EU-Schulden sind eine ge­fährliche Um­gehung der Schulden­bremse

Unternehmen investieren, wenn die erwarteten Erträge die Kosten der Investition übersteigen. Dann ist es für sie auch kein Problem, diese Investitionen mit Krediten zu finanzieren, werden doch Zins und Tilgung von den zusätzlichen Einnahmen erwirtschaftet.

In der aktuellen Diskussion über die Schuldenbremse ist viel von den dringend benötigten staatlichen Mitteln für „Zukunftsinvestitionen“ die Rede. Befürworter einer höheren Staatsverschuldung argumentieren, die damit finanzierten Investitionen würden künftige Einnahmen generieren und sich damit wie bei Unternehmen selbst finanzieren.

Wäre dem so, müsste die Wirtschaft Frankreichs dank der deutlich höheren Staatsverschuldung die hiesige schon längst überholt haben. In der Realität sieht es jedoch anders aus.

Die bittere Wahrheit ist, dass Staatsschulden keineswegs den versprochenen und erhofften Effekt haben. Die Gründe dafür sind offensichtlich: Im Gegensatz zum politischen Versprechen fließt das zusätzliche Geld überwiegend in Sozialleistungen und nicht in Investitionen.

Hinzu kommt, dass auch das, was als „Investition“ beschrieben wird, bei genauerem Hinsehen nur Konsum ist, der keinen Beitrag dazu leistet, das Produktionspotenzial der Volkswirtschaft zu heben – und nur das würde dem Charakter einer Investition entsprechen.

Das beste Beispiel dafür sind die vielstimmig geforderten Schulden zur Finanzierung der klimapolitischen Transformation. Wenn man vorhandene Kraftwerke durch andere Kraftwerke ersetzt oder die Stahlproduktion umstellt, mag man gewisse Produktivitätsfortschritte erzielen, eine merkbare Erhöhung des Produktionspotenzials der Volkswirtschaft ergibt sich nicht.

Die Tücken der Transformation

Erst recht nicht, wenn man im Zuge des Umbaus vorhandene Anlagen vor dem Ende der wirtschaftlichen Nutzungsdauer stilllegt. Auch deshalb muss eine schuldenfinanzierte Transformation zu steigenden Schuldenquoten führen.

Die Alternative wäre, das Transformationsvorhaben aus Steuermitteln zu finanzieren. Angesichts der Dimensionen – über eine Billion Euro in Deutschland, über zehn Billionen in der EU – scheut die Politik davor zurück. Denn es bestünde die Gefahr, dass die Bürger die Sinnhaftigkeit des Vorgehens und vor allem die gesetzten politischen Prioritäten hinterfragen würden. Da hält man es für besser, auf die kurzfristig schmerzfreien Schulden zu setzen.

In Deutschland versperrt zum Ärger nicht weniger Politiker die Schuldenbremse diesen vermeintlich einfachen Ausweg. Die Gefahr ist deshalb groß, dass unsere Politiker in eine andere Falle tappen, mit noch schlimmeren finanziellen Konsequenzen, nämlich den Umweg über EU-Schulden.

Diese müssten zwar eigentlich mit dem Anteil Deutschlands am EU-Haushalt der deutschen Staatsschuld zugerechnet werden. Doch das geschieht nicht. Groß ist also die Verlockung, zu Hause den Sparfuchs zu geben und in Wirklichkeit Schulden anzuhäufen.

Schulden, für die Deutschland bezahlt

Bereits in ihren Wahlprogrammen haben sich Grüne und SPD für mehr europäische Schulden ausgesprochen. Es stört sie nicht, dass der Preis für diese Verschuldung durch die Hintertür ein Transfer zugunsten der höher verschuldeten EU-Staaten ist.

Italien ist mit 191,5 Milliarden Euro der mit Abstand größte Empfänger der auch von Deutschland garantierten Mittel des sogenannten Wiederaufbaufonds der EU. Frankreich setzt seit Jahren alles daran, die eigene außer Kontrolle geratene Staatsverschuldung europäisch zu sozialisieren.

Die Bürger Deutschlands können nur darauf hoffen, dass die Politik rechtzeitig erkennt, dass der Preis, diesen Weg zu beschreiten, nicht nur zu hoch, sondern untragbar ist.

→ handelsblatt.com: „EU-Schulden sind eine gefährliche Umgehung der Schuldenbremse“, 12. Mai 2024