Nur mit Kriegswirtschaft gewinnen wir den Wirtschaftskrieg
Vordergründig hat die Bundesregierung erkannt, dass der russische Angriff auf die Ukraine eine Zeitenwende bedeutet. Die Bundeswehr soll plötzlich wieder einsatzfähig werden, die Energieversorgung auf eine breitere Basis gestellt werden. Das genügt jedoch bei Weitem nicht.
Selbst wenn es bald zu einem Ende des Krieges kommen sollte, wird der Wirtschaftskrieg weitergehen. Entfallen die Exporte von Öl, Gas, Metallen und Nahrungsmitteln der Rohstoffsupermacht Russland, trifft das die Weltwirtschaft hart. Der Westen muss deshalb alles daransetzen, das Angebot auszuweiten und die Nachfrage zu reduzieren. Je radikaler und schneller, desto besser für die Welt.
Beispiel Nahrungsmittel: Der Wegfall von Russland und Ukraine als wichtige Getreideexporteure droht weltweit eine Hungersnot auszulösen. Die Antwort muss lauten, dass wir alles Erdenkliche tun, um die eigene Produktion von Nahrungsmitteln zu steigern. Stillgelegte Flächen müssen umgehend reaktiviert und vorhandene Flächen auf maximalen Ertrag ausgerichtet werden.
Wer da wie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) betont, die Versorgung in der EU mit Weizen sei nicht gefährdet und man dürfte „erste Schritte“ der europäischen Agrarpolitik hin zur Förderung einer klima- und umweltschonenden Landwirtschaft nicht zurückzudrehen, stellt das ferne Ziel des Klimaschutzes über das unmittelbare Ziel der Verhinderung von Hunger und sozialen Unruhen in den ärmsten Ländern der Welt.
Abgesehen von den humanitären Folgen dieses Denkens, spielen wir damit Russland in die Hände, das nichts lieber sehen wird als eine Wiederholung des Arabischen Frühlings mit einer neuen Migrationsbewegung Richtung Europa.
Beispiel Energie: So richtig es ist, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) von Norwegen bis Katar neue Gaslieferungen erschließt, so falsch ist es, den Weiterbetrieb der vorhandenen deutschen Kernkraftwerke auszuschließen.
Würden die sechs 2021 noch betriebenen Meiler weiterlaufen, würde das den Erdgasbedarf um rund zwölf Prozent senken. Trotzdem kamen nach einer Kurzprüfung die Bundesminister für Wirtschaft und für Umwelt zu dem Schluss, dass eine Laufzeitverlängerung „nur einen sehr begrenzten Beitrag“ zur Lösung des Problems leisten könnte.
Natürlich kann der Gas- und Kohlebedarf statt aus Russland aus anderen Quellen gedeckt und so das nationale Versorgungsproblem gelöset werden. Wir können es uns leisten, mehr zu bezahlen. Doch wie die Verweigerung zusätzlicher Nahrungsmittelproduktion geht auch dies zulasten jener Staaten, die es sich nicht leisten können.
Wir befinden uns mit Russland in einem globalen Wirtschaftskrieg. Den gewinnen wir nur, wenn wir in Kategorien der Kriegswirtschaft denken und das Wirken unseres Handelns auf die Weltgemeinschaft vor politische Wunschprojekte und Tabus hierzulande stellen.
→ handelsblatt.com: “Nur mit Kriegswirtschaft gewinnen wir den Wirtschaftskrieg”, 25. März 2022