Reform der Schulden­bremse – aber richtig!

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Politiker, sobald sie über mehr Geld verfügen können, ungern an Reformen denken, dann wurde er in diesen Wochen erbracht. Das Sondierungspapier von Union und SPD zeugt von jeder Menge Wahlgeschenken wie Mütterrente und Gastro-Mehrwertsteuersenkung sowie Bekenntnissen zum Status quo bei Rente und Sozialstaat. Reformen werden höchstens vage angedeutet.

Die Grünen haben ihre Machtposition dafür genutzt, Zugeständnisse für die eigenen politischen Wunschprojekte zu erzielen. Allerdings konnten sie an der Zweckentfremdung der Mittel – die offiziell für Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung gedacht sind – für den allgemeinen Haushalt mit der Verpflichtung, dass diese Ausgaben „zusätzlich“ erfolgen sollen, nur bedingt etwas ändern. Bereits die Finanzierung mit Krediten des über einem Prozent vom BIP liegenden Teils, der nun erweitert definierten Ausgaben für Verteidigung, schafft allein einen zusätzlichen Freiraum von über zehn Milliarden Euro.

So bleibt der fade Nachgeschmack, dass Union, SPD und Grüne gemeinsam die Gelegenheit genutzt haben, für ein paar Jahre ihre Finanzprobleme auf Bund- und Länderebene zu beheben.

Im Raum steht die Forderung nach einer grundlegenden Reform der Schuldenbremse, die wir offensichtlich brauchen, wollen wir uns künftig ein derartiges Geschacher ersparen. Dabei darf es aber nicht nur darum gehen, einfach den finanziellen Spielraum zu erhöhen. Im Gegenteil muss es darum gehen, das Finanzgebaren des Staates grundlegend zu verbessern. Es lag ja nicht an mangelndem Geld, dass Infrastruktur und Bundeswehr verfallen sind, sondern am fehlenden Willen der Politik in Zeiten voller Kassen, das Geld in diesen und nicht in anderen Bereichen auszugeben.

Wie eine intelligente Reform der Schuldenbremse aussehen könnte, zeigt eine aktuelle Studie des Leibniz-Zentrum Für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim. Die Autoren, Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Prof. Dr. Zareh Asatryan, Dr. Albrecht Bohne und Paul Steger, diagnostizieren vier Kernprobleme in der aktuellen Finanzpolitik: einen auch demografisch bedingt überproportional wachsenden Sozialstaat, eine mangelnde Transparenz der öffentlichen Finanzen verbunden mit einer fehlenden Wirkungskontrolle für öffentliche Aufgaben und eine Neigung der Politik, Konsumausgaben gegenüber Zukunftsinvestitionen zu priorisieren.

Hier nun setzen die Wissenschaftler mit ihrem Vorschlag an. Sie plädieren für eine Reform der Schuldenbremse, die es Ländern und Bund nur erlaubt, mehr Schulden zu machen, wenn diese in klar definierte Zukunftsausgaben wie Investitionen, Bildung, Forschung und Entwicklung, Umwelt- und Klimaschutz sowie Verteidigung fließen. Dabei dürften Schulden nur in dem Maße aufgenommen werden, wie die Ausgaben über dem gleitenden Zehnjahresdurchschnitt liegen. Eine Regelung, die jene belohnt, die wirklich mehr in die Zukunft investieren.

Ein unabhängiges Gremium soll die Ausgaben überwachen

Dies allein würde jedoch nicht genügen, um die richtige Mittelverwendung sicherzustellen. Aus diesem Grund plädieren die Wissenschaftler für die Einführung der doppelten Buchführung auch auf Bundesebene, damit beispielsweise der Verschleiß von Vermögenswerten sofort sichtbar wird. Außerdem soll nach angelsächsischem Vorbild eine Wirkungskontrolle staatlicher Ausgaben verpflichtend werden. Es genügt dann beispielsweise nicht mehr, Milliarden für den Klimaschutz mobilisiert zu haben, sondern man blickt auf die tatsächlich erzielte Einsparung von Kohlendioxid.

Überwacht werden sollte die Definition der Zukunftsausgaben durch ein unabhängiges Gremium von Deutscher Bundesbank, Bundesrechnungshof und Sachverständigenrat, da die Versuchung, alle möglichen Ausgaben als „Zukunftsausgaben“ zu definieren, unwiderstehlich sein dürfte. Es bleibt zu hoffen, dass die politisch Verantwortlichen zu der Einsicht kommen, dass dieser Weg im langfristigen Interesse unseres Landes ist.