Zum Denken der Eliten über “Armut”

Dieser Beitrag erschien zum ersten Mal im Juli 2016 bei bto. Angesichts der immer weiter verbreiteten These, wir wären ein Land, das wegen der zunehmenden Armut mehr Umverteilung braucht und dem Fehlen der Erkenntnis, was hinter dieser Entwicklung wirklich steht, eine lohnenswerte Wiederholung (siehe auch meinen Beitrag von heute Morgen):

Gestern habe ich das nüchterne Fazit von Gunnar Heinsohn in der NZZ an dieser Stelle zitiert: Wenn Politiker sich mit neuen Hilfsmilliarden profilieren, heisst das letztlich: Opfert euch für Rentner, Fremde und den Euro, aber endet selber arm im Alter.”

Heute nun der Beweis für dieses Denken der Eliten. Unbekümmert davon, wer wirklich die Armen in Deutschland sind (es sind nämlich überwiegend die ungebildeten Zuwanderer, wie bereits berichtet), wird nach “analytischer” Vorbereitung durch das DIW und mit dem theoretischen Rüstzeug von Thomas Piketty weiter an dem Modell gearbeitet. Vorhandener Wohlstand soll zugunsten einer besseren Welt verteilt werden. Kein Wunder, dass immer mehr Leistungsträger da nicht mitmachen wollen. Bevor jetzt wieder der Aufschrei kommt, dass diese Reichen doch nicht die Leistungsträger sind, nochmals zur Erinnerung: Am Ende zahlt die Umverteilung immer der Mittelstand. → Auftakt zur Umverteilungsorgie

Es wird auf die Top-1-Prozent in Reden gezielt, faktisch werden jedoch die Top-30-Prozent zur Kasse gebeten. Und dies sind keinesfalls “Superreiche”, wie der Artikel suggeriert. Kein anderer als Jürgen Trittin beweist hier, dass er Piketty zu nutzen weiß:

