Der unbeachtete Crash
Es ist in der Tat interessant: Der Zinsanstieg der letzten Monate hat einen erheblichen Crash zur Folge gehabt – und es interessiert keinen. Die Anleihenkurse haben teilweise über 50 Prozent verloren. Es ist keine Schlagzeile wert. Dabei ist es eher verwunderlich, dass es noch nicht auf den gesamten Finanzmarkt übergegriffen hat.
Der Telegraph greift das Thema auf:
- „(…)when issued less than two years ago, the March 2073 Index-Linked Gilt was priced at around £330 per unit of stock; the current price is just £62, or less than a fifth of its value when initially sold.“ – bto: Das ist natürlich ein extremes Beispiel.
- „The effect has been to transform a negative yield of 2.5pc into a positive one of 1.13pc. What possessed the original buyers to pay such an inflated price is anyone’s guess. Even when issued, it was obvious that there was a serious bout of inflation on the way. The answer, I suppose, is that if God had not wanted them sheared, he would not have created sheep. Years of ultra-low interest rates had conditioned investors to think rates would remain low forever. Any inflation would be transitory, they assumed.“ – bto: Man sieht aber auch, wie ein geringer Anstieg einen erheblichen Impact auf den Preis einer Anleihe hat, vor allem wenn diese eine lange Laufzeit hat.
- „In the past week, the bond market sell-off has reignited anew, fed by the idea that though interest rates may now have peaked, central banks are likely to hold them at elevated levels for longer than previously thought. (…) If this had been the equity or housing market, today’s ongoing crash would regularly have been front page news, yet outside the cognoscenti of finance, it’s been barely noticed.“ – bto: Und das ist wirklich erstaunlich!
- „Yet the collapse in values also serves as a powerful reminder that there is no such thing as ‚a risk-free asset‘, an idea that nevertheless continues to underpin government bond markets and is the only reason investors buy into them in the first place.“ – bto: Auch dem ist nur zuzustimmen.
- Und dann die entscheidende Frage: „(…) you’d expect greater carnage after such a correction. The Financial Stability Board’s Klaas Knot recently launched a probe into the potential vulnerabilities, but it may already be too late.And so to the $64 trillion question. Has the bond market rout now largely run its course? The answer depends on the future trajectory of inflation.“ – bto: Wo gibt es den Unfall?
- „Markets continue to bet heavily on the idea of a ‚soft landing‘, or a steady reduction in inflation back to target but without a significant increase in unemployment or reduction in output. Historically, this hardly ever occurs. Almost invariably, central banks overdo the tightening and end up collapsing the economy.“ – bto: … oder des kollabierenden Bondmarktes.
- „Remember the Volcker Rule: the only guarantee of price stability is that interest rates are always higher than the rate of inflation. That’s what normality should look like, not the zero-interest rate environment of the pre-pandemic decade.“ – bto: Die Rechnung für diese Zeit bekommen wir noch präsentiert…
→ telegraph.co.uk: „The giant asset price crash that nobody is talking about“, 4. Oktober 2023
Das interessiert immer weniger. Nachdem wir durch die Kommerzialisierung der Internettechnologien seit mehr als 25 Jahren in die finale Phase des Übergangs von G3 zu G4 eingetreten sind, kam es zuerst zu Irritationen bzw. Turbulenzen im Teilsystem Wirtschaft und dann in den 10er Jahren zunehmend zu solchen im Teilsystem Politik. Bzgl. Letzterem scheint es sich nun langsam Richtung Peak zu entwickeln – wir haben ja schon überall Krisen und Kriege. In den anderen Systemen hat es auch schon angefangen (bspw. Religion, Erziehung usw.). Nat. überlagert sich das; also die Krise in Wirt. und Politik läuft parallel weiter, auch wenn beide unterschiedl. weit fortgeschritten sind. Was jetzt langsam und sicher beginnen wird, sind Irritationen und Turbulenzen im dritten der wichtigsten Systeme, nämlich dem Rechtssystem ..
