dem schleppenden Netzausbau schnell einen Schuldigen. Seine Kritik an den 6000 fehlenden Kilometern Stromleitungen ist allerdings nicht ganz unberechtigt. So zeigen die Zahlen der Bundesnetzagentur von August: Rund 7700 Kilometer neue Höchstspannungsleitungen werden in Deutschland im Zuge der Energiewende benötigt, lediglich 1800 Kilometer davon sind genehmigt. Knapp 1000 Kilometer wurden davon bisher überhaupt gebaut. Ohne neue Leitungen kann der Windstrom, der schwerpunktmäßig im Norden und Osten der Republik produziert wird, nicht in die Verbrauchszentren im Westen und Süden transportiert werden.“ – bto: Genauso ist es! Was zur Frage führt, wer dafür die Verantwortung trägt.
  • „Verantwortlich für den schleppenden Ausbau der Netze ist ein politisches Missmanagement der Energiewende auf vielen Ebenen: Jahrelang haben Entscheidungsträger im Bund, in den Ländern und in den Kommunen einen konsequenten Netzausbau verschleppt – teils aus Sorge um die eigene Beliebtheitswerte.“ – bto: Und nur darum geht es!

So zeigt die Sendung sehr gut, woran es bei uns hapert. Wir haben Politiker, die getrieben von lauten Bürgern und aus Angst um Wahlergebnisse blödsinnige und teure Entscheidungen treffen. Das gilt wahrscheinlich für die ganze Energie- und Klimapolitik.

Mein Urteil zum Klimapaket der Bundesregierung habe ich schon direkt nach der Veröffentlichung gefällt: Die neue deutsche Planwirtschaft war der Titel eines Kommentars bei Cicero:

→ Die neue deutsche Planwirtschaft

Danach habe ich in weiteren Beiträgen für Sachlichkeit und ökonomisches Denken in der Klimapolitik geworben. Umso erfreulicher ist es zu sehen, wenn gleiche Argumente auch in anderen Medien zu Wort kommen. So in diesem Gastbeitrag bei der SZ, der unter anderem aufzeigt, dass in Wirklichkeit von den Bürgern mehr für den Klimaschutz bezahlt wird und nicht so wenig wie die Grünen bemängeln.

