Die Deutsche Bahn leidet an unrealistischen und romantisierenden Vorgaben

Entgegen der Behauptung vieler Politiker lag es nicht an der Schuldenbremse, dass die öffentliche Infrastruktur in Deutschland so heruntergewirtschaftet ist. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet vor, dass die Investitionen des Staates von 1970 bereits bis zum Jahr 2000 von sechs auf zwei Prozent vom BIP gefallen sind. Seit Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2009 sind die Investitionen dann sogar leicht auf rund 2,5 Prozent gestiegen.

Dass es nicht am mangelnden Geld lag, sondern am fehlenden Willen der Politik, dass die Infrastrukturinvestitionen unterblieben, liegt auf der Hand, bedenkt man die Rekordeinnahmen des Staates in den zehn Jahren bis zur Coronakrise. Dennoch ist die Hoffnung groß, dass das nun geschaffene „Sondervermögen“ von 500 Milliarden Euro und die faktische Aufhebung der Schuldenbremse endlich die erhoffte Kehrtwende bringen.

Zweifel sind aber mehr als angebracht. Schon in der Vergangenheit wurden vielfach vorgesehene Investitionsmittel nicht abgerufen, weil die Verwaltung nicht in der Lage war, Projekte voranzubringen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigte schon vor Jahren, in einer Studie von 2017, die Ursachen auf: Mangel an geeignetem Personal, komplizierte Bauvorschriften (die Planungskosten machen heute rund 20 Prozent der Projektkosten aus, 1971 waren es noch 3 Prozent) und die erweiterten Einspruchsrechte der Bürger.

An der Bahn zeigt sich, was schiefläuft im Land

Besonders eindrücklich unterstreicht die Deutsche Bahn (DB), was schiefläuft im Land. Obwohl 1994 vom Bund komplett entschuldet, befindet sich das Unternehmen in einer finanziellen Schieflage.

Der Bundesrechnungshof hat errechnet, dass das Unternehmen trotz laufender und steigender Zuschüsse des Bundes die Verschuldung seit 2016 täglich um 5 Millionen Euro erhöht hat und spricht wörtlich von einem „Fass ohne Boden“. Zudem wisse niemand angesichts eines „Förderdschungels auf Bundesebene“, wie viel Geld in den ÖPNV und dabei vor allem an die Bahn fließt. Wohl mindestens elf Milliarden Euro jährlich an Bundesmitteln dürften es laut Bundesrechnungshof sein.

In das besagte „Fass ohne Boden“ will die sich abzeichnende neue schwarz-rote Koalition einen guten Teil des Sondervermögens kippen. Der Aufsichtsrat der Bahn soll dem Vernehmen nach schon mal 80 Milliarden gefordert haben. Die Chancen, dass diese Milliarden etwas am desolaten Zustand der Bahn ändern, sind jedoch gering. Abgesehen davon, dass kein wesentliches Infrastrukturprojekt der DB in den letzten Jahren auch nur annähernd im Kostenrahmen geblieben ist – Stuttgart 21 liegt mit zuletzt 11,5 Milliarden bei mehr als dem Viereinhalbfachen des ursprünglichen Budgets –, leidet die Bahn an unrealistischen und ideologischen, um nicht zu sagen romantisierenden Vorgaben.

Obwohl mittlerweile auch der europäische Rechnungshof anerkennt, dass Investitionen in die Schiene keineswegs den erhofften Beitrag zum Klimaschutz leisten, setzt die deutsche Politik auf ein Maximum an Schiene, sowohl was die regionale Abdeckung wie auch die Subventionierung der Nutzung – Deutschlandticket – betrifft. Dieses Vorgehen verkennt, dass gerade der Bau von Infrastruktur mit dem Ausstoß von erheblichen Treibhausgasen verbunden ist, sodass sich ein positiver Klimaeffekt, wenn überhaupt, erst nach Jahrzehnten der Nutzung einstellt.

So unpopulär es klingt: Die Bahn muss verkleinert werden, sowohl was die Abdeckung in der Fläche als auch das Angebot an Zügen betrifft. Nur so kann es gelingen, das System Bahn zu stabilisieren und durch Erhöhung der Zuverlässigkeit mittelfristig die Attraktivität als Mobilitätsangebot zu erhöhen. Auch hier gilt: erst realistische Ziele definieren und dann die Finanzierung sichern.