Amerika hängt uns ab
Henrik Müller bringt es auf den Punkt: „Die Amerikaner zeigen der Welt beeindruckend ihre Fähigkeiten – und uns unsere Unzulänglichkeit.“ So Müller in seiner Kolumne bei Spiegel Online.
- „Ohne entschlossenen Beistand der Amerikaner hätte die Ukraine Russland nicht so lange widerstanden. Womöglich wären längst weitere Teile Mittelosteuropas im Visier der Kremltruppen. Im Nahen Osten versuchen die USA unterdessen, ein Übergreifen der Eskalation auf weitere Länder zu verhindern.“ – bto: Ich persönlich bezweifle, dass Putin wirklich weiter wollte oder will. Aber ich habe auch keine Invasion in der Ukraine erwartet…
- „Die EU fällt immer weiter zurück. Sie ist weder institutionell noch wirtschaftlich vorbereitet auf eine radikal veränderte geopolitische Konstellation. ‚Wendepunkt‘ heißt: Die bislang halbwegs verlässliche internationale Ordnung ist in Auflösung begriffen. Die Veränderungen sind viel fundamentaler, als die von Olaf Scholz im Februar 2022 beschworene ‚Zeitenwende‘ nahelegt, die sich vor allem auf Russlands Rollenwechsel vom Partner zum Aggressor bezog. Tatsächlich versucht nun eine Vielzahl von Regierungen rund um den Globus, kurzfristige Vorteile für sich herauszuholen, während Terrorstaaten neue Partner finden und immer weitere skrupellose Terrorgruppen entstehen.“ – bto: Und wir haben eine EU, die – nur noch getoppt von Deutschland – Altruismus und Belehrung in den Vordergrund stellt. Kein Wunder, dass die anderen sich nehmen, was sie wollen, und uns auslachen, wie wir freiwillig an Wohlstand und Einfluss verlieren.
- „Europa wird in dieser konfliktreichen Welt nur bestehen, wenn es stark ist und einheitlich agiert. Dass sich die EU-Staaten jeder für sich behaupten oder irgendwelchen internationalen Einfluss ausüben könnten, wie das manchem neunationalen Großtöner vorschwebt, ist jedenfalls eine abwegige Vorstellung.“ – bto: Einen solchen Satz liest man in Brüssel und bei vielen Parteien auch in Deutschland als die Aufforderung zur Sozialisierung der Schulden zu Lasten Deutschlands.
- „Inzwischen liegt die Wirtschaftsleistung pro Einwohner in den USA fast doppelt so hoch wie in der EU. Auch Deutschland, das 2008 noch annähernd gleichauf lag, ist zurückgefallen: auf etwa zwei Drittel des amerikanischen Niveaus, wie Weltbankstatistiken zeigen. Zugegeben, diese Zahlen berücksichtigen auch die Wechselkursentwicklung und überzeichnen deshalb tendenziell die transatlantische Lücke. Aber die relative Schwäche des Euro und anderer europäischer Währungen gegenüber dem Dollar seit Beginn der Eurokrise Anfang der Zehnerjahre ist eben auch ein Spiegel der relativen Kräfteverschiebungen. Die EU-Wirtschaft insgesamt ist inzwischen um ein Drittel kleiner als die der USA.“ – bto: Der Euro ist und bleibt ein Instrument zur Wohlstandsreduktion, nicht -schaffung.
- „Selbst die massiven Zinserhöhungen der vergangenen anderthalb Jahre hat die US-Wirtschaft bislang erstaunlich gut weggesteckt, trotz wiederkehrender Verspannungen im Finanzsektor. In der abgelaufenen Woche meldeten Washingtons Statistiker ein Wachstum von 4,9 Prozent im dritten Quartal. (…) bei uns läuft die Wirtschaft schwach. Konjunkturell, aber auch strukturell stecken wir tief im Treibsand.“ – bto: Wobei man sagen muss, dass die USA zeitgleich zu dem Wachstum massive Defizite fahren.
