Risse im Euro-Fundament
Einige interessante Fakten von Felix Zulauf in einem Beitrag für die FINANZ und WIRTSCHAFT. Zulauf ist ein besonders scharfer Beobachter der Märkte. Ich hatte ihn auf diesen Seiten bereits öfter – einfach „Zulauf“ suchen.
Obwohl Griechenland und der Euro ja nun mal wieder „gerettet sind“, lohnt es sich den traurigen Fakten ins Auge zu schauen:
- „Ohne die Abtretung der nationalen Souveränität in der Finanz- und Wirtschaftspolitik an eine gemeinsame Zentrale, die über Transferleistungen schwächere Regionen stützt, war und bleibt das Projekt langfristig zum Scheitern verurteilt.“ – bto: übersetzt: Geld wird verteilt aber im Gegenzug werden Freiheiten genommen. Völlig illusorisch.
- „Trotz Warnungen weitsichtiger Ökonomen hat die hohe Politik an die Frieden und Wohlstand stiftende Funktion einer Währungsunion geglaubt und den Euro ihren Bürgern so schmackhaft gemacht. Inzwischen ist genau das Gegenteil eingetreten; Nationalismus nimmt in der EU deutlich zu und der Wohlstand ebenso deutlich ab.“ – bto: Das ist erst der Anfang …
- „In der Vergangenheit wurden auftretende Probleme immer wieder gekittet, primär über die EZB und manchmal sogar mit einem Bluff (‚Whatever it takes‘). Damit wurde zwar Zeit gewonnen, die jedoch nicht für genügend notwendige Reformen und Anpassungen genutzt wurde.“ – bto: stimmt.
- „Griechenland hat Schulden von rund 500 Mrd. € ausstehend, wovon etwa 50 Mrd. bei privaten Gläubigern. Die übrigen Schulden liegen beim IWF sowie insbesondere beim ESM und bei der EZB. Davon sind 89 Mrd. € bei der EZB an Notstandkrediten (ELA) und etwa 110 Mrd. beim Target2. Sollte Griechenland aus dem Euro austreten, würde sich die neue Währung um geschätzte 50% abwerten, was die in Euro denominierten Schulden nochmals verdoppeln würde. Die Staatsschulden lägen dann in der Region von über 600% des BIP. Realistischerweise wären ca. 90% dieser Schulden verloren, also rund 450 Mrd.“ – bto: Deshalb spreche ich immer von dem Erpressungspotenzial der Griechen. Dem musste Schäuble wohl mit dem Grexit auf Zeit entgegentreten, um noch Schlimmeres zu verhindern.
- „Damit würde erstens einmal die Fiktion beendet, dass Durchwursteln eine zielführende Politik ist. Entsprechend würden die Kapitalmärkte wohl relativ schnell die Schuldnerqualität genauer prüfen und je nach Qualität auch entsprechend höhere Risikoprämien bzw. Realverzinsungen fordern. Es gäbe wohl einen Ruck durch die ganzen Kapitalmärkte hin zu einer realistischeren Kursgestaltung, was nach Jahrzehnten von geld- und finanzpolitischen Sünden sowie Markt- und Bewertungsverzerrungen eigentlich überfällig ist.“ – bto: Und das wollen die Herrschenden auf keinen Fall!
- „Zweitens würde es Fragen bezüglich des Euro-Zahlungsverkehrssystems Target2 aufwerfen. In den USA heisst das entsprechende System Fedwire. Dort werden die Saldi unter den Notenbanken der zwölf Distrikte jedes Jahr durch Zahlungen ausgeglichen, damit kein langfristiges Gläubiger-Schuldner-Verhältnis entsteht. In Europa dagegen werden keine Ausgleichszahlungen geleistet, sondern die Ansprüche und die Verbindlichkeiten laufend zugerechnet. Das führt dazu, dass sich die Volkswirtschaften ihre chronischen Defizite in der Zahlungsbilanz durch Target2 finanzieren lassen.“ – bto: Auch das werden die Herrschenden nicht ändern wollen!
- „Deutschland ist heute im Target2-System mit ca. 530 Mrd. € der mit Abstand grösste Gläubiger. Wenn Griechenland mit einer Schuld allein in diesem Bereich von 110 Mrd. € ausfällt, stellt sich die Frage, wer schliesslich dafür haftet. Sind das nur die Gläubiger, in diesem Fall zu 80% Deutschland und zu 20% Luxemburg, oder wird das gemäss Kapitalschlüssel der EZB unter den Ländern verteilt?“ – bto: Na, ich tippe mal, dass man uns auf den Kosten sitzen ließe.
- „Sollte die Eurozone einen jährlichen Ausgleichsmechanismus analog dem der USA einführen, ergäben sich weitere Fragen. Sind die nationalen Notenbanken innerhalb des EZB-Systems überhaupt in der Lage, diese aufgelaufenen Schulden zu bezahlen? Und wenn nicht, wer bezahlt sie an ihrer Stelle? Könnte Target2 nicht mehr als bequeme Finanzierungsquelle benutzt werden, weil die chronischen Gläubigerländer die damit einhergehenden Risiken nicht mehr schultern möchten, so würden Volkswirtschaften mit chronischen Zahlungsbilanzdefiziten wieder eingeschränkt und deflationiert.“ – bto: dann doch lieber den zinslosen Überziehungskredit bei den deutschen Steuerzahlern. Wer sonst ist schon so blöd, sein Geld so schlecht anzulegen?
Zulaufs Fazit: „Die politisch Verantwortlichen sind unvorbereitet und überfordert. Es steht die Frage im Raum, ob Europa mit immer mehr Abtretung der nationalen Souveränität stärker zentralisiert wird – was die Bürger eher ablehnen – und eine EU mit einer zentralen Regierung in allen wichtigen Fragen, zumindest der Finanz- und Wirtschaftspolitik, etabliert wird. Falls Regierungen und Bürger dies nicht wollen, werden die Risse im Fundament des Euros immer deutlicher, sie würden langfristig in eine Auflösung münden.“ – bto: absolut richtig.
→ FINANZ und WIRTSCHAFT: Risse im Euro-Fundament, 8. Juli 2015