Seit Jahren habe ich das Gefühl, dass das nicht mehr gut geht, aber irgendwie wurschteln sich die EZB und die Mitgliedsstaaten durch. Die Zinsen müssen mittelfristig runter – allein die Refinanzierungskosten der nächsten Jahre, gepaart mit dem schwachen Wachstum, erlauben es nicht anders. Was allerdings dann wieder mit den Inflationsraten passiert, steht auf einem anderen Stern. Das wird ein politischer Drahtseilakt, denn zu hohe Inflationsraten sind beste Wahlhilfe für die AfD.
Erschütternd ist auch, dass Sparbuch-Scholz, im Gegensatz zu den Österreichern, nicht die Gelegenheit genutzt hat, langfristig zu refinanzieren. Es lebe die Schwarze Null in Zeiten von Inflation…
Na, mal abwarten. Wenn die ZBs erst einmal beginnen, die Zinsen zu senken, geht das vermutlich in altbewährter Manier ziemlich zackig wieder gegen Null. Und dann ist der aktuelle Bond-Crash die Grundlage für den nächsten Bond-Boom.
Aktuell ist der USD jedenfalls wieder ziemlich stark – spricht für reichlich Nachfrage trotz aller anderweitigen BRICS-Bemühungen. Bin gespannt, wie das endet. (Meine Wette ist J. Snider, allerdings wird der auch etwas vorsichtiger…)
„Das ist natürlich ein extremes Beispiel.“
Hier ein weiteres extremes Beispiel einer 100jährigen Anleihe, die mit einem Kupon von 0,85% im Juni 2020 emittiert wurde: https://www.boerse-frankfurt.de/anleihe/at0000a2hlc4-oesterreich-republik-0-85-20-20. Ging seinerzeit weg wie warme Semmeln.
Wer sich noch für den (Bank)Notenumlauf interessiert; discussion continues: https://think-beyondtheobvious.com/stelter-in-den-medien/strafanzeige-gegen-die-bundesbank/#comments
LG Michael Stöcker
@ Michael Stöcker
Danke.
Habe meinen Senf im “Strafanzeige gen die Bundesbank”-Thread wieder als konkretes Beispiel dazu gegeben.
Demzufolge haben die Target-Forderungen für die Normalbevölkerung keinerlei praktische Relevanz, auch nicht bei einem Italexit oder bei einem Anschluss Italiens an das Grüne Reich.
Wenn ich mein Beispiel nicht missinterpretiere …
https://think-beyondtheobvious.com/stelter-in-den-medien/strafanzeige-gegen-die-bundesbank/#comments
Moin,
man muss einfach nur grün woke rechnen, dann gibt es nie ein Problem.
Man addiere das AFD Ergebnis in Bayern und das von Hessen und schon kommt man auf über 30% 😂
Somit ergeben dann 4 Anleihen mit je 30% auch 120%… 😂
https://postimg.cc/0KJJ4F9h
@troodon
Sie können solche grünen Prozentrechnungs-Experten immer ganz einfach beruhigen:
Im Moment will vielleicht ungefähr jeder Sechste oder jeder Fünfte die AfD wählen, aber in ein paar Monaten wird es bestimmt nur noch jeder Vierte sein… ;)
Dazu passend:
https://youtu.be/j8EDbZPS29E?t=618
So macht Mathe Spaß. Wussten Sie schon, dass wir schon ein Drittel Gebäude haben, die mit erneuerbaren Energien arbeiten?
Man muss einfach nur Addieren:
Anteil Gebäude mit PV +
Anteile Gebäude mit Wallbox +
Anteil Gebäude mit Wärmepumpe
Voila – perspektivisch sind so auch über 100% Durchdringung drin :-)
(Finde leider nicht mehr den Zeitungsartikel, wo ich das bei Recherchen gelesen hatte.)
@Thomas M.
Wenn auch noch die Kühlschrank-Industrie das merkwürdige Argument aufgreift, dass jedes Gebäude immer dann schon “mit erneuerbaren Energien arbeitet”, wenn darin irgendwo eine Wärmepumpe verbaut ist, dann kommen wir schon heute auf weit über 200% Erneuerbaren-Anteil…
Nach so einem großartigen Erfolg bei der Energiewende können alle Grünen sofort zufrieden von ihren Ämtern zurücktreten – vielleicht sollte man tatsächlich versuchen, es ihnen einzureden und sie so ganz ohne Hass und Hetze loszuwerden? ;)
@Hr. Ott
:->
Jetzt wo Sie es sagen: Wir haben auch eine Wärmepumpe. Heizen wir damit? Klar, fühlen Sie mal hinter den Kühlschrank ;-)
@Thomas M.
