Der Preis billigen Geldes
Die EZB steigt also in Quantitative Easing ein. Auch wenn es noch einiges Hin und Her geben wird, dürfte feststehen, dass die ECB damit die globale Liquidität weiter vergrößert. Die Analysten von JP Morgan haben die sogenannte „Überschussliquidität“ berechnet. Also jenes Geld, welches die Notenbanken anbieten, welches aber nicht den Weg in die Realwirtschaft findet und den Bestand an Finanzassets übersteigt. Per heute sind es gemäß JPM immerhin fünf Billionen US-Dollar. Die neue Liquidität der EZB wird diesen weltweiten Liquiditätsüberschuss weiter vergrößern. Folge: Die Preise für Finanzwerte, Immobilien und andere Assets werden weiter steigen, die Renditen weiter sinken. Dabei ist dies aus Sicht von JPM nicht nachhaltig. Über die Zeit gibt es eine Tendenz der Bewertung von Finanzwerten und Immobilien zu langfristigen Durchschnitten zurückzukehren. Das wären schlechte Nachrichten für die heutigen Käufer.
Die Folgen des billigen Geldes können wir überall beobachten. So im Markt für Unternehmensanleihen. Die FT berichtet anlässlich der neuen Anleihe der Lufthansa – übrigens als „Junk“ geratet angesichts der fundamentalen Probleme der Fluggesellschaft –, die bei fünf Jahren Laufzeit nur 1,125 Prozent Verzinsung bietet, über die Exezesse im Markt für Anleihen. Bisher wurden in Europa in diesem Jahr 137 Milliarden US-Dollar sogenannter „High-Yield“-Bonds ausgegeben (also theoretisch hoch-verzinslich wegen geringer Qualität der Schuldner), mehr als im gesamten Jahr 2013. Durchschnittliche Verzinsung: 4,27 Prozent verglichen mit mehr als zehn Prozent im Jahr 2010. Käufer sind vor allem Private, die von den höheren Zinsen und den bekannten Namen angelockt werden. Wie im Fall der Lufthansa. Das passiert, wenn Geld nicht weiß, wohin.
Unternehmen profitieren also von den günstigen Zinsen –, wenngleich sie nicht investieren, sondern lieber Aktien zurückkaufen, wie öfters diskutiert. Die wahren Profiteure sind aber jene, die durch Verschuldung ihren Kapitaleinsatz „hebeln“ und so die Eigenkapitalrendite steigern. Neben Hedgefonds sind dies vor allem Private-Equity-Firmen. Nach der Krise haben Regulatoren und Banken eine Beschränkung der Finanzierung von Unternehmensübernahmen beschlossen. Eigentlich sollten die Schulden nicht mehr als sechs Mal EBITDA sein (das sind die Erträge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen). Der Anteil der Deals, die über dieser magischen Hürde liegen, ist in den USA schon wieder auf dem Niveau des Jahres 2007. Auch in Europa sinken die Standards, aber es ist noch besser als 2007. Noch. Hier helfen die Notenbanken nicht der Realwirtschaft, sondern erleichtern das Verdienen von Geld durch den Handel mit bestehenden Assets.
→ FT (Anmeldung erforderlich): Private equity undeterred by debt guidelines, 7. September 2014
Natürlich freuen sich auch die Aktienmärkte. John Authers beschreibt sehr schön, wie die Märkte ohne große Euphorie (bto: und bei geringen Umsätzen), von der Liquidität getragen immer neue Höhen erklimmen. Und selbst ein Zinsanstieg muss den Anstieg nicht stoppen, so haben Analysten bei der Analyse vergangener Perioden herausgefunden. Ich würde zwar jeglichen Vergleich mit der Vergangenheit für ungeeignet halten, weil die heutige Geldpolitik kein Vorbild hat. Dennoch die Schlussfolgerung: Die Party kann noch eine Weile weitergehen. Aktionäre und Aktienhändler profitieren. Nicht die Realwirtschaft.
→ FT (Anmeldung erforderlich): Wall Street works up new rationale for optimism, 5. September 2014
John Dizard, der sehr gute Kommentare in der jeden Montag erscheinenden Fondsmanager-Beilage der FT schreibt, wirft einen nüchternen Blick auf die Folgen der EZB-Entscheidung. Es gibt schlicht viel zu wenige Assets, die die EZB kaufen kann. Sie wird deshalb in riskantere Anleihen – gerade auch von Banken – investieren, was den Geldmanagern die Möglichkeit des „frontrunning“ gibt. Jetzt kaufen und dann mit Gewinn an die EZB. Fazit: Draghi will, dass wir das machen. Und wir sollten es auch tun, weil unser Bonus davon abhängt. Ein weitere Gruppe, die von der Geldpolitik profitiert: Geldmanager, nicht die Realwirtschaft.
→ FT (Anmeldung erforderlich): ECB is frontrunner in evil Anglo-Saxon race, 7. September 2014
Schwaches Wachstum, geringe Inflation und hohe Schulden passen nicht zusammen. Denn sie bedeuten Insolvenz. Notenbanken und Regierungen wollen dies nicht, was den Druck erhöht, Inflation zuzulassen. Es ist das Ziel der Notenbanken, mit ihrer Politik die Inflationsraten zu steigern. Kenneth Rogoff warnt demzufolge zu Recht, es sei zu früh den Tod der Inflation auszurufen. Die Notenbanken könnten noch aggressiver werden.
→ The Guardian: The Exaggerated Death of Inflation, 2. September 2014
Das würde dann die Realwirtschaft erreichen, aber anders als erhofft. Ich selber sehe das Risiko, denke aber, es ist noch gering. Zu groß ist die deflationäre Wirkung der hohen Schulden. Die Notenbanken werden noch lange Spekulanten und Schuldner glücklich machen. Und dann gibt es zwei Szenarien: Enttäuschung über die nicht einsetzende Erholung und fehlende Inflation führen zu einem Platzen der Blase an den Finanzmärkten oder das Vertrauen in Geld schwindet und die – erhoffte – Inflation kommt, dann allerdings deutlich massiver als gedacht. Auf Dauer geht es auf jeden Fall nicht gut.