Wir gehen revolutionären Schulden-Zeiten entgegen
Mit über 90 Prozent Staatsschulden relativ zum BIP belegen die USA Platz zwei nach Italien im aktuellen Schuldenreport der OECD noch vor Großbritannien, Spanien und Frankreich. Das laufende Defizit liegt bei über sechs Prozent vom BIP und soll nach Schätzungen des unabhängigen Congressional Budget Office bis 2035 auf diesem Niveau verharren.
„Nicht nur Donald Trump braucht niedrige Zinsen“, habe ich Anfang Februar in dieser Kolumne geschrieben. Vor allem aber braucht er die Bereitschaft der ausländischen Investoren, den US-Staat weiterhin zu finanzieren. Immerhin ein Drittel der US-Staatsanleihen befindet sich in ausländischer Hand.
Da die US-Regierung seit Jahren immer mehr auf kurzlaufende Anleihen gesetzt hat, schlagen Zinserhöhungen und ein möglicher Vertrauensverlust in US-Staatsanleihen unmittelbar auf die Finanzierungskosten des Staates durch. Insgesamt müssen die USA in diesem Jahr den eindrucksvollen Betrag von 9200 Milliarden US-Dollar am Kapitalmarkt besorgen, und ein – auch nur teilweiser – Käuferstreik der Ausländer könnte eine Spirale auslösen: Höhere Zinsen führen zu höheren Defiziten und höhere Defizite zu höheren Zinsen.
Es bewahrheitet sich in diesen Tagen erneut, wie recht James Carville, der Berater des früheren US-Präsidenten Bill Clinton, hatte, als er feststellte, dass der Anleihenmarkt jeden einschüchtern könne. Der beginnende Rückzug der Trump-Administration im Zollkonflikt ist auf den deutlichen Zinsanstieg im US-Anleihenmarkt zurückzuführen.
Doch selbst wenn die US-Regierung morgen erklären sollte, die Zollpläne komplett ad acta zu legen – was unwahrscheinlich genug ist –, der Schaden für den US-Anleihenmarkt dürfte für eine längere Zeit erheblich, wenn nicht schon dauerhaft sein.
Schließlich hat die US-Regierung nämlich den Investoren aus aller Welt mehr als deutlich eines zu verstehen gegeben: Wir wollen zwar euer Geld, wir haben aber die Absicht, es zu entwerten. Über Inflation und über eine Abwertung des Dollars. Im Zweifel zwingen wir euch, euer Geld in langfristige Anleihen mit tiefen Zinsen zu wandeln.
Relativ dazu sind sogar die Staaten der Eurozone plötzlich attraktiver. Zwar stehen auch in Europa die Zeichen der Zeit schlecht für die Gläubiger der Staaten, jedoch dürfte die Last der Anpassung nicht nur die Anleihengläubiger treffen.
Insgesamt verfügt die EU noch über erhebliches Verschuldungspotenzial, dank solide wirtschaftender Staaten wie – bis vor Kurzem – Deutschland, aber auch die Niederlande, Polen, Irland, Dänemark und Schweden.
Bereits 1752 erkannte der schottische Philosoph und Ökonom David Hume, dass „entweder die Nation die öffentliche Kreditwürdigkeit zerstört, oder die öffentliche Kreditwürdigkeit die Nation zerstört“.
Gemeint war der zwangsläufige und am Ende unlösbare Konflikt zwischen der Bedienung der Schulden um jeden Preis – was das Land überfordert und damit die Nation zerstört – beziehungsweise das geordnete oder ungeordnete Brechen des Rückzahlungsversprechens für die Staatsschuld.
Natürlich wird es vorerst nicht zum offenen Ausbrechen dieses Konfliktes in den USA und der EU kommen. Die Notenbanken werden selbstverständlich die Solvenz der Staaten garantieren, wenn auch unter Aufgabe des Ziels der Geldwertstabilität. Die Politik der aktuellen US-Regierung hat jedoch den Zeitpunkt der Intervention und des aufbrechenden Verteilungskonfliktes nach vorne gerückt.
Welche dramatischen Folgen der Verteilungskonflikt mit Blick auf die Staatschulden haben kann, zeigt ein Blick in die Geschichte: Ohne Staatsverschuldung hätte es die Französische Revolution wohl nie gegeben. So gesehen kann man nur festhalten: Wir gehen „revolutionären Zeiten“ entgegen.