Die EU sollte im Streit mit Trump um die US-Zölle mit einem Ein­geständ­nis be­ginnen

Europa sei vorbereitet auf den Handelskrieg des US-Präsidenten Donald Trump, so kann man es in diesen Tagen überall hören und lesen. Der Aufruhr ist verbunden mit der berechtigten Sorge, dass diese Zolleskalation niemandem nützen, sondern weltweit viel Wohlstand kosten wird, allen voran die Bürger in den USA.

Bei all der Aufregung tritt in den Hintergrund, dass die Unzufriedenheit über jahrzehntelange Ungleichgewichte im Handel eine gewisse Berechtigung hat. China, Deutschland und Japan betreiben durchaus eine merkantilistische Politik, die auf Handelsüberschüsse setzt, um fehlende Inlandsnachfrage zu kompensieren. Es sind vor allem die USA, die diese Exporte aufnehmen und entsprechende Defizite aufweisen.

Hier einen bestimmten Ausgleich zu erzielen, ist nicht nur im Interesse der USA. Denn wer mehr Waren und Dienstleistungen exportiert als importiert, exportiert auch einen Teil seiner Ersparnisse ins Ausland. Die Tatsache, dass sich die Nettoinvestmentposition der USA nicht in dem Maße verschlechtert, wie es die kumulierten Defizite erwarten ließen, unterstreicht das Privileg der Weltwährung: Man entwertet die Forderungen des Auslands über Zeit.

Die Ungleichgewichte widerspiegeln damit die unterschiedliche wirtschaftliche Dynamik. Hohe Investitionen, hoher Konsum und damit hohes Wachstum in den USA, zu geringe Investitionen und zu wenig Konsum in Europa. Ablesbar ist das an der Entwicklung des BIP pro Kopf, bei dem die Europäische Union relativ zu den USA immer mehr zurückfällt.

Die EU sollte deshalb den Angriff Donald Trumps auf die bestehende Welthandelsordnung als Chance begreifen und statt sich nur auf Vergeltungsmaßnahmen zu fokussieren, offensiv einen Vorschlag machen, wie es künftig besser und gemeinsam funktionieren kann.

Europa verhinderte Freihandelsabkommen

Das müsste mit dem Eingeständnis beginnen, dass die EU in der Vergangenheit den Handel tatsächlich mehr behindert hat als die USA. So lag das Niveau der Zölle in der EU bis zum Amtsantritt Donald Trumps über dem Niveau der USA. Auch Freihandelsabkommen scheiterten regelmäßig an Europa.

So kippte in den 1990er-Jahren das Multilaterale Investitionsabkommen zwischen den OECD-Staaten am Veto Frankreichs und das Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zwischen den USA und der EU unter anderem aufgrund des Widerstands gegen den Import von „Chlorhühnchen“. Noch 2022 lehnten die Grünen in Deutschland eine Wiederaufnahme von Verhandlungen mit den USA ab und sprachen sich zugleich gegen das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada aus.

Es spricht viel dafür, dass wir heute in einer besseren Lage wären, wenn es zum Abschluss von TTIP gekommen wäre. So blieben Kanada und Mexiko, die mit den USA ein Freihandelsabkommen (NAFTA) haben, von den Zöllen verschont. Hinzu kommt, dass Freihandel immer auch mehr Wettbewerb bedeutet. Diesen wollen wichtige Interessengruppen – in der EU vor allem die Landwirtschaft – aus Eigeninteresse nicht.

Die Wahrheit ist aber, dass durch den Wegfall von Zöllen und anderen Hemmnissen auch das Wachstumspotenzial in der EU höher wäre. Eine Annäherung an die USA wirkt dann nämlich wie ein Revitalisierungsprogramm: weniger Regulierung, geringere Besteuerung, mehr wirtschaftliche Dynamik. Viele der Hürden, die die Regierung um Donald Trump bemängelt, sind nämlich auch für hiesige Unternehmen ein Hemmnis.

Die EU sollte in der aktuellen Situation den Handelskonflikt als Chance begreifen, mit den USA – nicht gegen sie – einen Weg für mehr Gemeinsamkeiten zu öffnen. Eine Möglichkeit wäre, die Regelungen von TTIP einseitig zugunsten der USA zu implementieren. Nach dem Motto: Seht her, wir haben eure Sorgen verstanden.

Es ist Zeit, die Debatte vom Chlorhühnchen-Niveau auf die Beantwortung der grundlegenden Frage der Sicherung und Schaffung von Wohlstand zu heben. Die EU hat einen solchen Realitätscheck dringend nötig.