DIW vergleicht Äpfel mit Birnen in der politischen Kampagne für höhere Steuern

Er kann es ja nicht lassen. Mit aller Macht muss Herr Professor Fratzscher sich bei der deutschen Regierung beliebt machen und den Politikern die gewünschte Munition liefern für den Wahlkampf 2017. Da war die einer genaueren Betrachtung nicht standhaltende euphorische Rechnung zu den wirtschaftlichen Folgen der Flüchtlingskrise, da ist die – wie inzwischen eingeräumt – ebenfalls massiv fehlerhafte Studie zum Schrumpfen der Mittelschicht mit der daraus abgeleiteten zwangsläufigen Schlussfolgerung, doch endlich die Reichen zu besteuern.

Auch wenn die Studie falsch war, hindert es Herr Fratzscher nicht daran, weiter mit seiner politischen Nachricht durch die Medien zu tingeln. So vermeldete er über Twitter: „Ungleichheit: Deutschland mit einer der niedrigsten Steuerquoten auf Vermögen aller Industrieländer“ und fügte dieses Bild dazu:

Fratzscher Vermögensbesteuerung

Quelle: Marcel Fratzscher

Auf den ersten Blick kann man nur sagen: wie ungerecht!!! Und dann sieht man die Achsenbeschriftung. Diese lautet: „Vermögensbezogene Steuern in Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP)“. Ich habe mal gelernt, dass Zähler und Nenner irgendwie zusammenpassen müssen. Also Einkommenssteuer relativ zum Einkommen. Vermögensbesteuerung relativ zum Vermögen. Niemand würde die Einkommenssteuer in Bezug zum Vermögen setzen. Deshalb darf man die vermögensbezogenen Steuern nur dann mit dem BIP ins Verhältnis setzen, wenn das Vermögen direkt mit dem BIP korreliert.

Das tut es aber nicht, wie wir wissen!

Schauen wir doch mal auf die Vermögen, hier die Daten von Piketty. (Relevant ist heute nur der obere Teil der Abbildung, da ich den Punkt mit dem dahinterliegenden Leverage als Treiber schon mehr als einmal gemacht habe.):

Slide1

Was sehen wir da? Wir sehen, dass in Deutschland das Vermögen mit 412 Prozent des Volkseinkommens (nicht ganz identisch zu BIP in der Definition von Piketty) deutlich hinter Italien, Japan, Frankreich und UK liegt. Deshalb muss das Steueraufkommen in diesen Ländern auch höher sein als bei uns – und ist damit noch kein Zeichen für „Ungerechtigkeit“.

Ja, die USA haben bei geringerem Vermögen einen deutlich höheren Anteil als wir aus vermögensbezogenen Steuern. Deshalb kann man für eine Umstellung plädieren, allerdings haben die USA dafür auch deutlich tiefere Einkommenssteuern.

Nur die Gesamtaussage von Fratzscher ist eben falsch. Ich erinnere an die Vermögensstudie, die ich an dieser Stelle schon vor einigen Wochen besprochen habe: zunächst einmal die Feststellung, dass die reicheren Haushalte in den Krisenländern leben:

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Zwar ist das Nettovermögen der Haushalte dort seit 2009 gesunken, doch befindet es sich immer noch auf einem deutlich höheren Niveau als im „Core“. Ganz unten liegen übrigens Deutschland und Österreich:

Vermögen1-2

Dahinter steckt vor allem die Entwicklung der Immobilienpreise:

Vermögen2

Leser von bto kennen natürlich den Zusammenhang: Die höhere Verschuldung hat die Assetpreise getrieben. Schulden sind eben nicht neutral, sondern beeinflussen die Werte überproportional. Ein Effekt, den Thomas Piketty in seinem Buch völlig übersehen hat.

Wie groß die Blase in Spanien war, sieht man hier. Auch ersichtlich, dass Deutschland, wenn man es beim Jahr 2000 indiziert, sich recht gut entwickelt hat, vor allem seit Krisenbeginn. Nur ändert das nichts am Niveau, siehe oben!

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Aber es sind nicht nur die fehlenden Immobilienassets, es sind alle Vermögenswerte inklusive der Pensionsansprüche, wo wir hinterherhinken:

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Es ist entweder schlechte Arbeit als Wissenschaftler oder bewusste Irreführung der Öffentlichkeit, wenn man mangelnde Vermögensbesteuerung in Deutschland mit Daten illustriert, die ausblenden, dass wir auch deutlich weniger Vermögen haben. Die Ursachen sind bekannt: zwei verlorene Kriege, zwei Währungsreformen, schlechte Geldanlage und eine verfehlte Wirtschaftspolitik, die einen Export-Weltmeister-Fetischismus anhängt.

Natürlich werden wir Vermögen besteuern müssen, um die europäische Schuldenkrise geordnet zu bewältigen. Wir sollten uns in den internationalen Verhandlungen nur besser aufstellen. Bleibt zu hoffen, dass da nicht Herr Fratzscher die deutschen Interessen vertreten soll.

→ ING Think Forward Initiative: HOUSEHOLD WEALTH IN EUROPE, 24. Februar 2016