Genau das ist der Spirit! So schaffen wir zusammen die Wärmewende und erfüllen alle Vorgaben aus dem Heizungsgesetz!
“Was die ursprünglichen Käufer dazu bewogen hat, einen derart überhöhten Preis zu zahlen, kann nur vermutet werden. Schon bei der Ausgabe war es offensichtlich, dass eine ernsthafte Inflation im Gange war. Die Antwort lautet wohl: Wenn Gott nicht gewollt hätte, dass sie geschoren werden, hätte er keine Schafe erschaffen.”
deeple-Übersetzung
Ist das vorsätzlicher Betrug, derartiges zu dealen oder sind die Herren Verkäufer gerade noch immun?
“The Lord is my shepherd, I shall not want
He makes me down to lie
Through pastures green He leadeth me the silent waters by.
With bright knives He releaseth my soul.
He maketh me to hang on hooks in high places.
He converteth me to lamb cutlets,
For lo, He hath great power, and great hunger.
When cometh the day we lowly ones,
Through quiet reflection, and great dedication
Master the art of karate,
Lo, we shall rise up,
And then we’ll make the bugger’s eyes water.”
https://www.pink-floyd-lyrics.com/html/sheep-animals-lyrics.html
@ R. Ott
>> “… Aber meistens werden die Käufer keine andere Wahl gehabt haben, weil sie irgendwelche gesetzlichen oder treuhänderischen Verpflichtungen dazu hatten, große Vermögen über lange Zeiträume “mündelsicher” (hahaha) anzulegen…”
Das wird wohl auch der tiefere Grund sein für die Ruhe. Denn in solchen Fällen erfolgte der Kauf mit Eigenkapital mit maturity als Ziel. Es sind gehebelte (fremd finanzierte) Anlagen die in dieser Situation das Gleichgewicht verlieren und eine Kettenreaktion auslösen.
In Ergänzung zum The Telegraph:
Die Anleihebedingungen:
https://www.dmo.gov.uk/media/hfzjyj5g/prosp221122a.pdf
@ Gnomae und Richard Ott
Viel Spaß beim Coupon schneiden am 22. März und September
“…the Gilt is traded (in unstripped form) without the benefit of the interest payment, and expressed as a percentage in pounds sterling to six places of decimals rounded to the nearest figure”
Na dann,
“stripped down to the bones”
https://youtu.be/EDBn_RtnY-E?si=oytxQjvN13NNwcrs
depeche mode 1986 nicht 2073
Der Crash am Anleihemarkt ist doch nur deshalb noch nicht bemerkt worden, weil er in den Büchern nicht ausgewiesen werden muss. Man sagt, wenn die Anleihen bis zum Ablauf gehalten werden, entsteht kein Verlust, deshalb ist eine Ausweisung in der Bilanz nicht notwendig. Stimmt das? Ich kenne mich am Anleihemarkt und den Bilanzvorschriften nicht aus.
@Lothar
“Man sagt, wenn die Anleihen bis zum Ablauf gehalten werden, entsteht kein Verlust”
Nein, nicht zwangsläufig. Wenn Anleihen bis zum Ablauf gehalten werden, wird vom Anleiheschuldner der Nennwert der Anleihe zurückgezahlt, also Kurs “100,00%” beziehungsweise “£100,00” bei Hunderter-Stückelung.
Dabei keinen Verlust zu machen wird aber schwierig, wenn man die Anleihe vorher zu einem Kurs von 330% gekauft hat, hihi:
Treasury 0.125% 22/03/2073 Index-Linked Gilt
https://www.hl.co.uk/shares/shares-search-results/t/treasury-0.125-22032073-index-linked-gil
(auf “3Y” klicken um den Langfrist-Chart zu sehen…)
Das ist genau die Anleihe aus dem Artikel.
“deshalb ist eine Ausweisung in der Bilanz nicht notwendig. Stimmt das? Ich kenne mich am Anleihemarkt und den Bilanzvorschriften nicht aus.”
