Nicht nur Donald Trump braucht niedrige Zinsen
In seiner virtuellen Rede in Davos forderte US-Präsident Donald Trump die Opec auf, den Ölpreis zu senken und verlangte von der US-Notenbank Fed „sofortige Zinssenkungen“. Der Hintergrund ist klar: Zehn Dollar weniger beim Ölpreis senkt die US-Inflationsrate um 0,2 Prozent, jeder Prozentpunkt Zinssenkung spart dem Staat 2025 über 250 Milliarden Dollar an Zinslast.
Trumps Forderungen folgen simpler Mathematik: Nur wenn der Zins (r) unter die Wachstumsrate (g) gedrückt wird, können die Schulden des US-Staates unter Kontrolle gebracht werden.
Zurzeit ist das nicht der Fall: Der zehnjährige Treasury Yield (r) liegt bei 4,5 Prozent, während das nominale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) (g) nur 4,1 Prozent beträgt. Das Defizit für 2025 wird auf 1,9 Billionen Dollar oder 6,3 Prozent des BIP prognostiziert. Die Folge: Die Schuldenquote steigt immer weiter an. Und mit der Schuldenquote steigt auch der Zins.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass immer mehr Experten warnen. Ray Dalio, der Gründer des Hedgefonds Bridgewater, äußerte seine „tiefe Sorge“, dass Amerika „pleitegehen“ werde, und warnte, dass der mittlerweile Jahrzehnte währende Schuldenzyklus schon bald implodieren könnte.
Seine Notfallformel umfasst drastische Maßnahmen: Entweder die Zinsen auf ein Prozent senken, das Inflationsziel auf 4,5 Prozent anheben, die Steuereinnahmen um elf Prozent erhöhen, staatliche Ausgaben um 47 Prozent kürzen oder eine Kombination dieser Maßnahmen. Sehr wahrscheinlich ist es nicht, dass es mit Ausgabenkürzungen gelingt, die US-Schulden signifikant zu senken – trotz Schaffung des Department of Government Efficiency (DOGE) unter der Leitung von Elon Musk.
Die USA befinden sich keineswegs allein in dieser Situation. Das Gleiche gilt für Großbritannien und fast alle Staaten der Euro-Zone. Besonders problematisch ist die Lage in Frankreich, wo es eine breite politische Mehrheit von links und rechts gegen jeden Versuch einer Reduktion des Staatsdefizits gibt.
Für die Euro-Zone bedeutet dies eine besondere Herausforderung. Die EZB muss einen Spagat zwischen hochverschuldeten Südstaaten und stabilitätsorientierten Nordländern vollführen. Eine Rückkehr zur Austerität würde das fragile Wachstum abwürgen, während weitere geldpolitische Lockerungen die Inflationsbekämpfung untergraben. Vor die Wahl gestellt, dürfte die EZB alles tun, um zumindest die Illusion der Solvenz der Staatsfinanzen aufrechtzuerhalten.
Im Kern fordert Trump ein Zinskartell der westlichen Notenbanken. Gepaart mit staatlichen Reformen könnte das sogar funktionieren. Die Zentralbanken müssten die Zinsstrukturkurven so steuern, dass der langfristige Zins dauerhaft unter dem nominalen Wachstum liegt, während die Regierungen gezielte Wachstumsimpulse setzen. Dazu sind strukturelle Reformen unumgänglich, um die Produktivität zu steigern und damit g nachhaltig über r zu heben.
So sehr man die Wirtschaftspolitik Donald Trumps – vor allem die Zölle – kritisieren mag, so nüchtern muss man anerkennen, dass er mit Blick auf die Staatsschulden zumindest versucht, den relativ schmerzfreiesten Weg für Bürger und Sparer zu gehen. Für Sparer ist es zwar kein erfreuliches Szenario, dauerhaft nur Zinsen unterhalb der nominalen Wachstumsrate zu bekommen. Es ist aber allemal besser als die Alternativen: Inflation, Vermögensabgaben oder Staatsbankrotte.
Wir sollten hoffen, dass Trumps Strategie, durch Wachstumsstimuli und Zinsdumping Zeit zu kaufen, aufgeht. Denn sollten die Märkte das Vertrauen in die Schuldentragfähigkeit verlieren, kommt die Anpassung abrupt – und schmerzhaft. Das könnte bereits in der nächsten Rezession der Fall sein.