Die Zukunft für deutsche Bürger und Unternehmen liegt im Ausland
Düsseldorf. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat es vor Kurzem erneut bestätigt: Deutschland wird auf Jahre hinaus eine Volkswirtschaft mit geringem Wachstum bleiben. Die Ursachen sind bekannt: Alterung der Gesellschaft, unzureichende Produktivitätszuwächse, überalterte Infrastruktur, hohe Energiepreise, überbordende Bürokratie.
Kein Wunder, dass das Kieler Institut für Weltwirtschaft schon 2018 vorrechnete, dass es für Unternehmen attraktiver ist, im Ausland zu investieren, weil dort höhere Renditen zu erwarten sind. Die Verschlechterung der Standortbedingungen hierzulande in den vergangenen Jahren dürfte den Renditevorsprung von Auslandsinvestitionen noch erhöht haben.
Doch nicht nur Unternehmen sehen die Zukunft zunehmend im Ausland. In den vergangenen zehn Jahren haben netto 635.000 Deutsche das Land verlassen. Alle Daten sprechen dafür, dass es sich um überdurchschnittlich junge und gebildete Menschen handelt.
Befragungen ergeben ein ernüchterndes Bild: Nicht nur sind die Auswanderer laut einer Analyse des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung höher qualifiziert, sie sind auch noch deutlich gesünder (um 24 Prozent) und glücklicher (um acht Prozent) als jene, die hierbleiben.
Zahlenmäßig überkompensiert wurde die Auswanderung durch Zuwanderung aus dem Ausland. Doch ein großer Teil der qualifizierten Zuwanderer will nicht dauerhaft im Land bleiben. Umfragen zeigen, dass immerhin 24 Prozent der Studenten mit Migrationshintergrund bessere Karrierechancen im Ausland sehen. Die Gründe liegen auf der Hand: höhere Einkommen, eine geringere Steuer- und Abgabenbelastung und zunehmend auch ein freieres Umfeld für Forschung und Unternehmensgründung.
Wirtschaftswachstum und Fortschritt finden in anderen Regionen der Welt statt
Appelle von Wirtschaftsminister Robert Habeck an den „Standortpatriotismus“ der Unternehmen müssen angesichts dieser Fakten ins Leere laufen. Die Voraussetzungen, die es Deutschland erlaubt haben, zu einer weltweit führenden Industrienation zu werden, sind nicht mehr gegeben.
Die politisch erwünschte und betriebene Transformation tut sich mit dem Abbau der alten Zukunftsindustrien wie Verbrennungsmotor, chemische Industrie und Atomkraftwerke deutlich leichter als mit dem Aufbau der neuen Zukunftsindustrien. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass die Politik sich hierbei als Gestalter begreift, statt als Garant guter Rahmenbedingungen.
Doch selbst wenn es besser kommen sollte als hier prognostiziert: Wirtschaftswachstum und Fortschritt finden im 21. Jahrhundert in anderen Regionen der Welt statt. Deutschland und Europa werden, allein bedingt durch die demografische Entwicklung, an Bedeutung und Einfluss verlieren.
Deshalb ist es nur rational zu versuchen, an der besseren Entwicklung anderswo zu partizipieren. Durch Auswandern, durch Investitionen im Ausland oder durch die Anlage der Ersparnisse im Ausland, wo höhere Renditen winken.
Wollte die Politik daran etwas ändern, dürfte sie sich nicht auf Appelle zum Standortpatriotismus beschränken. Es bedarf eines umfassenden Fitnessprogramms, um das Bleiben und Investieren in Deutschland attraktiver zu machen.
Leider sind davon kaum Ansätze zu sehen. Eher ist damit zu rechnen, dass man auf eine weitere Verschärfung der Wegzugsteuer für Unternehmen und private Halter von Unternehmensanteilen setzt, um die Abwanderung zu erschweren. Erfolgversprechend wäre das nicht. Vielmehr steigert diese Denkweise den Anreiz zu gehen, solange es noch möglich ist.
→ handelsblatt.com: „Die Zukunft für deutsche Bürger und Unternehmen liegt im Ausland“, 06. Mai 2024