- „In vielen Zukunftsbranchen spielen Unternehmen diesseits des Atlantiks bestenfalls Nebenrollen. Währenddessen erfinden sich forschungsstarke US-Techkonzerne wie Alphabet und Microsoft im Zuge der Künstliche-Intelligenz-Revolution mal wieder neu. In Europa gibt es nichts Vergleichbares, dafür aber angeschlagene Weltmarktführer in traditionellen Industriebranchen und Luxusgüterkonzerne.“ – bto: Wir tun alles, um diese Unternehmen zu vertreiben oder plattzumachen.
- „Eine Voraussetzung für Amerikas Innovationskraft ist ein großer, einheitlicher Kapitalmarkt, auf den ambitionierte Unternehmen zurückgreifen können, um ihr Wachstum zu finanzieren. Europa ist in dieser Hinsicht schwach ausgestattet (…). National unterschiedliche Regulierungen schaffen unsichtbare Grenzen dort, wo eigentlich ein Binnenmarkt für Kapital sein sollte. Das Fehlen einer gemeinsamen europäischen Finanzpolitik – samt Emission gemeinsamer Anleihen –, die einen Standard für andere Segmente des Finanzmarkts darstellen könnten, macht die Sache nicht leichter.“ – bto: Da haben wir es wieder: Die Aufgabe des letzten Vorteils, den wir noch haben, auf dem Altar einer europäisch-öko-sozialistischen Planwirtschaft.
- „Klar, auch die USA haben strukturelle Schwächen. Die Verteilung der Einkommen ist ungleicher als in europäischen Ländern. Die Klimagasemissionen sind zu hoch, die Staatsschulden sowieso. Die Regierung Biden fährt einen interventionistischen Kurs, dass es manchen Ökonomen gruselt. Mit einem gehörigen Schuss Protektionismus und gigantischen Subventionsprogrammen will sie eine Reindustrialisierung anstoßen sowie den Umbau in Richtung Klimaneutralität vorantreiben. Emissionszertifikate und CO₂-Steuern hingegen, die bei uns die Energie verteuern und als deutlich effizienter gelten, sind in den USA nicht mehrheitsfähig.“ – bto: Es geht aber gegen uns. Und der Staat schreibt nicht vor, wie es gemacht wird.
- „(…) bei uns ist der Interventionismus auf dem Vormarsch. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat gerade eine Industriestrategie vorgelegt, die sich explizit auf Bidens Kurs bezieht und die Bereitschaft zu weiteren Großsubventionen auch bei uns erkennen lässt. Und während das EU-Corona-Sonderprogramm rund 800 Milliarden Euro binnen weniger Jahre verteilt, die wegen der Eile und der bürokratischen Hürden fast zwangsläufig in kurzatmige Projekte fließen (…) wirken die US-Programme deutlich effektiver.“ – bto: Sie wirken nicht nur so, sie sind es auch.
- „Die EU ist stecken geblieben in einem Zwischenzustand zwischen Staatenbund und Bundesstaat. Das macht sie langsam, undynamisch und schwach. Es gibt ein begrenztes EU-Budget, aber keinen Überhaushalt, der systematisch Gelder in große Infrastrukturprojekte (Verkehr, Energie) – oder eine gemeinsame Armee – leiten sowie einen einheitlichen Kapitalmarkt abstützen könnte. Wir haben eine Währungsunion, aber keine vollständige Kapitalmarkt-, Banken- oder Fiskalunion. Es gibt auch keinen einheitlichen Markt für Dienstleistungen, keine gemeinsame Zuwanderungs- oder Asylpolitik.“ – bto: Hier werde ich skeptisch. Ich denke wir sehen an Deutschland, dass es wenig bis nichts mit dieser Komplexität zu tun hat. Ich denke es ist anders. Es fehlt an der Fähigkeit alter Gesellschaften, sich zu reformieren.
- „Auf jenen Politikfeldern hingegen, wo die EU ihre Kräfte zentralisiert hat, spielt sie international auf Augenhöhe mit, zumal in der Handels-, Wettbewerbs- und Währungspolitik. Aber das genügt nicht mehr in einer Zeit, in der geopolitisches Kräftemessen in unmittelbarer Nachbarschaft unsere Sicherheit bedroht.“ – bto: Wie bitte? Wir mögen zwar regulieren, was andere erfinden, ich denke aber nicht, dass das ein Ausweis besonderer Stärke ist.
bto: Was bleibt? Keine Aussicht auf Besserung.