Was tun mit dem Geld? ‒ Nassim Taleb

Nassim Nicholas Taleb ist Professor für Risikoanalyse und Autor des Bestsellers “Der Schwarze Schwan” und des 2012 erschienenen Werks “Antifragilität”. Im Interview mit der FINANZ und WIRTSCHAFT erläutert er seine Sicht auf die heutigen Finanzmärkte:

  • “Das System ist fragiler denn je. Der Grund sind die hohe Staatsverschuldung und die rekordniedrigen Zinsen. Dieses Mal gibt es kaum mehr fiskal- und geldpolitischen Spielraum, wenn etwas passiert.” ‒ bto: Davor warnen auch andere Beobachter. Die Munition ist aus!
  • “Steigende US-Leitzinsen sind für andere Märkte gefährlicher als für die USA.” (…) Gefährdet sind “die Schwellenländer. Interessant erscheint mir auch, Ramschanleihen – Junk Bonds – leer zu verkaufen, weil die Zinsdifferenzen zu eng sind. Sie werden sich ausweiten, wenn das Fed die Leitzinsen erhöht.” ‒ bto: Die Gefahr für die Schwellenländer habe ich hier oft diskutiert, ebenso die zu geringen Risikoprämien für Ramschanleihen. Frage bleibt nur, schafft die Fed überhaupt eine Zinserhöhung?
  • “Es ist illusorisch zu denken, man könne seltene Ereignisse voraussagen. Es ist ein totaler Unsinn, zu prognostizieren, wo die Börsen in einem Jahr notieren oder welches seltene Ereignis eintreffen wird.” ‒ bto: siehe auch “Selber denken”!
  • “Mit fünfzig promovierten Wissenschaftlern können Sie auf den Mond fliegen, aber nicht vorhersagen, wohin die Börsen laufen. Das ist mathematisch unmöglich. Es ist viel einfacher, robust zu sein, als zu versuchen, irgendwelche seltenen Ereignisse zu prognostizieren. Es ist auch deshalb viel einfacher, weil wir Robustheit und Fragilität messen können. Black-Swan-Ereignisse vorhersagen zu wollen, ist eine nette Übung, aber es bringt nichts.” ‒ bto: Klartext ‒ Portfolio wetterfest machen!
  • “Es werden genau diejenigen pleitegehen, die glauben, seltene Ereignisse vorhersagen zu können. Ihre Portfolios sind zu fragil, und sie verlassen sich auf unbrauchbare Konzepte und Modelle. Nobelpreisgekrönte Konzepte wie Value at Risk oder das Garch-Modell halten nicht, was sie versprechen.”
  • Der Ruin ist keine erneuerbare Ressource. Seine Kosten sind faktisch unendlich, deshalb ist eine Kosten-Nutzen-Abwägung irrelevant. Es spielt keine Rolle, ob Sie vor einer heranfahrenden Walze Frankenmünzen oder Tausendernoten aufzulesen versuchen.” ‒ bto: schönes Bild. Bedeutet für uns als Investoren, dass wir sicherstellen müssen, auch in Extremszenarien zu überleben. Deshalb auch meine Warnung vor Schulden.
  • “Was kein Chaos und keinen Zufall erträgt, mag auch keine langen Zeiträume. Die Lebenserwartung eines Jungen ist höher als die eines alten Mannes. Doch bei Ideen, Technologien und auch Unternehmen ist es genau umgekehrt. Was schon lange da war, wird auch lange weiterexistieren. Mit dieser einfachen Regel können Sie Fragilität reduzieren.” ‒ bto: Man könnte auch sagen, bewährte Qualitätsaktien überleben eher.
  • “Seien Sie paranoid auf der einen und risikofreudig auf der anderen Seite. Das heisst, Sie legen 80% in das sicherste und liquideste Asset wie Cash oder Staatsanleihen an. Mit den anderen 20% können Sie dann riskante Wetten eingehen, die nicht voneinander abhängig sind. Maximal verlieren Sie 20%, aber das Gewinnpotenzial ist immens. “

Er betont allerdings selber, dass eine solche Strategie emotional schwer durchzuhalten ist. Zudem ist das von ihm präferierte Bargeld bzw. die Bankeinlage fern davon, risikofrei zu sein, wie wir wissen. Dennoch sehr interessant.

FINANZ und WIRTSCHAFT: “Seien Sie paranoid und risikofreudig zugleich”, 22. Mai 2015

Kommentare (2) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Dieter Krause
    Dieter Krause sagte:

    “Mit fünfzig promovierten Wissenschaftlern können Sie auf den Mond fliegen, aber nicht vorhersagen, wohin die Börsen laufen. Das ist mathematisch unmöglich.” – Tja, wofür dann Börsenkolumnisten?

    Antworten
    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Für nichts. Und zu der an anderer Stelle geäußerten Kritik, ich sei nun auch “Börsenkolumnist” die einfache Antwort. Nein, das bin ich nicht. Ich kann die Märkte nicht vorhersagen. ABER ich kann aus dem Blickwinkel des makroökonomischen Verständnisses der Schuldenkrise Navigationshilfe bieten. Dies auch deshalb, weil mich viele Leser dieser Seiten genau darum gebeten haben. Es geht nicht um Spekulation, sondern um Strategie.

      LG

      DSt

      Antworten

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