Disarm our doomsday machine
Dieser Beitrag erschien zum ersten Mal am 2. Juni 2014 bei bto. Ich finde, wir brauchen endlich eine Diskussion der fundamentalen Änderungen in unserem Geldsystem. Gerade weil es das Geldsystem ist, welches uns erst den Finanzzyklus beschert, den die BIZ als Hauptkrisenursache identifiziert und dann die Lösung so erschwert. Vor allem weil die Volkswirte es zumeist immer noch nicht verstehen.
Die Diskussion um die Zukunft des Finanzsystems geht erfreulich weiter. Zumindest deutlich aktiver als die Politik, die endlich die richtigen Schlüsse aus der Krise ziehen müsste, dies aber nicht will, weil sie es sich schlichtweg nicht leisten kann. Wo sollen die 800 Milliarden Euro in Europa denn herkommen, um die Banken zu rekapitalisieren – wenn es damit wirklich getan wäre? Auch die USA haben nur an der Oberfläche die Probleme gelöst. Zwar waren sie mit der Rekapitalisierung deutlich schneller und aggressiver. Doch noch immer sind die Banken zu groß, um Konkurs gehen zu können und die Regulierung zu komplex, mit vielen Schlupflöchern. Hier wie da haben die Notenbanken mit billigem Geld die Probleme verdeckt, doch die Schulden wachsen ungebremst weiter.
Der ehemalige US-Finanzminister kritisiert in seinem neuen Buch nicht nur das zögerliche europäische Vorgehen, sondern postuliert eine Fortsetzung der heutigen Strategie des Eingreifens bei Krisen gegenüber einer Prävention. Alle Versuche, durch Regulierung Krisen zu verhindern, würden demnach eher zu neuen Krisen führen. Einer Auffassung, der Martin Wolf in der FT widerspricht. Er macht deutlich, dass wir die “Untergangsmaschine” der Banken stoppen müssen durch höhere Eigenkapitalquoten, strengere Regulierung und letztlich auch die Notwendigkeit, Konkurse zuzulassen. Nicht mehr erwähnt er hierbei die von ihm vor einigen Wochen gelobte Idee, das Finanzsystem in Richtung eines Vollgeldsystems zu entwickeln: mit klarer Unterscheidung von Geld, welches zu Zahlungszwecken aufbewahrt wird und als solches keinen Ertrag abwirft, sondern Verwahrungskosten und Geld, welches zu Investitionszwecken verliehen wird und neben Ertragspotenzial auch das Verlustrisiko beinhaltet.
→ FT (Anmeldung erforderlich): Disarm our doomsday machine, 27. Mai 2014
Wie interessant diese Idee ist, wird in der anhaltenden Diskussion in der Schweiz deutlich. Nachdem die meisten Kommentatoren – die auch hier verlinkt wurden – die Idee zwar interessant finden, aber erhebliche Umsetzungsprobleme sehen (und auch ein weiteres Erstarken des Franken fürchten in einer Welt, in der es einen Wettlauf um den Status der schlechtesten Währung gibt), kommt heute ein Befürworter des Vollgeldsystems zu Wort: “Im 17. Jahrhundert begannen die Banken, das ihnen anvertraute Gold auf wohl unrechtmässige, sicher aber heimliche Art und Weise auszuleihen – weil sie feststellten, dass jeweils nur ein Bruchteil des gesamten Goldbestands abgehoben wurde. Die Bank von Amsterdam hatte es mit ihren Ausleihungen an die Stadt Amsterdam (ihren Eigentümer) allerdings dermaßen übertrieben, dass sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts Konkurs anmelden musste, weil die Stadt ihre Schulden nicht mehr bedienen konnte. So flogen die ‘illegalen’ Praktiken des damaligen Banking auf. Vor diesem Hintergrund erstaunt, dass der vorherrschende Konsens selbst unter Liberalen ein System toleriert und sogar propagiert, das auf einem Umtauschversprechen der Banken basiert: nämlich das Sichtbankengeld auf Aufforderung des Kunden in Notenbankgeld zu tauschen – ein Versprechen, das in Stressphasen nicht, nur beschränkt bzw. nur mit Staatshilfe eingehalten werden kann.”
Und weiter: “Der Zeitpunkt für die Einführung des ‘100%-Geldes’ wäre ideal. In der Geschichte des Banking lagen noch nie so hohe Bankgiroguthaben bei den Notenbanken. Sie als Reserven einzufrieren und einer später möglicherweise virulent werdenden Kredit-, Geldmengen- und Inflationsblase zu entziehen, wäre geldpolitisch sehr geschickt. Der Zeitpunkt wäre auch für das Fed ideal, liegen dort doch über 60 % des seit der Finanzkrise neu geschaffenen Geldes als unproduktive Überschussreserven der Geschäftsbanken. Viele Beobachter – nicht nur aus dem monetaristischen Lager – befürchten speziell in den USA einen zu späten und zu zögerlichen Abbau dieser Gelder.”
Zur Idee des Geld-Wettbewerbs ebenfalls eine zumindest bedenkenswerte Überlegung: “Das Papiergeld ist eine der genialsten Erfindungen. Seine wirtschaftlichen Effizienzgewinne lassen sich kaum vollständig abschätzen. Das sogenannte Fiat Money war der wichtigste Motor für die Entwicklung der modernen Volkswirtschaften. Das Papiergeld kann in jeder beliebigen Menge mit marginalen Kosten hergestellt werden. Deshalb ist es für die private Produktion unter Konkurrenzbedingungen nicht geeignet, weil ihr Optimum in einer unbeschränkten Geldmenge (Hyperinflation) läge. Friedrich von Hayeks Idee funktioniert nur für ein Geld mit signifikanten Herstellungskosten.”
Die Diskussion zeigt deutlich, wie weit wir von einer wahren Lösung für die zukünftige Stabilität des Finanzsystems entfernt sind. Drastisch höhere Eigenkapitalanforderungen und die erleichterte Abwicklung maroder Banken sind das Mindeste, was getan werden muss. Doch dann sind wir wieder bei der Politik: Wer soll das bezahlen?
→ FuW: «100%-Geld» macht Bankensystem sicherer, 27. Mai 2014