Portugal und Griechenland wollen dasselbe wie Spanien und Italien
Die FT berichtet von den neu aufkeimenden Problemen in Portugal, gemessen an den wieder ansteigenden Zinsen für portugiesische Anleihen. Zuvor waren die Zinsen deutlich gesunken – der EZB sei Dank! – und in den letzten zwölf Monaten wieder gestiegen:
Quelle: Financial Times
Als Gründe für diesen Zinsanstieg werden angeführt:
- Da ist zunächst die neue Linksregierung, die vom Sparkurs abweicht.
- Hinzu kommt die schwache Konjunktur, die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Wirtschaft in Europa und der Welt.
- Schlimmer wirkte die Gläubigerbeteiligung im Zusammenhang mit der Pleite der Banco Espirito Santo. Dabei erfolgte die Beteiligung der privaten Gläubiger unsystematisch bzw. willkürlich. Klagen sind anhängig und es hat nicht zum Vertrauen in die portugiesische Politik und zur Notenbank beigetragen.
- Die portugiesischen Banken – bisher große Käufer von portugiesischen Staatsanleihen – haben selbst erhebliche Probleme. Schwache Ertragskraft und schlechte Forderungen machen sich bemerkbar.
Dann kommt die FT auf den Punkt: „The crisis may be over, but its legacy, as Novo Banco illustrated, is yet to be fully resolved.“
bto: Okay. In der Tat hat die Politik der neuen Regierung mit Blick auf den Staatshaushalt und die Behandlung von Gläubigern nicht zu einer Entspannung beigetragen. Doch in Wirklichkeit ist es etwas ganz anderes, wie ich schon im Februar 2015 geschrieben habe in: Das Märchen von der Sanierung Portugals.
„Bei einem Leistungsbilanzüberschuss von 0,9 Prozent vom BIP (Wert 2013) würde es 128 Jahre dauern, um die Nettoauslandsverschuldung auf null zu bringen. Das Land steht vor enormen strukturellen Herausforderungen: Es hat die tiefste Geburtenrate der Eurozone, die Jugend wandert aus, die Bevölkerung hat das geringste Qualifikationsniveau in der EU und die Produktivität ist gering. Mit jährlich 9 Patenten pro 1 Million Einwohner liegt Portugal zwar vor Griechenland mit 4, aber deutlich hinter Italien mit 70 und Deutschland mit 277. Portugal wird niemals in der Lage sein, die Schuldenlast aus eigener Kraft zu bewältigen. Die Tatsache, dass das Land sich nun am Kapitalmarkt finanzieren kann, ist nicht der Tatsache geschuldet, dass das Land fundamental gesund ist, sondern nur der Großzügigkeit der EZB. Doch wohin wird das führen? Noch ist der griechische Finanzminister Varoufakis recht alleine, wenn er vorschlägt, die EZB solle im großen Stil die Staaten finanzieren und die Anleihen der Krisenländer kaufen und in ewige, zinsfreie Anleihen umwandeln. Je weiter die Schulden jedoch steigen – und dies ist einfache Mathematik – desto deutlicher wird die offensichtliche Tatsache der Überschuldung und damit der Druck, das Problem über die Bilanz der EZB zu lösen. In den Medien ist mit Blick auf Griechenland immer zu hören, dass der ‚Staatsbankrott mit den neuen Hilfsvereinbarungen abgewendet sei‘. Das ist natürlich Quatsch. Denn nicht der Bankrott wurde abgewendet, sondern die offizielle Anerkennung des Bankrotts. Wenn Griechenland irgendwann das Geld ausgeht, ist das keine vorübergehende Illiquidität, sondern nur noch die Offenbarung des ohnehin Gegebenen. Gleiches gilt für Portugal.“
Was im letzten Jahr für einige noch wie Schwarzmalerei aussah, bestätigt sich heute. Beim Besuch in Athen hat der portugiesische Ministerpräsident sogleich den Schulterschluss mit Tsipras gesucht. Der Telegraph berichtet:
- „Europe must move away from ‚self-defeating‘ austerity and embrace ‚progressive‘ reform, the prime ministers of Greece and Portugal have declared.“
- „Europe is at ‚a critical crossroads‘ and needs to decide whether to embrace ‚closer political, fiscal and social integration‘ or pursue fragmentation and ‚narrow national interest‘ “ – bto: klar, die Deutschen wieder mit ihrer Engstirnigkeit, dass sie keine Schulden übernehmen wollen von den anderen.
„Europe has to change course. Instead of merely adjusting to self-defeating competitiveness and austerity measures, our two countries take the decision to closely co-operate at all levels, bilateral and European, to put forward a progressive programme of democratic Eurozone Governance, economic revival, employment creation, centered on quality jobs, and socially just and environmentally responsible growth in Europe and in our countries.“
Und es bleibt nicht bei Griechenland und Portugal. Spanien und Italien leiden ebenfalls unter untragbaren Schulden und bekommen die Schuldendynamik nicht in den Griff. Frankreich wollte ohnehin nie sparen und strebt eine Schuldensozialisierung an. Olivier Blanchard, der ehemalige Chefökonom des IWF, äußert sich klar zu den Risiken in einem Gespräch mit dem Telegraph: Kommt es zur Wahl von „populistischen“ Regierungen, ist eine Schuldenkrise nicht fern. Die EZB dürfte dann nicht helfen (bto: Ich wette, man wird es dennoch versuchen!) und Blanchard befürchtet: „Some of them have very high debt and presumably would have to default.“ Er nennt zwar keine Namen, doch ist klar, dass er genau diese Krisenländer meint.
bto: alles wie erwartet. Die Koalition gegen Deutschland wird immer deutlicher. Und wir sind selber daran schuld mit der völlig verfehlten Euro-Politik der Regierung seit 2009.
→ FT (Anmeldung erforderlich): „Portugal debt faces test as memories of crisis stir“, 7. April 2016
→ The Telegraph: „Olivier Blanchard eyes ugly ‚end game‘ for Japan on debt spiral“, 11. April 2016