Der Schlüssel ist MINT

Am 16. Februar ist der deutsche Soziologe und Publizist Gunnar Heinsohn im Alter von 79 Jahren verstorben. Bekannt wurde er vor allem durch seine Forschungen zu Migration, Integration und Bildung.

In seinem letzten, 2019 erschienenen Buch, „Wettkampf um die Klugen. Kompetenz, Bildung und die Wohlfahrt der Nationen“, zeigt er, wie wichtig die demografische Entwicklung und die politische Antwort darauf für die Zukunft Deutschlands und Westeuropas sind. Dabei sieht er die Mathematikleistungen von Schülern als Frühindikator für die Innovationsfähigkeit.

Basierend auf der alle vier Jahre durchgeführten vergleichenden Schulleistungsuntersuchung TIMSS (Trends in International Mathematics and Science Study) rechnet er vor, dass in der EU nur 988.000 Schüler der Top-Leistungsgruppe in Mathematik angehören, in Japan trotz einer nur gut ein Viertel so großen Bevölkerung hingegen 1,8 Millionen.

Immerhin 32 Prozent der japanischen Schüler erreichen dieses höchste Niveau. In Singapur sind es sogar 50 Prozent, in Hongkong 45 Prozent und in Südkorea 41 Prozent. Deutschland kommt nur auf fünf Prozent und liegt damit noch knapp vor Italien und Frankreich, aber deutlich hinter England (17 Prozent) und der Schweiz (25 Prozent).

Mit den eingesetzten finanziellen Mitteln lässt sich das nicht erklären. So gibt Deutschland (10.622 Euro) rund 20 Prozent mehr pro Grundschüler aus als Spitzenreiter Singapur (8.730 Euro).

Auch Länder wie Ungarn haben einen deutlich höheren Anteil von Schülern in der Mathe-Spitzengruppe (13 Prozent), obwohl Deutschland rund 50 Prozent mehr pro Schüler investiert, stellt Heinsohn fest.

Für Heinsohn – und das ist die politisch schwierige und umstrittene Aussage – haben diese Ergebnisse viel mit der Zuwanderungspolitik zu tun – und zwar seit den 1960er-Jahren. Italien, Portugal und die Türkei hätten nicht ihre jeweiligen Eliten in deutsche Berg- und Stahlwerke geschickt.

Unabhängig davon, ob man dieser Einschätzung folgt oder nicht, spricht viel dafür, dass die mathematischen Leistungen ein Indikator für die künftige Innovationsfähigkeit einer Gesellschaft sind.

Laut dem jährlichen Bericht des PCT (Patent Cooperation Treaty) kamen 2021 mehr als 50.000 Erfindungen aus Japan, aber nur rund 17.000 aus Deutschland. Für ein gleich gutes Ergebnis im Sinne der Patentanmeldungen pro Einwohner wären aber 33.000 nötig gewesen, rechnet Heinsohn vor.

Angesichts der demografischen Entwicklung wird sich der Wettkampf um die Klugen verschärfen. Höchste Zeit für Deutschland, die Herausforderung anzunehmen: Die Zuwanderung muss sich auf die Qualifizierten fokussieren.

Die hier Lebenden müssen deutlich besser ausgebildet werden, mit einem Fokus auf Mathematik und Naturwissenschaften. Beginnen wir mit der Erkenntnis, dass wir weit hinten liegen.

→ handelsblatt.com: “Schlechte Mathe-Fähigkeiten sind Indikator für mangelnde Innovation”, 26. Februar 2023