  • Wer mehr Gerechtigkeit will, muss über Gleichheit sprechen. Darüber zu sprechen ist im Deutschland des Jahres 2016 tabuisiert. Die Herausbildung einer neofeudalen Oberschicht von Superreichen hüllt sich ins biedere Lobbymäntelchen der Familienunternehmen.” bto: Aha, ab wann ist man denn “superreich”?
  • Klimawandel und Ungleichheit sind globale Krisentreiber. (…) Deshalb müssen wir die globale Ungleichheit mindern.” bto: Lieber Herr Trittin, ist Ihnen denn völlig entgangen, dass dank Globalisierung und Wettbewerb heute viel mehr Menschen nicht mehr in Armut leben? Vermutlich war die globale Ungleichheit noch nie so gering wie heute. Hunderten von Millionen Menschen geht es deutlich besser als noch vor zehn Jahren! Das ist aber auch ein Grund dafür, dass wir in den Industrieländern mehr Ungleichheit erleben, eben, weil gewisse Arbeiten nicht mehr bei uns gemacht werden. Wer das ändern will, will den Millionen in den Entwicklungsländern die Teilhabe verweigern  damit sie dann als Flüchtlinge zu uns kommen?
  • Der Sumpf legaler, halblegaler und illegaler Steuerschlupflöcher muss trockengelegt werden. Das Ende des Bankgeheimnisses gehört hier ebenso dazu wie die Erkenntnis darüber, welches Unternehmen wo wie viel verdient und wie viele Steuern zahlt. Finanztransaktionen müssen besteuert werden.” bto: Was ist das Problem an legalen “Steuerschlupflöchern”? Die sind doch, wie der Name schon sagt, legal. Meint er damit die irrsinnigen Subventionen für Ökostrom?
  • Was passiert, wenn immer weniger Menschen immer mehr und immer mehr Menschen immer weniger haben und wenn Staaten ihre Aufgaben nicht mehr finanzieren können? Erstere haben etwas übrig und leihen Letzteren Geld. Das geht eine Weile gut; die einen werden durch die Zinsen noch reicher, die anderen verschulden sich immer mehr. Große Vermögen und große Schulden gehen Hand in Hand.” bto: Damit ist Trittin ja etwas besser als Piketty. Aber er checkt es noch immer nicht. Es liegt doch an unserem Geldsystem und der Politik der Staaten und Notenbanken, die auf immer mehr Schulden gesetzt haben, um “Wachstum” zu erzeugen. Damit wächst das Finanzvermögen natürlich an. Übrigens auch die Forderungen der kleinen und mittleren Sparer, zum Beispiel in Lebensversicherungen.
  • Doch irgendwann platzt die Blase. Die Schuldner sind nicht mehr zahlungsfähig. 1928 hatten die reichsten zehn Prozent der Vereinigten Staaten die Hälfte des Einkommens, das reichste oberste Prozent bekam ein Viertel. Dann platzte die Börse und riss eine Volkswirtschaft in den Abgrund. Die Geschichte wiederholte sich 2007 beim selben Stand der Ungleichheit. Amerikas Volkswirtschaft – Staaten, Unternehmen, Banken, Haushalte – hatte Schulden von 300 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufgehäuft; in Spanien waren es 360 Prozent, in Irland mehr als 600. Die Krise, die davon ausgelöst wurde, ist in Europa bis heute nicht überwunden.” bto: ja. Da könnte sich Trittin gar als Leser von bto outen. Aber die Kausalität ist eine andere. Vermögen und Vermögensverteilung sind Symptom, nicht Ursache.
  • Das herrschende Steuersystem befördert Umverteilung – zulasten der Lohneinkommen und zugunsten der Kapitaleinkommen. Von unten nach oben! Kapitaleinkommen werden mit 25 Prozent Abgeltungssteuer belegt, während ein Facharbeiter auf sein Einkommen bis zu 42 Prozent Einkommensteuer zahlen muss. Wer für Stabilität durch mehr Gerechtigkeit ist, muss die Abgeltungsteuer abschaffen und alle Einkommen wieder gleich besteuern.”
  • “(…) am Ende stehen die Überschuldung, die Krise und der Crash. Davor und danach aber kommt das Bemühen, der Überschuldung durch verstärktes Wachstum zu entgehen. Wachstum um jeden Preis überlastet die Gemeingüter und bringt uns der Klimakrise näher, zulasten kommender Generationen.” bto: Dieses Bemühen stand am Anfang der Entwicklung, weil wir genau deshalb auf Schulden gesetzt haben seit Mitte der 1980er-Jahre
  • Im ersten Schritt müssen ökologisch schädliche Subventionen gemindert werden. Von der Dieselsubvention über das Dienstwagenprivileg bis zur Mineralölsteuerbefreiung für die Chemieindustrie würden die Preise dann näher an den ökologischen Kosten liegen. So würden nicht nur Ressourcen geschützt und Recycling befördert – die Bereicherung zulasten der Allgemeinheit würde teurer.” bto: Kann ich nachvollziehen. Dennoch, hier ist bereits die Wahrheit zu sehen: Es geht hier nicht um die Supereichen. Teurer Kraftstoff trifft die mittleren und kleineren Einkommen viel mehr! Am Ende muss es die Masse der Steuerzahler zahlen, denn sonst kommt nichts rein!
  • Im Jahr 1991 reinvestierten die Unternehmen noch mehr als vierzig Prozent ihrer Gewinne, im Jahr 2000 immerhin noch rund 25, seit 2001 liegt diese Quote unter zehn Prozent. Die Behauptung, dass steigende Gewinne zu steigenden Investitionen führen, ist also ein Märchen der Propagandaabteilungen der Wirtschaftslobby.” bto: Das ist richtig. Die Gründe sind allerdings komplexer. Siehe: Warum investieren wir nicht? 
  • Wenn die Gewinne aus schnell wachsenden Vermögen nicht mehr investiert werden, wir aber mehr investieren müssen, spricht alles für eine Vermögensteuer.” bto: Was für eine Volte! Weil die Unternehmen nicht investieren, sollen “reiche” Privathaushalte mehr Steuern zahlen? Warum fordert Trittin nicht höhere Steuern für Unternehmen, die nicht investieren?
  • Die trifft nach den Vorschlägen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung nicht einmal ein Prozent der Bevölkerung. Sie ist eine Superreichensteuer. Werden die daraus resultierenden neun bis achtzehn Milliarden Euro in Infrastruktur, Bildung und Klima investiert, dann ist das gut für Mittelstand und Mittelschicht. Sie bekommen mehr Bildungsgerechtigkeit, mehr Aufträge, mehr Arbeit.” bto: So, wer ist denn nun “superreich”? Trittin sagt es nicht, weil es nämlich viel mehr Leute sind, als er suggeriert.”
  • Keiner der Aspekte eines umfassenden Gerechtigkeitsbegriffs wird realisiert, wenn die Ungleichheit weiterwächst. Deshalb muss der Kampf um mehr Gleichheit im Mittelpunkt des Kampfes um Gerechtigkeit stehen.”

Also: Wir leben in einem Land, das trotz guter Konjunktur am meisten Geld für Soziales ausgibt, in dem man trotz schrumpfender Erwerbsbevölkerung mit Anfang 60 in Rente geht und welches Hunderte von Milliarden bereitwillig für Zuwanderer ausgibt, die alleine durch die Tatsache, dass sie obwohl eigentlich illegal hier sind, Anspruch auf umfassende Unterstützung haben. Mit jedem dieser Zuwanderer wächst die Ungleichheit und damit die Notwendigkeit zur Umverteilung. Doch statt hier anzusetzen, um die in der Tat nötigen Investitionen finanzieren zu können, gibt die Politik Vollgas. Nichts wie weg, muss da die Devise lauten. 

→ F.A.Z.: “Vom Segen einer Superreichensteuer”, 6. Juli 2016