Die Lücke ist zu groß
Es gibt zahlreiche Studien, deren Aussagen die technische Machbarkeit der Energiewende betonen, die Kosten dabei jedoch ausblenden. Studien, die sich die Mühe machen, die Kosten der Energiewende zu quantifizieren, so wie die Berechnungen der Unternehmensberatung McKinsey, lassen nur einen Schluss zu: So, wie wir die Energiewende betreiben, werden wir sie uns nicht leisten können.
Auch bei der Energiewende gilt die altbekannte 80/20-Regel. 80 Prozent des gewünschten Ergebnisses – hier die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen – erreicht man mit 20 Prozent des Aufwands. Die letzten 20 Prozent sind signifikant teurer und stehen für 80 Prozent des Aufwands.
So rechnet eine aktuelle Studie der auf Energiewirtschaft spezialisierten Berliner Beratungsfirma e.venture zur „Zukunft des deutschen Strommarktes“ vor, dass trotz größter Investitionen im Jahr 2040 nach Einspeisung von Strom aus Sonne und Wind noch ein Defizit von rund einem Viertel des jährlichen Strombedarfs vorliegen wird, einfach weil der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint.
Wollte man dieses Defizit weiter schließen, zum Beispiel durch eine weitere Erhöhung der erneuerbaren Erzeugungskapazität um 50 Prozent, so brächte dies wenig. Zwar würden die Defizitstunden um rund ein Drittel sinken, nicht aber die Spitzendefizitlast. Übersetzt bedeutet das: Wir bräuchten die gleiche Anzahl Back-up-Kraftwerke, würden diese aber noch weniger auslasten, was zu entsprechend höheren Kosten pro Betriebsstunde führt.
Nun ist es keine neue Erkenntnis, dass ein auf erneuerbaren Energien basierendes Stromangebot zwingend ein Back-up braucht, um auch in den Zeiten, in denen es an Wind und Sonne mangelt, ausreichend Strom erzeugen zu können. Wobei jene, die die Kosten der Energiewende möglichst klein darstellen wollen, die Dauer der sogenannten Dunkelflaute und damit den Bedarf an Back-up-Kapazitäten gern kleinreden. Auch das wäre nicht weiter schlimm, wenn nicht die tatsächliche Strategie der Energiewende auf diesen überoptimistischen Annahmen basieren würde.
Es braucht deutlich mehr Back-up-Kraftwerke als derzeit geplant
Doch dem ist so. Das Bundeswirtschaftsministerium beziffert die Kapazität an neuen Gaskraftwerken als Back-up für die Dunkelflaute auf 24 Gigawatt bis 2030. Das entspricht 50 Kraftwerken, von denen noch kein einziges einen Investor gefunden hat, geschweige denn im Bau ist. Was auch daran liegt, dass noch unklar ist, woher die 60 Milliarden kommen sollen, um diese Investition zu finanzieren.
In Wirklichkeit ist der Bedarf an Back-up-Gaswerken deutlich höher. Bis 2040 werden nach den Berechnungen von e.venture 68 Gigawatt zusätzliche Kapazitäten benötigt, was – unter der Annahme, dass die Kostenschätzung des Wirtschaftsministeriums nicht ähnlich danebenliegt wie die zur Kapazität – 170 Milliarden Euro entspricht.
Hinzu kommen noch zwölf bis 15 GW Kraftwerkskapazität, um die Netzstabilität aufrechtzuerhalten. Rund gerechnet sind das weitere 35 Milliarden Euro an Investitionsbedarf. Angesichts dieser enormen Kosten ist es kein Wunder, dass die Analysten davon ausgehen, dass wir mit dauerhaft hohen Strompreisen rechnen müssen, sollten wir diesen Weg weiter beschreiten.
Wir werden nicht umhinkommen, nach 20 Jahren ausschließlicher Fokussierung auf Kapazitätsziele für Erneuerbare endlich auch die ökonomischen Grundsätze von Effizienz und Effektivität in die Überlegungen mit einzubeziehen. Atomkraftwerke oder fossile Kraftwerke mit CO2-Abscheidung im Süden des Landes statt Milliarden für den teuren Netzausbau, um Strom vom Norden in den Süden zu bekommen, wären Lösungen. Das Beispiel Schweden etwa zeigt, wie diese Kraftwerke dauerhaft mit Erneuerbaren auf wirtschaftlich optimalem Niveau kombiniert werden können.
Eine optimale statt der maximalen Wende ist das Ziel rationaler Energie- und Klimapolitik. Deshalb ist es gut, dass die Kostenfrage auf den Tisch kommt.
→ handelsblatt.com: „Die Energiewende ist zu teuer“, 28. Januar 2024