Früher hätten die Banken spätestens zum Quartalsende zum aktuellen Marktwert bilanzieren müssen (“Mark-to-market accounting”), aber das hat man schon nach der Finanzkrise aufgeweicht, Sie ahnen bestimmt, warum.
@ Richard Ott
“Dabei keinen Verlust zu machen wird aber schwierig, wenn man die Anleihe vorher zu einem Kurs von 330% gekauft hat, hihi:”
Bei Index-linked gilts verhält sich die Sache anders: Sie sind inflationsgeschützt. Wegen der Rückzahlung, siehe auch: https://www.dmo.gov.uk/data/gilt-market/index-linked-gilts/
Der March 2073 Index lässt sich also sicherlich nicht mit einem punktuellen Preis definieren, wenn tatsächlich die Anleihe inflationsgeschützt endfällig gehalten wird. Dann gibt es auch eine inflationsgeschützte Rückzahlung.
Wesentlich kommt es auch auf die Duration innerhalb eines Portfolios an. Anlagetechnisch wird die Anlage in March 2073 wohl auch nur einen kleinen Anteil im Portfolio ausmachen. Daher werden wir auch keinen gigantischen Anleihecrash sehen.
@Gnomae
Sie haben recht, bei diesem Index-Linked Gilt wäre der Rückzahlungskurs ja tatsächlich ungefähr 330% wenn es die nächsten 50 Jahre immer ungefähr 2,5% Inflation pro Jahr gäbe (und die britische Regierung nicht bei den offiziellen Inflationsstatistiken trickst…). Und bis dahin kann man sich über 0,125% Realverzinsung pro Jahr als Couponzahlungen “freuen” – aber für jemanden, dem reale Rendite egal ist und der einfach nur viel Geld lange und nach konventionellen Standards “sicher” anlegen will und hier auch noch pro forma das Inflationsrisiko ausschließen kann, ist das vielleicht gar nicht so schlecht. Ich kann mir schon vorstellen, wieso Stiftungen oder Pensionsfonds sowas kaufen.
“Wesentlich kommt es auch auf die Duration innerhalb eines Portfolios an. Anlagetechnisch wird die Anlage in March 2073 wohl auch nur einen kleinen Anteil im Portfolio ausmachen. Daher werden wir auch keinen gigantischen Anleihecrash sehen.”
50 Jahre Laufzeit ist schon sehr ungewöhnlich, aber auch bei einer vergleichsweise gängigen Laufzeit wie 10 Jahre gab es für Staatsanleihen-Verhältnisse deutliche Kursverluste, hier ein typisches Beispiel aus UK:
Treasury 0.125% 31/01/2028 (TN28) (nicht infationsindexiert)
https://www.hl.co.uk/shares/shares-search-results/t/treasury-0.125-31012028
Es stimmt natürlich, dass “Die Kurse der Anleihen crashen” keine beliebte Schlagzeile ist – aber eine inhaltsgleiche Abwandlung davon liest man deutlich häufiger: “Die Anleihezinsen steigen deutlich”.
(Ob Robert Habeck wohl erklären kann, wieso diese Aussagen tatsächlich inhaltsgleich sind?)
“The effect has been to transform a negative yield of 2.5pc into a positive one of 1.13pc.”
Tja, viele schwachsinnige Regierungsprojekte und moderne realitatsfremde Staatsideologien funktionieren leider nur genau dann, wenn der Staat negative Zinsen zahlt. Wenn die Zinsen steigen ist das, wie wenn am Strand die Flut zurückgeht und man dann sieht, wer ohne Badehose schwimmt. Bei unserer Regierungsmann- und Frauschaft (gern auch divers) wird das sicher kein schöner Anblick…
“What possessed the original buyers to pay such an inflated price is anyone’s guess. Even when issued, it was obvious that there was a serious bout of inflation on the way.”
Das ist schon sinnvoll, wenn man ernsthaft Deflation oder zukünftig eine noch negativere Negativzinspolitik der Zentralbanken erwartet hätte. Aber meistens werden die Käufer keine andere Wahl gehabt haben, weil sie irgendwelche gesetzlichen oder treuhänderischen Verpflichtungen dazu hatten, große Vermögen über lange Zeiträume “mündelsicher” (hahaha) anzulegen…