Eine „Übergewinnsteuer“ bestraft mutige Investoren
In der Politik werden Rufe laut, durch eine sogenannte „Übergewinnsteuer“ vermeintlich unberechtigte Gewinne abzuschöpfen. Großbritannien und Italien haben entsprechende Gesetze angekündigt.
Doch was wäre zu besteuern? Zunächst etwaige höhere Gewinnmargen der Mineralölkonzerne in Deutschland pro Liter im Vergleich zu anderen EU-Staaten.
Dauerhaft höhere Margen ließen auf Marktversagen schließen, müssten doch höhere Profite dazu führen, dass größere Mengen Benzins auf dem deutschen Markt angeboten werden und die steuerbereinigte Preisdifferenz zu den Nachbarländern weitgehend verschwindet. Wäre dies dauerhaft nicht der Fall, spräche das für ein unzureichendes Funktionieren des Wettbewerbs und das Kartellamt müsste einschreiten. Den „unberechtigten“ Anteil an der Gewinnmarge zu definieren und zu besteuern, dürfte sich hingegen als unmöglich erweisen.
Einen Übergewinn nachzuweisen dürfte schwer werden
Bliebe der Weg, sich die Konzerngewinne anzuschauen und den Anstieg (Italien) oder einfach das Niveau (Großbritannien) höher zu besteuern. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob die Tatsache, dass die Gewinne im Zuge höherer Ölpreise angestiegen sind, dafür ausreicht, diese Gewinne als „Übergewinn“ zu definieren.
In dieser Woche kostete Öl der Sorte Brent etwas weniger als 120 US-Dollar je Barrel, 63 Prozent mehr als vor einem Jahr und 20 Prozent mehr als vor Beginn des Krieges in der Ukraine. Trotzdem liegt der Preis nur geringfügig über dem vom März 2011 bis Mai 2014 und immer noch deutlich unter dem Niveau von Juni 2008.
Hier dann einen „Übergewinn“ nachzuweisen, dürfte schwerfallen. Übrigens, dass die Preise an der Zapfsäule neue Rekorde erreichten, hat vor allem mit dem deutlichen Wertverlust des Euro in Folge der EZB-Geldpolitik zu tun.
Russlands Krieg gegen die Ukraine ist nicht die Hauptursache für den Anstieg des Ölpreises – russisches Öl verschwindet ja nicht vom Markt, sondern wird von anderen Ländern gekauft. Die Ursache liegt im deutlichen Rückgang der Investitionen in die Erschließung neuer Quellen. Im Zeitraum 2015 – 2020 haben sich diese Ausgaben mehr als halbiert.
Übersetzt bedeutet das: Gewinner der Preissteigerungen sind jene Unternehmen, die trotz relativ tiefer Ölpreise und der unsicheren Aussichten bezüglich der Nutzungsdauer der erschlossenen Quellen mit Blick auf die Bemühungen der Welt von fossilen Brennstoffen wegzukommen, investiert haben.
Es sind also keine „Übergewinne“, sondern es ist berechtigte Vergütung für unternehmerischen Mut. Hier mit Zusatzsteuern zu agieren mag populär sein, widerspricht jedoch den Grundprinzipien unserer Wirtschaftsordnung. Im Ölsektor schwächt es westliche Firmen zusätzlich im Wettbewerb mit Staatskonzernen wie Saudi Aramco, was weder im Interesse der Versorgungssicherheit noch im Interesse des Klimaschutzes sein dürfte.
→ handelsblatt.com: “Eine „Übergewinnsteuer“ bestraft mutige Investoren”, 10. Juni 2022