Krisenbekäm­pfung in der EU UND Coronomics für Deut­schland

Am heutigen 17. Juli 2020 treffen sich die Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten unter Führung der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu einem Sondergipfel, um über den nächsten Siebenjahresplan  und damit über das kommende EU-Budget und das Corona-Hilfspaket in Höhe von 750 Milliarden Euro zu entscheiden. Kanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Peter Altmaier versuchen in Gesprächen vorab, Brücken zu bauen. Bei ihrem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte auf Schloss Meseberg “beharrte sie darauf, dass das Hilfspaket für besonders von Corona betroffene Staaten ‘wuchtig’ sein müsse und nicht ‘verzwergt’ werden dürfe”.

Die USA, Japan, China und die Länder der EU sowie der Eurozone werden – daran besteht nicht der geringste Zweifel – auf die Monetarisierung der Ausgaben für die Krisenbekämpfung setzen und bei dieser Gelegenheit auch noch einige der Altschulden mit in die Programme hineinpacken. Wir müssen beim Spiel der Monetarisierung zunächst mitmachen. Es ist der große „Reset“, der bevorsteht. Meinen Appell hat DIE DEUTSCHE WIRTSCHAFT vor wenigen Tagen aufgegriffen und aus meinem Buch CORONOMICS das Kapitel “Coronomics für Deutschland” veröffentlicht.

die-deutsche-wirtschaft.de: Coronomics – Neustart aus der Krise, 4. Juli 2020

Derweil berichtet das Handelsblatt von einer Studie des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim zum “Wiederaufbaufonds”. “Vernichtende Kritik”, die nur jene wundert, die naiv immer an das Gute glauben wollen:

  • “Die Niederlande bekommen im Streit über den Corona-Wiederaufbauplan Schützenhilfe aus Deutschland: Das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hat den Plan untersucht und kommt zu einem vernichtenden Urteil. Anders als von der EU-Kommission behauptet, kämen die 750 Milliarden Euro keineswegs gezielt den von der Pandemie besonders stark betroffenen Ländern zugute.” – bto: Darum geht es auch nicht. Es geht um den Einstieg in eine Transferunion.
  • “Einen wirksamen Reformanreiz für wachstumsschwache EU-Staaten wie Italien würde er auch nicht bieten, heißt es in der ZEW-Studie (…). „Die Analyse zeigt, dass der Next-Generation-Fonds im Hinblick auf seine Stabilisierungsaufgabe fehlkonstruiert ist“, schreibt ZEW-Experte Friedrich Heinemann. ‘Der Mitteleinsatz von 750 Milliarden Euro würde auf diese Weise weder eine zielgenaue Unterstützung der besonders stark betroffenen Mitgliedstaaten leisten noch einen nennenswerten Anstoß zur Überwindung des Reformstaus in den Ländern mit geringem Potenzialwachstum.’” – bto: Im Gegenteil, die Transferunion verfestigt diese Strukturen.
  • “Für die Verteilung dieses Betrags legt die Kommission ausschließlich ökonomische Kennziffern aus der Zeit vor der Coronakrise zugrunde: Das Pro-Kopf-Einkommen des jeweiligen Landes im Verhältnis zum EU-Durchschnitt im Jahr 2019 sowie die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den Jahren 2015 bis 2019 relativ zum EU-Mittelwert. (…) Das führe dazu, dass von der Coronakrise kaum betroffene Länder wie Polen stark von dem Wiederaufbaufonds profitieren. Dagegen kämen Spanien, Italien und Frankreich vergleichsweise schlechter weg, obwohl ihre Volkswirtschaften laut EU-Prognose um jeweils über zehn Prozent einbrechen.” – bto: Das ist egal, denn absolut ist es auch Geld und vor allem öffnet es die Tür für viel mehr im Rahmen der Transferunion.
  • “Das ZEW moniert darüber hinaus, dass ein Teil des Wiederaufbauprogramms in EU-Haushaltsposten fließen soll, die gar nichts mit der Coronakrise zu tun haben, wie etwa die Agrarsubventionen für die Entwicklung des ländlichen Raums oder den „Just Transition Fonds“ zur Abfederung der Klimaschutzkosten. Insgesamt sei ‘das Begünstigungsmuster weitgehend losgelöst von der ökonomischen Betroffenheit durch die Pandemie’.” – bto: Vor allem geht es um Umverteilung und nicht um Sinnhaftigkeit.
  • “Der Wiederaufbauplan könne das Wachstumspotenzial der Empfängerländer nur dann erhöhen, wenn sie mit ‘wirksamen Anreizen für Strukturreformen’ verbunden seien, heißt es in der ZEW-Studie. Doch daran gebe es erhebliche Zweifel. (…) Hinzu komme die Grundeinstellung der Kommission, wonach ‘die Mitgliedstaaten keinerlei Eigenverantwortung für ihre ökonomische und soziale Lage’ in der Coronakrise hätten. Die ZEW-Forscher sehen das anders: Staaten, die in guten Zeiten vorgesorgt und schwierige Strukturreformen durchgesetzt hätten, seien für Krisenzeiten besser gerüstet.” – bto: eine Meinung, die ich teile.
  • “Nicht einverstanden ist das ZEW auch damit, dass die Kommission ausgerechnet Länder mit einer hohen strukturellen Arbeitslosigkeit besonders stark finanziell begünstigen will. Regierungen, die Arbeitsmarktreformen unternommen und ihre Erwerbslosigkeit gesenkt hätten, würden damit bestraft.” – bto: So ist es bei der Art von Umverteilung, wie wir sie betreiben.
  • “Sein eigentliches Ziel – eine Stabilisierung der von der Pandemie stark betroffenen Staaten – könne das Wiederaufbauprogramm nur erreichen, wenn die Regierungschefs ‘gravierende Designfehler in den anstehenden Verhandlungen beseitigen’ (…).  Nötig seien zudem ‘verbindlichere Reformauflagen’. (…) Die Südeuropäer wollen das auf keinen Fall hinnehmen.” – bto: Deshalb ist es ein Wahnsinn, was die deutsche Regierung betreibt.

handelsblatt.com: “‘Fehlkonstruiert’ – Ökonomen legen vernichtende Kritik an Corona-Wiederaufbauplan vor”, 14. Juli 2020