Das Glas ist halb voll

Die Argumente von Robert Gordon zur nachlassenden Innovationskraft haben wir schon mehrfach thematisiert. Hier eine gute Zusammenfassung aus der FINANZ und WIRTSCHAFT. Tenor: „Dass ein schlechtes Schulsystem oder ein extremes Maß an Ungleichheit Wachstum eher hemmt als fördert, ist wohl unbestritten. Aber dass die Gegenkräfte so stark einwirken, dass wir in den nächsten Jahrzehnten ins vorindustrielle Zeitalter zurückkatapultiert werden, ist unwahrscheinlich. Vor allem liegt solchen Prognosen die unrealistische Annahme zugrunde, die Politik werde tatenlos zusehen. Gordons Kalkulation verrät wohl mehr über die momentane Politikverdrossenheit in den USA als über die tatsächliche Zukunft.
Blickt man zurück in die Geschichte, ist auffällig, dass die Zeitgenossen immer dann zum übertriebenen Pessimismus neigen, wenn eine Wirtschaftskrise länger andauert als eine gewöhnliche Rezession. Dabei ist, was wir heute beobachten, alles andere als außergewöhnlich. Eine Immobilienkrise, wie die USA sie erlebt haben, und eine Schulden- und Bankenkrise, worunter Südeuropa noch immer leidet, haben eine besonders ­negative Wirkung auf Wachstum und Beschäftigung. Aber diese temporären Probleme darf man nie mit der langfristigen Vitalität eines Kontinents oder eines Landes gleichsetzen. Das Glas ist halb voll, nicht halb leer.”

Die FuW ist eine sehr gute Zeitung. Doch wenn man den Originalaufsatz von Gordon liest, sieht man, dass Gordon argumentiert, warum die Produktivität der westlichen Wirtschaften sinkt. Ein Faktor ist in der Tat eine potentiell abnehmende Innovationskraft. Die anderen Faktoren wie Bildung und Ungleichheit wirken nicht nur auf die Innovationskraft, sondern auch auf die generelle Wirtschaftskraft eines Landes. Gleiches gilt für die Folgen der Globalisierung. Beispiel: Englischsprachige Callcenter können überall auf der Welt betrieben werden. Natürlich auch in den USA. Aber wenn man sie in den USA betreibt, wird man den Mitarbeitern nicht mehr bezahlen, als an den anderen Standorten. Entweder die Arbeit wird zu tieferen Löhnen erbracht oder aber gar nicht mehr in den USA, mit entsprechend höherer Arbeitslosigkeit. Der Effekt ist der gleiche: das BIP pro Kopf sinkt. Und darum geht es. Die Megatrends von Gordon zeigen überwiegend Effekte, die geringeres Wachstum des BIP pro Kopf bedingen. Abnehmende Wirkung von Innovation ist einer dieser Faktoren. Die anderen Faktoren beeinflussen Innovationskraft, aber auch direkt das BIP pro Kopf. Und deshalb ist die FuW zu optimistisch. Natürlich wird es wieder Innovationen geben. Aber in einer globalisierten Welt gibt es einen Nivellierungsdruck der Löhne und damit des BIP pro Kopf und damit ein Problem: Weniger Menschen und weniger Produktivitätsgewinne bei fehlender Inflation bedeuten wenig Wirtschaftswachstum. Schlechte Nachrichten für eine überschuldete Welt.

FuW: Das Glas ist halb voll, 7. März 2014