Syriza hat recht: Island hat es richtig gemacht
Ambrose Evans-Pritchard berichtet von den parteiinternen Diskussionen bei Syriza. Demnach wächst das Zutrauen in den Weg eines Euroausstiegs. Zu Recht fühlen sich die Politiker von dem massiven Kapitalabfluss aus dem Land gestärkt. “Je mehr abfließt, desto stärker ist unsere Verhandlungsposition”, zitiert AEP einen Funktionär. Dies unterstreicht, wie zutreffend die Beschreibung von Hans-Werner Sinn in diesem Zusammenhang ist. Wie die EZB heute meldet, ziehen die Griechen 400 Millionen pro Tag ab, und die EZB hat 118 Milliarden Euro an Liquidität bereitgestellt, rund 66 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). ‒ bto: Das ist ein Skandal.
Syriza plant demnach eine Verstaatlichung der Banken im Falle eines Grexit. Kapitalverkehrskontrollen und Abhebebegrenzungen wären ebenfalls die Folge. Vorbild ist dabei die ‒ auch vom IWF als Musterbeispiel gefeierte ‒ Strategie von Island. Der Inselstaat hatte bei Krisenbeginn die Banken verstaatlicht. Aktionäre und ausländische Gläubiger verloren ihr Geld. Das Management der Banken wurde entlassen und einige Manager verurteilt. Das inländische Bankensystem wurde danach mit staatlicher Hilfe (immerhin mit Kosten von rund 30 Prozent des BIP) wieder aufgebaut. AEP erinnert allerdings daran, dass Island eine ganz andere Wirtschaft- und Gesellschaftsstruktur hat. Was eben nicht dafür spricht, dass es in Griechenland genauso gut funktioniert.
Was aber AEP wie auch andere Beobachter wie Münchau erkennen: Die Griechen haben nie gepokert, sondern haben keine andere Wahl. Das Programm der Gläubiger hätte eine Fortsetzung der Dauerkrise zur Folge. Dann wäre das Land spätestens 2022 erneut pleite.
→ The Telegraph: Syriza Left demands ‘Icelandic’ default as Greek defiance stiffens, 15. Juni 2015
Schauen wir uns das Beispiel etwas genauer an. In der Tat hat Island alles anders gemacht als die Eurozone, als die Finanzkrise ausbrach:
- Die Banken wurden nicht vom Staat gerettet.
- Lediglich die inländischen Bankkonten wurden gesichert.
- Die ausländischen Gläubiger ‒ vor allem andere Banken ‒ kamen nicht an ihr Geld heran.
- Die eigene Währung wurde massiv abgewertet.
- Es wurden Kapitalverkehrskontrollen eingeführt.
Kurzum, es haben diejenigen die Kosten getragen, die zuvor leichtfertig Kredite an Banken in Island gegeben hatten, die ihre Bilanzsummen immerhin auf das Zehnfache des isländischen BIP getrieben haben.
Nun dürfen die ausländischen Kapitalgeber nach sieben Jahren (!) erstmals wieder an ihr Geld. Die F.A.Z. berichtet:
- “Ausländische Gläubiger können Vermögenswerte der pleitegegangenen isländischen Banken verkaufen, müssen aber eine Steuer von 39 Prozent zahlen, wenn sie das Geld außer Landes bringen wollen, wie die Regierung ankündigte. ” ‒ bto: weil der Kapitalabzug sonst die Wirtschaft des Inselstaats zum Kollabieren bringen würde.
- “Nach Schätzungen der Regierung könnten die Gläubiger etwa 500 Milliarden Isländischen Kronen (rund 3,4 Milliarden Euro) abziehen. Das entspricht rund einem Viertel der jährlichen Wirtschaftsleistung.”
- “2008 waren die drei größten Banken Glitnir, Landsbanki und Kaupthing zusammengebrochen. Deren Vermögen übertraf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des nur 330.000 Einwohner zählenden Inselstaates zeitweise um das Zehnfache. Die Regierung entschloss sich deshalb, ausländische Investitionen und Bankenschulden einzufrieren.” ‒ bto: viel smarter als das, was Irland damals machen musste.
- “Islands Wirtschaftsleistung hatte 2014 erstmals wieder das Vorkrisenniveau erreicht, auch dank der gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit durch die Währungsabwertung.” ‒ bto: Die Krisenländer der Eurozone sind davon bekanntlich weit entfernt.
Wie gut es um die isländische Wirtschaft heute steht, zeigen diese Darstellungen von Zero Hedge:
- Zwar stiegen auch die isländischen Staatsschulden deutlich an, doch führt das höhere Wachstum wieder zu einem Rückgang der Verschuldung in den kommenden Jahren:
- Dies wurde erreicht ohne massive Einschnitte im Gesundheitssystem und bei der Bildung. ‒ bto: wichtiger Hinweis. Denn viele der Krisenländer der Eurozone sparen gerade bei Investitionen und Bildung.
- Die Arbeitslosigkeit stieg in der Krise deutlich an, aber ist rasch wieder gefallen.
- Die Abwertung der Krone führte zu deutlichen Inflationsraten im Inland ‒ was die Schuldenlast wiederum senkt ‒ und stärkte den Export.
- Im Februar wurden verantwortliche Banker der Kaupthing Bank wegen Marktmanipulation zu Haftstrafen zwischen vier und fünf Jahren verurteilt. ‒ bto: Wo gab es das sonst?
- Es wurden in der Politik Maßnahmen diskutiert, um die Endschuldner zu entlasten, also ein Schuldenschnitt für die Häuslebauer.
- Und Island diskutiert die Änderung des Geldsystems in Richtung Vollgeld.
Fazit: Island hat nicht nur in der Krise richtig gehandelt, sondern auch die Konsequenzen gezogen. Wir hingegen setzen das Spiel fort. Irland ist am ehesten mit Island vergleichbar und würde ungleich besser dastehen. Deutschland und Frankreich hätten 2008 mehr eigene Banken in größerem Umfang “retten” müssen. Politisch war das nicht erwünscht. Es wäre aber ökonomisch besser gewesen, vor allem wenn man es mit ernsthafter Regulierung und Bestrafung verbunden hätte. Für Griechenland gilt das Gleiche. Auch dort haben die Rettungspolitiker letztlich den untragbaren Zustand perpetuiert.
→ F.A.Z.: Island hebt die Kapitalkontrollen schrittweise auf, 8. Juni 2015