Argentinien als Warnung

„Der Fall Argentinien ist ein empirischer Beweis dafür, dass, egal wie reich man auch sein mag …, wenn Maßnahmen ergriffen werden, die das freie Funktionieren der Märkte, des Wettbewerbs, der Preissysteme, des Handels und des Besitzes von Privateigentum behindern, das einzig mögliche Schicksal Armut ist.“ Das sagte der neu gewählte argentinische Präsident Javier Milei bei seiner Rede im Januar in Davos.

In der Tat: Vor 100 Jahren gehörte Argentinien zu den reichsten Ländern der Welt. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag auf dem Niveau Westeuropas. Hätte sich das Land in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt wie Länder mit vergleichbarer Wirtschaftsstruktur, läge das Pro-Kopf-Einkommen einer Studie zufolge heute auf dem Niveau von Neuseeland (51.967 USD) statt auf dem Niveau von Mauritius (26.505 USD). Argentinien wäre ein reiches Land und nicht ein Land, welches seine Hoffnung auf einen „Anarchokapitalisten“ setzt, um eine Trendwende einzuleiten.

Blickt man auf die Geschichte des Landes in den vergangenen 100 Jahren, so muss man feststellen, dass populistische Regierungen und Militärdiktaturen, die abwechselnd an der Macht waren, auf Klientelpolitik und Umverteilung gesetzt haben und zugleich immer weitgehender in die Wirtschaft eingriffen. Liest man die Analyse des Ökonomen Rok Struk über die Ursachen der Misere kommt nicht umhin, einige Ähnlichkeiten zu dem zu sehen, was auch hierzulande die Politik immer mehr prägt.

Der Staat griff immer mehr in die freien Märkte ein, was zur Bevorzugung dominanter Interessengruppen und zur Ausrichtung der Wirtschaft an staatlichen Fördergeldern und Subventionen statt produktiver Wirtschaftstätigkeit führte. Durch eine Reihe von Verstaatlichungen wuchs der Anteil staatlicher Aktivitäten in der Wirtschaft. Dies ging einher mit Preiskontrollen und weiteren Einschränkungen der Eigentumsrechte wie das Verbot der Räumung nicht zahlender Mieter.

Hierzulande erleben wir Ähnliches: Der Staat greift, getragen vom politisch definierten Ziel einer „Transformation“, immer weiter in die Wirtschaft ein, bis hin zu Gewinngarantien bei entsprechendem Verhalten der Unternehmen – Differenzverträge genannt.

Parallelen Argentinien und Deutschland

Eng damit verbunden war in Argentinien ein Ausbau des öffentlichen Sektors, wo Stellen geschaffen wurden, die dazu dienten, politische Weggefährten zu versorgen. Hierzulande hat allein die Ampel nach einer Analyse der Bundeshaushalte und Stellenpläne durch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft von Ende Januar 11.500 zusätzliche Beamtenstellen geschaffen. Allein die laut „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ 46 neu geschaffenen Stellen als „Sonderbeauftragte“ der Bundesregierung kosten jährlich 30 Millionen Euro.

Ebenfalls im Fokus stand in Argentinien immer wieder eine populistische Einkommens- und Vermögensumverteilungspolitik. Auch hierzulande steht der Ausbau des Sozialstaats und eine immer weiter gehende Umverteilungspolitik hoch auf der Agenda. Seit Jahren steigt der Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt, und die Rufe nach Vermögensteuern, Vermögensabgaben und höheren Erbschaftsteuern sind unüberhörbar.

Um trotz der schlechten wirtschaftlichen Entwicklungen Umverteilung und Klientelpolitik weiter finanzieren zu können, setzten Argentiniens Regierungen immer wieder auf Staatsschulden und die Finanzierung über die Notenbank. Mehrere Hyperinflationen und Staatsbankrotte waren die Folge.

Hierzulande besteht diese Gefahr noch nicht, versperren doch Schuldenbremse und Unabhängigkeit der Zentralbank einen solchen Weg. Die Diskussionen zur Aufhebung der Schuldenbremse unterstreichen jedoch, dass der Anreiz hoch ist, die Folgen der eigenen Politik – geringes Wachstum, Subventionskultur – durch Schulden zu kaschieren.

Noch ist es unangebracht, Deutschland mit Argentinien gleichzusetzen. Dennoch sollten uns die Parallelen zu denken geben. Angesichts der demografischen Entwicklung werden die Verteilungskonflikte deutlich zunehmen und damit die Verlockung der Politik, auf populistische Maßnahmen zu setzen, die das Wirtschaftswachstum zusätzlich bremsen. Wohlstand ist aber kein Zufall, sondern das Ergebnis funktionierender Märkte und freien Unternehmertums.

→ handelsblatt.com: „Argentiniens Abstieg ist eine Warnung für Deutschland“, 18. Februar 2024