Früher als selbst von den größten Skeptikern erwartet spüren wir die wirtschaftlichen Folgen der in den letzten Jahrzehnten gesetzten politischen Prioritäten. Seit den Schröder’schen Reformen hat die Politik sich darauf konzentriert, diese rückgängig zu machen. Mit Einführung des Bürgergelds war dieser Vorgang endgültig vollzogen.
Trotz absolut und relativ steigender Abgabenlast und deutlich geringerer Zinskosten wurde nicht in das Land investiert, was uns Infrastruktur, Bildungssystem und Bundeswehr täglich vor Augen führen.
Noch spürbarer sind die Folgen der politischen Weichenstellungen im Bereich von Energiepolitik und Klimaschutz. Trotz Milliardeninvestitionen hinken wir sowohl bei der CO2-Einsparung als auch bei den Energiekosten hinterher.
Das hat entscheidenden Anteil daran, dass der Standort Deutschland im internationalen Vergleich nach unten durchgereicht wird. Statt des versprochenen grünen Wirtschaftswunders droht beschleunigte Deindustrialisierung.
Höchste Zeit also, dass wir uns auf die Grundlagen unseres Wohlstands besinnen. Neben einem guten Bildungssystem und dem Zugang zu billiger Energie – im Rahmen der Industrialisierung zur Kohle – sorgte vor allem die Innovationsfähigkeit unserer Unternehmen dafür, dass Deutschland zu einer führenden Wirtschaftsnation aufstieg.
Deutschland braucht einen neuen Weg in der Klimapolitik
Innovationen werden es auch sein, die zur Bewältigung der Herausforderungen aus dem Klimawandel führen. Die Unternehmensberatung McKinsey rechnet vor, dass die Welt 60 Prozent der erforderlichen Emissionsminderungen mit den vorhandenen Technologien erreichen kann, wenn sie diese umfassend einsetzt.
Die übrigen 40 Prozent können nur mit Technologien erreicht werden, die noch nicht ausgereift oder noch gar nicht erfunden sind. Immerhin 2000 Milliarden Dollar pro Jahr wären erforderlich, um diese Technologien zur Marktreife zu bringen.
Hierin liegt eine große Chance für Deutschland, die wir ergreifen sollten. Dies setzt voraus, dass wir in der Klimapolitik einen anderen Weg einschlagen. Statt wie heute ausschließlich auf vorhandene Technologien – vor allem Wind und Sonne – zu setzen und bestimmte Forschungsbereiche auszuschließen, wie die Nuklearforschung, CO2-Abscheidung oder genmodifizierte Pflanzen, sollten viel mehr Mittel für ergebnisoffene Forschung zur Verfügung gestellt werden.
Die sicherlich nicht vollständige Liste der noch zu entwickelnden Technologien von McKinsey enthält auch solche, in denen Deutschland eine Chance haben könnte. Dazu gehören Verfahren zur Speicherung und Verarbeitung von CO2, kostengünstige Technologien zur Herstellung von Wasserstoff, neuartige Werkstoffe, künftige Generationen von Kernkraftwerken, Bioengineering und neuartige Batterietechnologien.
Neue Technologien können den Wohlstand sichern
Ein solcher Politikwechsel würde Mittel für andere wichtige Politikbereiche freisetzen, zum Beispiel durch weniger Subventionen für die Implementierung vorhandener Technologien. Stattdessen sollte die Steuerung der Umstellung allein über einen planbar steigenden CO2-Preis erfolgen. Die eingesparten Subventionsmittel könnten zweckgebunden für Grundlagenforschung, Bildung und Infrastruktur ausgegeben werden.
Dass die amtierende Bundesregierung trotz ihres Bekenntnisses zum Klimaschutz und ihres Träumens von einem grünen Wirtschaftswunder im Rahmen der sogenannten Einsparungen im Bundeshaushalt – die überwiegend nur Steuererhöhungen waren – ausgerechnet bei der Batterieforschung die Mittel zusammengestrichen hat, unterstreicht die Diskrepanz zwischen offizieller Zielsetzung und faktischem Handeln.
Die akute Strukturkrise Deutschlands erfordert Reformen auf praktisch allen Gebieten, was noch zu erheblichen gesellschaftlichen Spannungen führen wird. Verglichen damit ist die Sicherung künftigen Wohlstands mit neuen Technologien und Produkten leichter zu realisieren. Vorausgesetzt, die Politik schafft die entsprechenden Rahmenbedingungen.
→ handelsblatt.com: „Zurück in die Zukunft zum Land der Denker“, 24. März 2024