Geringes Wachs­tum ist kein Schick­sal

Laut Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung müssen wir uns dauerhaft auf ein geringes Wachstum einstellen. Auf nur noch 0,5 Prozent pro Jahr schätzt sie das Wachstumspotenzial, weil die Erwerbsbevölkerung schrumpft und die Produktivitätsfortschritte gering sind. Zu befürchten ist allerdings, dass dies mit Blick auf die rückläufige Entwicklung der Arbeitsproduktivität in den vergangenen Jahren eine zu optimistische Einschätzung ist.

Es ist gut möglich, dass wir ohne Reformen gar kein Wachstum mehr erzielen werden. Die Folge wären massive Verteilungskonflikte, auf die die aktuelle Streikfreudigkeit nur einen kleinen Vorgeschmack gibt.

Bleibt der sprichwörtliche Kuchen unverändert und wächst der Anteil derer, die als Rentner oder aus anderen Gründen keinen Beitrag (mehr) zur Erarbeitung des Kuchens leisten, wächst der Druck auf die wirtschaftlich aktive Seite der Gesellschaft überproportional.

Das sollten wir unbedingt verhindern und deshalb die Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität zum Fokus der Politik machen. Neben den bekannten Themen Digitalisierung, Infrastruktur, Bildung und Energiekosten muss es auch darum gehen, den Staat zurückzunehmen.

Bereits 2019 hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsplanung (DIW) Berlin darauf hingewiesen, dass die Bürokratisierung der Arbeitswelt zunehmend ein Produktivitätshemmnis darstellt. Denn so entfällt ein immer größerer Teil der Arbeitszeit auf die Erfüllung staatlicher Auflagen.

Dieses Problem löst man allerdings nicht, wie von der Politik gerne propagiert, über Gesetze zur Entbürokratisierung, sondern durch den Wegfall von Gesetzen. Die Politik von Brüssel bis Berlin gefällt sich zu sehr in der Rolle des Steuermanns der Wirtschaft, ohne zu erkennen, dass sie damit die Wirtschaft hemmt und sich selbst überfordert.

Restrukturierung des Sozialstaates notwendig

Eng damit verknüpft ist die Größe des Staates. Es ist kein Geheimnis, dass die Produktivitätsfortschritte vor allem in der Privatwirtschaft und dabei vor allem im produzierenden Gewerbe erzielt werden, wie das Bundesfinanzministerium berichtet. Nicht zuletzt bedingt durch die verfehlte Energiepolitik schrumpft der Anteil der Industrie, was bereits einen Teil der schlechten Produktivitätsentwicklung erklärt.

Hinzu kommt, dass der staatliche Sektor immer mehr Arbeitskräfte bindet. Zurzeit sind mehr als fünf Millionen Menschen im öffentlichen Sektor beschäftigt, dies entspricht rund elf Prozent der Erwerbstätigen, wie der dbb Monitor öffentlicher Dienst 2024  zeigt. Damit liegt Deutschland zwar trotz der Zunahme der Beschäftigung beim Staat noch unter dem Niveau anderer OECD-Länder und der europäischen Nachbarn, dennoch müssen wir eine weitere Zunahme verhindern.

→ handelsblatt.com: „Geringes Wachstum ist kein Schicksal“, 17. März 2024