Der globale Währungskrieg – QE Total
Jetzt, wo es anlässlich der Abwertung des Yuan überall heißt, China würde in den Währungskrieg einsteigen, lohnt sich ein Blick auf diejenigen, die damit angefangen haben. Ursprünglich. Nämlich die USA. Erst später sind Japan und Europa auch dazu übergegangen. Schon im Dezember 2013 habe ich dies hier mit einem Beitrag gezeigt. Lohnt sich durchaus, nochmals einen Blick darauf zu werfen. Immer noch aktuell.
Heute erneut ein Beitrag von einem Asset-Manager. Interessant finde ich nicht unbedingt seinen Vergleich des jetzigen Bullen-Marktes mit vergangenen Aufschwüngen. Auch seine Anlageideen – die nicht unbedingt falsch sein müssen – qualifizieren nicht für eine Aufnahme auf bto, vielmehr sein Erklärungsversuch für die derzeitige Geldpolitik und seine Analyse der internationalen Zusammenhänge. Ergänzt auf interessante Weise die Diskussion um „Ersparnisüberhänge“ und „säkulare Stagnation“, die uns in den letzten Wochen schon beschäftigt hat.
Die Analyse zusammengefasst:
- Die US-Geldpolitik orientiert sich nicht an den direkten Erfordernissen der USA, sondern beachtet sehr genau die Wirkung auf andere Länder, vor allem auf die exportorientierten Staaten Asiens, allen voran China.
- Dies ist die Reaktion auf die „neo-merkantilistische“ Politik dieser Länder.
- Damit ist eine Politik gemeint, in der ein Staat Exporte fördert, Importe hemmt, den freien Kapitalverkehr/freie Wechselkursbildung verhindert, damit zunehmend Auslandsforderungen aufbaut und im Inland im Gegenzug eine lockere Geldpolitik verfolgt. (Letztlich muss dieser Staat eigene Währung drucken, um über den Ankauf von anderen Währungen, zum Beispiel den US-Dollar, die eigene Währung auf einem zu tiefen Niveau zu halten.)
- Vor dem Ersten Weltkrieg hat Deutschland diese Politik verfolgt und damit relativ zu England und Frankreich eine deutlich größere Steigerung des BIP erzielt. (Hier möchte ich allerdings anmerken, dass dies von einem tieferen Niveau aus kommend geschah und sicherlich noch andere Gründe dahinter standen.)
- Seit den 1980er-Jahren verfolgen die asiatischen Länder diese Strategie. Zuerst Japan, seit 2004 China. Auch hier dieselbe Logik: Entwicklung der eigenen Wirtschaft durch Exporte.
- Es gibt aber einen Nebeneffekt dieser Politik. Die Geldmenge im Inland wächst zu schnell, weiter befeuert von einem Bankensystem, welches das billige Geld zu gesteigerter Kreditvergabe nutzt (und unbegrenzt neues Geld schaffen kann). Folge: Überinvestition, Spekulationsblasen und letztlich ein Platzen der Blase. (Zur Erinnerung: Am Höhepunkt der Spekulationsblase war das Grundstück des kaiserlichen Palastes in Tokio so viel wert wie ganz Kalifornien.)
- In China hat faktisch dasselbe stattgefunden, nur wurde überwiegend investiert und nicht konsumiert. Zuletzt sichtbar in immer schneller steigenden Immobilienpreisen. Das enorme Kreditwachstum in China habe ich schon mehrfach thematisiert. (hier und hier).
- Neo-Merkantilismus funktioniert aber nur, wenn es auch einen Schuldner gibt. Das wurde auf bto wiederholt besprochen, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Kritik an den deutschen Außenhandelsüberschüssen. Im Klartext: Wenn die Asiaten konstant Überschüsse haben, muss jemand anderes Defizite/Schulden machen. Das waren vor allem die USA (in Europa hat dasselbe stattgefunden. Deutschland und ein paar andere Überschuss; Spanien, Portugal, … Defizite).
- Die Währungsmanipulation fördert die Verschuldung in den Defizitländern zusätzlich, weil zum Beispiel die Chinesen im großen Stil US-Staatsanleihen aufgekauft haben, damit die Zinsen drücken (der berühmte „Ersparnisüberhang“) und Konsum und Vermögenspreise antreiben. (In Europa hat die einheitliche Währung genauso gewirkt.)
- Um diese Nachfrage zu befriedigen, erhöht das Exportland die Investitionen in Infrastruktur und Exportkapazitäten (Stahlwerke etc.). Boom und steigende Asset-Preise wohin man blickt.
- Nachdem die Chinesen (und Kritiker würden sagen, auch wir Deutschen) von dieser Politik nicht abzubringen waren, haben die USA angefangen, aggressiv Geld zu drucken – das Quantitative Easing (QE), welches zurzeit bei rund einer Billion Dollar pro Jahr liegt. Ziel: die Schwächung der eigenen Währung. Und zwar indirekt. Um die eigenen Währungen weiterhin relativ schwächer zum Dollar zu halten, mussten die betroffenen Staaten umso mehr an eigener Währung schaffen und damit einen Kredit- und Asset-Preisboom anfachen. Folge: steigende Preise und damit ein Verlust an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA und Europa.
- Und es funktioniert. In der Tat sind die Lohnstückkosten in China und anderen Ländern gestiegen. Es lohnt sich sogar, Teile der Produktion wieder in die USA zurück zu verlagern. Auch die Asset-Preise steigen. Deutlichstes Indiz ist das Wachstum der Kreditvergabe: Die Gesamtverschuldung der Emerging Markets hat sich seit Beginn der Fed-Maßnahmen mehr als verdoppelt und liegt nunmehr mit 66 Billionen bei rund 250 Prozent des BIP (zum Vergleich: Deutschland liegt bei rund 220 Prozent).
- Und weil es so gut funktioniert hat, wollte die Fed im Frühjahr die Geschwindigkeit von QE reduzieren: das sogenannte „Tapering“. Doch es kam nicht dazu, weil zwischenzeitlich Japan eine noch aggressivere Politik der Abwertung der eigenen Währung begonnen hat. Vereinfacht gesagt: Die USA (und auch Europa) wurden wettbewerbsfähiger gegenüber China und verloren gleichzeitig an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Japan. Die Fed konnte also nicht ans „Tapering“ denken. Im Gegenteil wird es eher noch mehr QE geben in diesem globalen Wettlauf der Währungsabwertung.
- Das Spiel wird weitergehen: Sobald eine Region dank schwacher Währung etwas bessere Wirtschaftsdaten hat, werden andere Regionen wiederum alles daran setzen, die eigene Währung zu schwächen.
- Das sind vordergründig gute Nachrichten für die Aktienmärkte. Wie lange das gut gehen kann, habe ich ausführlich diskutiert.
- Die Situation erinnert fatal an die Abwertungswettläufe in den 1930er-Jahren. Man könnte meinen, die Politik hätte daraus gelernt. Scheinbar nicht.
Für Europa ist dieses Spiel übrigens nicht so gut. Angesichts der besonderen Situation in der Eurozone wird die EZB immer nur verspätet und mit angezogener Handbremse in dem Spiel mitmachen. Folge 1: ein zu starker Euro, mit dem Deutschland gut leben kann, die anderen aber nicht. Folge 2: Die Eurokrise wird wieder aufflammen und die dann einsetzende Panik den Euro schwächen. Es wird ein spannendes 2014.
→ Hugh Hendry: Neo-Mercantilism and Monetary Policy, 6. Dezember 2013