  • „In der Einleitung zum Maßnahmen-Kapitel stellt sie fest: “Ein sektorübergreifender einheitlicher Preis für Treibhausgasemissionen ist volkswirtschaftlich der kosteneffizienteste Weg, Klimaziele zu erreichen.” (…) genau darauf kommt es in Zukunft an: die Klimaziele für 2030 – anders als die für 2020 – nicht nur sicher zu erreichen, sondern dies mit den geringstmöglichen Opfern für Bürger und Wirtschaft zu tun. Das ist nur mit einem einheitlichen Preis für CO₂-Emissionen möglich. Der bunte Strauß angekündigter Maßnahmen zeigt aber, dass (die Politiker) diesen so wichtigen Grundsatz nicht ernst nehmen, denn sonst würden sie das Ziel einer einheitlichen Bepreisung nicht durch so viele weitere Aktionen verwässern und verteuern.“ – bto: So ist es! Es geht vor allem darum, durch Symbolpolitik und durch die Veränderung der Wirtschaftsordnung unter dem Deckmantel des Klimaschutzes eine andere Agenda durchzusetzen.
  • „Die SPD favorisierte eine Preissteuerung durch eine CO₂-Steuer mit jährlich steigenden Steuersätzen. Hier wird der CO₂-Ausstoß durch die Steuer verteuert, es bleibt aber unsicher, wie stark er tatsächlich verringert wird. Die CDU/CSU tendierte zu einer Mengensteuerung mit einem Zertifikatehandel analog zu dem EU-weiten Zertifikatesystem (…) Hierbei legt die Regierung die Menge an CO₂-Emissionen fest, die in den betroffenen Bereichen, vor allem Verkehr und Gebäudeheizung, ausgestoßen werden darf, und gibt genau diese Menge an Zertifikaten aus. Wenn die Menge gemäß den Klimazielen Jahr für Jahr sinkt, werden diese Ziele mit Sicherheit erreicht. Allerdings ist es hier schwer vorherzusagen, welcher CO₂-Preis sich auf dem Markt einstellen wird.“ – bto: Was will man denn erreichen? Eine Reduktion des CO2-Austosses? Ja, dann muss man auf die Menge gehen und die Preise akzeptieren. Kann man ja sozial ausgeglichen wieder zurückgeben.
  • „Wenn die bestehenden expliziten und impliziten CO₂-Abgaben (Ökosteuer, EEG-Umlage, etc.) abgeschafft und durch eine einheitliche CO₂-Steuer oder einen Zertifikatemarkt ersetzt würden, dann wäre der Preis für eine Tonne CO₂ überall der gleiche, sodass die CO₂-Einsparungen dort erzielt würden, wo sie zu den geringsten Kosten möglich sind.“ – bto: Das passiert aber nicht! Nein, die Einzelmaßnahmen werden jetzt noch oben draufgepackt – wohl Wirkung!
  • „In der öffentlichen Diskussion wird oft übersehen, dass der neue CO₂-Preis die unterschiedlich hohen bereits bestehenden Abgaben auf CO₂-Emissionen nicht ersetzt, sondern einfach aufgeschlagen wird. Das führt dazu, dass der CO₂-Preis für verschiedene Formen der Energieerzeugung unterschiedlich hoch ist. Insbesondere ist die Belastung von Heizöl und Erdgas sehr niedrig, während die Belastung des zunehmend regenerativ erzeugten Stroms durch EEG-Umlage und Stromsteuer fast zehnmal so hoch ist. Das erschwert den Umstieg auf Wärmepumpen und Elektromobilität. Zwar sollen die Stromabgaben bis 2023 um 0,625 Cent pro Kilowattstunde reduziert werden, aber das ist zu wenig, um eine Lenkungswirkung zu entfalten.“ – bto: Die Fehlentwicklungen vergangener Planwirtschaft werden so bezahlt und die Grundlagen für weitere Fehlentwicklungen und damit noch höhere Kosten ohne Wirkung gelegt. Alles, um dann wieder festzustellen, dass es ja wieder mal ein „Marktversagen“ gäbe oder es nur die gierigen Kapitalisten seien, die die Welt ruinieren wollten.
  • „Die Kfz-Steuer soll sich nach den CO₂-Emissionen des Fahrzeugs richten. Die Kfz-Steuer ist aber unabhängig davon, wie viele Kilometer das Fahrzeug im Jahr zurücklegt. Dem Klima wäre mehr gedient, wenn sie abgeschafft und gleichzeitig die Mineralölsteuer erhöht würde, weil damit der Anreiz verbunden wäre, weniger Kilometer zu fahren und beim Neuwagenkauf auf den Spritverbrauch zu achten.“ – bto: Genau, aber so kann man den Ferrari-Käufer, der vielleicht 1000 Kilometer im Jahr fährt, belasten.  (Dass dieser schon mehr Mehrwertsteuer bezahlt ist dann ja egal …)
  • „Für die energetische Sanierung von Gebäuden und den Kauf von Elektroautos soll es hohe Zuschüsse geben. Diese Zuschüsse entlasten Hausbesitzer und Autokäufer, führen aber in einem System mit vorgegebener Menge von CO₂-Zertifikaten, wenn dieses System denn von 2026 an kommt, zu keiner zusätzlichen Verringerung der CO₂-Emissionen. Diese werden allein von der Menge der ausgegebenen Zertifikate bestimmt.“ – bto: Nein, es ist nur teurer. Und im Zweifel erzeugen dann andere mehr CO2, weil die Zertifikate ja nicht so schnell teuer werden, wie gedacht.
  • „Flugtickets werden von April 2020 an mit einer zusätzlichen Abgabe belastet. Soweit es sich dabei um Flüge innerhalb des EU-Gebiets handelt, ist damit jedoch keine Klimawirkung verbunden, weil diese Flüge im EU-weiten Emissionshandelssystem erfasst sind.“ – bto: richtig, ohnehin nur 0,3 Prozent des hiesigen CO2-Ausstoßes.  Geht es auch hier um Symbolpolitik gegen ein freiheitliches und damit auch ungleiches System. Es sollen halt alle mit der Bahn fahren.
  • „Schließlich werden für jeden Sektor (Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft etc.) eigene CO₂-Einsparziele formuliert. Dies widerspricht aber dem fundamentalen Grundsatz, Einsparungen dort vorzunehmen, wo sie am kostengünstigsten erzielbar sind.“ – bto: Es geht um Effizienz und Effektivität. Hier haben wir beides nicht.
  • „Zwar befinden sich unter den Einzelmaßnahmen auch einige wenige, die aus ökonomischer Sicht zu begrüßen sind, wie etwa die Förderung von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der CO₂-sparenden Techniken. Insgesamt muss man aber konstatieren, dass die Regierung mit diesen Vorschlägen das Ziel, Klimapolitik mit möglichst geringen Kosten für die Bevölkerung zu betreiben, weit verfehlt hat.“ – bto: Ja, aber das war am Tag der Verkündung schon klar. Das Klima dürfte ohnehin oft nur als Vorwand genutzt werden, um eine gewünschte politische Agenda auf anderem Gebiet umzusetzen.

Fazit: Obwohl der Schaden der bisherigen Politik offensichtlich ist (Geisterstrom, drohende Dunkelflaute, Rekordstrompreise, Subvention für neue Industrien in China (Solar), 80 Milliarden für Kohleausstieg ohne Wirkung, …), macht die Politik mit weiter wie bisher: verschleudert sinnlos Wohlstand ohne Wirkung für das Klima.

→ capital.de: “Auf den Spuren des Geisterstroms, 18. November 2019

→ sueddeutsche.de: “Durchbruch oder teurer Fehlschlag, 18. November 2019