Um die Schuldenmisere zu beenden, bleibt nur ein Weg
Gleichgültig, wer im kommenden Jahr das Weiße Haus beziehen wird, eines ist sicher: Die Staatsschulden der USA werden weiter kräftig wachsen. Nicht besser sieht es in der EU aus. Zwar gab es Bekenntnisse zur fiskalischen Solidität, doch die Wirklichkeit ist eine andere. Auch die Wahlen in Frankreich machen klar, dass es keine politischen Mehrheiten für solide Staatsfinanzen gibt – Rechte wie Linke sind sich darin einig, mehr Schulden zu machen.
Was sollten Staaten tun bei zu vielen Schulden? Sparen ist mühsam und nicht durchzuhalten. Höhere Besteuerung bis hin zu Vermögensabgaben sind bereits in der Diskussion. So hat France Strategie, ein staatsnaher französischer Thinktank, bereits 2017 vorgeschlagen, die Staatsschulden der Euro-Zone durch Abgaben auf Immobilien zu finanzieren.
Der Staat soll – so der Vorschlag – Miteigentümer werden und dafür jährlich eine Verzinsung bekommen. Zahlen die Eigentümer nicht jährlich, sollen Einmalzahlungen bei Verkauf oder Erbschaft anfallen. Angesichts der Höhe der Verschuldung muss man allerdings bedenken, dass diese Steuer ohne Ausnahme erhoben werden muss, damit sie dem Staat ausreichend viel bringt.
Hohe Staatsschulden: Unterschied zwischen den USA und Europa
Wie schön wäre es doch, einfach aus dem Schuldenproblem herauszuwachsen. Aber das ist nicht leicht angesichts der demografischen Entwicklung und der enttäuschenden Produktivitätsentwicklung in den Industrieländern in den vergangenen Jahren. In den USA ist die Arbeitsproduktivität nach Berechnungen des Bureau of Economic Analysis zuletzt wieder gestiegen. Aber so eine Trendumkehr ist in Europa bisher nicht gelungen.
Große Hoffnung setzt man in den USA auf die Verbreitung Künstlicher Intelligenz (KI). So gehen Experten von Goldman Sachs davon aus, dass die KI der nächsten Generation 25 Prozent aller Arbeitsaufgaben automatisieren wird. Damit könnte die Produktivität in den USA im nächsten Jahrzehnt um neun Prozent steigen, das BIP-Wachstum kumulativ um 6,1 Prozent.
So beeindruckend dies klingt, so unzureichend wäre der Wachstumsgewinn. Außerdem könnte die Produktionswirkung der KI nicht so stark sein. Denn die Technologie ist außerordentlich energieintensiv.
Eine einzelne Suchanfrage auf ChatGPT von OpenAI kann 50- bis 90-mal mehr Strom verbrauchen als eine herkömmliche Google-Suche. Der höhere Energiebedarf trifft auf ein Energieangebot, das durch den Green Deal und die Energiewende ohnehin unter Druck ist.
Nachhaltig hohe Energiepreise dürften die bereits in Schweden und Frankreich zu beobachtenden Tendenzen einer Abkopplung des eigenen Landes vom europäischen Strommarkt befördern. Das würde allerdings vor allem die deutsche Industrie stark belasten – und ist damit kein Szenario für hohes Wachstum.
Übrig bleibt das unangenehme Szenario, dass es nur über die heimliche Entwertung der Schulden und die Enteignung der Gläubiger gehen wird – also durch Inflation.
Wie realistisch das Szenario einer anhaltend hohen Inflation ist, zeigt die Reaktion auf die Wahlen in Frankreich. Trotz transparenter Schuldenerhöhungspläne reagieren die Märkte gelassen.
Die Börse setzt darauf, dass die EZB so oder so den Staaten rettend zur Seite springen wird – unabhängig davon, was die offiziellen Regeln für solche Interventionen besagen. Kurzfristig mag dies beruhigend wirken, perspektivisch lässt es aber nur Geldentwertung als Ausweg aus der Schuldenmisere zu.
→ handelsblatt.com: „Um die Schuldenmisere zu beenden, bleibt nur ein Weg“, 28. Juli 2024