Geringes Wachstum ist kein Schicksal
Laut Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung müssen wir uns dauerhaft auf ein geringes Wachstum einstellen. Auf nur noch 0,5 Prozent pro Jahr schätzt sie das Wachstumspotenzial, weil die Erwerbsbevölkerung schrumpft und die Produktivitätsfortschritte gering sind. Zu befürchten ist allerdings, dass dies mit Blick auf die rückläufige Entwicklung der Arbeitsproduktivität in den vergangenen Jahren eine zu optimistische Einschätzung ist.
Bereits 2019 hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsplanung (DIW) Berlin darauf hingewiesen, dass die Bürokratisierung der Arbeitswelt zunehmend ein Produktivitätshemmnis darstellt. Denn so entfällt ein immer größerer Teil der Arbeitszeit auf die Erfüllung staatlicher Auflagen.
Restrukturierung des Sozialstaates notwendig
Hinzu kommt, dass der staatliche Sektor immer mehr Arbeitskräfte bindet. Zurzeit sind mehr als fünf Millionen Menschen im öffentlichen Sektor beschäftigt, dies entspricht rund elf Prozent der Erwerbstätigen, wie der dbb Monitor öffentlicher Dienst 2024 zeigt. Damit liegt Deutschland zwar trotz der Zunahme der Beschäftigung beim Staat noch unter dem Niveau anderer OECD-Länder und der europäischen Nachbarn, dennoch müssen wir eine weitere Zunahme verhindern.
Eine naheliegende Möglichkeit wäre eine Restrukturierung des Sozialstaats. Immerhin 17 Prozent der Staatsdiener arbeiten im Bereich „Soziale Sicherung“, deutlich mehr als in anderen Ländern der OECD, wie das Statistische Bundesamt zeigt.
Nun mag dies teilweise an anderer Zuordnung und Definition liegen, aber klar ist, dass ein Sozialstaat, der mehr als 1100 Milliarden Euro im Jahr umverteilt, für diese Umverteilung in erheblichem Umfang personelle Kapazitäten bindet. Diese werden in Zukunft noch dringender als heute schon an anderer Stelle im öffentlichen Sektor oder in der Privatwirtschaft benötigt werden.
5000 neue Vollzeitstellen für die Verwaltung der Kindergrundsicherung, wie von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) gefordert, sind da sicherlich das falsche Signal.
Neben der negativen Anreizwirkung des überkomplexen Sozialstaats spricht deshalb auch die Mobilisierung von Arbeitskräften für produktivere Tätigkeiten für eine Reform des Sozialsystems.
Geringes Wachstum ist keinesfalls unser Schicksal. Die Politik hat wichtige Hebel. Sie muss sich nur trauen, sie in die Hand zu nehmen.
→ handelsblatt.com: „Geringes Wachstum ist kein Schicksal“, 17. März 2024

