2020er-Jahre: Alles wird gut?
Im Januar habe ich meinen Ausblick auf die kommenden zehn Jahre gewagt:
→ Was erwartet uns im neuen Jahrzehnt – ein wirtschaftlicher Ausblick (II)
Wie bei bto ja wohl zu erwarten, ein eher skeptischer Blick. Deshalb heute den positiven Gegenentwurf von Thomas Straubhaar, den ich erst vor Kurzem hier hatte mit der Theorie, dass die Zinsen negativ sein müssen, weil sich im Kapitalismus bei der Internalisierung der externen Kosten keine Projekte mehr lohnen:
→ Abstrus: Negativzinsen offenbaren die wahren Kosten des Kapitalismus?
Was nicht bedeutet, dass er mit seinem positiven Ausblick nicht doch recht haben könnte.
Gestern hatten wir Nouriel Roubini, mit seinem Ausblick – allerdings nach dem Corona-Schock, wohingegen Straubhaar seine Sicht auf die kommenden zehn Jahre vor Corona niederschrieb. Ich finde es dennoch interessant, sich das, was noch vor wenigen Wochen von einigen – nicht von mir – für möglich gehalten wurde, nachzulesen:
- “Weder Euro- und Griechenlandkrise zu Beginn der Dekade noch anschwellende Staatsschulden und gewaltige Flüchtlingswellen zur Mitte und auch nicht die Rückkehr von Nationalismus und Protektionismus in der Ära eines Donald Trump zum Ende ändern etwas daran, dass die 2010er Jahre ökonomisch gute Jahre waren.” – bto: Das hängt natürlich vom Land ab, aber für Deutschland und die Schweiz stimmt das sicherlich. Allerdings stellt sich die Frage, ob es nachhaltig ist, was wir hier erleben.
- “Ende der 2010er Jahre lebten mehr Menschen länger, gesünder und besser als je zuvor. Das gilt nahezu flächendeckend für alle Weltregionen und Volkswirtschaften, und es trifft in besonderem Mass für Europa zu.” – bto: Das habe ich auch in dem Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre festgestellt.
- “Zweitens sind im Lauf der vergangenen (beiden) Dekade(n) die Realzinsen in allen grossen Währungsräumen gesunken. (…) Gerade ein noch längerer Blick zurück auf die Zinsentwicklungen lässt zudem erkennen, dass die Tendenz zu sinkenden Realzinsen schon eine Weile früher begonnen hatte, nach dem Ende des Kalten Kriegs und in Deutschland mit der Wiedervereinigung. Reale Negativzinsen gab es nicht erst in den vergangenen drei Jahren, sondern bereits vorher – wenn auch nur als Ausnahmen kurzfristig – in der Schweiz beispielsweise Mitte 1991 oder im Monat der Finanzmarktkrise im September 2008. Diese Beobachtung ist deshalb bedeutsam, weil sie die Behauptung relativiert, dass die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) bzw. ihres gegen Ende 2019 ausgeschiedenen Präsidenten Mario Draghi für die erst gegen null und nun ins Negative abgetauchten Realzinsen allein verantwortlich sei. Wirklich neu in den 2010er-Jahren war lediglich, dass die Nominalzinsen und die Leitzinsen der Notenbanken – nicht jedoch die Realzinsen – negativ wurden.” – bto: Auch das stimmt. Wobei die Frage ist, ob die tiefen Zinsen ein Zeichen für Gesundheit oder Krankheit der Wirtschaft darstellen.
- “Im Ausblick auf die 2020er-Jahre wird ersichtlich, dass die positiven realwirtschaftlichen Ursachen eher stärker als schwächer weiterhin Bestand haben. Bei allen zweifelsfrei hoch explosiven politischen Risiken sprechen die ungebrochen gültigen globalen Basistrends in Summe für weiterhin gute ökonomische Aussichten.” – bto: Das passt auch zu der Diskussion des Ausblicks von Garbor Steingart, den ich in STELTERS MAILBOX vor einigen Wochen hatte: → STELTERS MAILBOX: Ist Pessimismus / Optimismus völlig unangebracht?
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- “Erstens wird die Weltbevölkerung auch im neuen Jahrzehnt beträchtlich wachsen, rund 10 % von heute 7,7 Mrd. auf 8,5 Mrd., so die neueste UNO-Schätzung für 2030. Allein dadurch wird die globale Güternachfrage nicht ab-, sondern massiv weiter zunehmen. Zweitens lebt die Masse der Weltbevölkerung unverändert in Armut, Milliarden Menschen sind immer noch sehr arm.” – bto: Richtig, deshalb wird es in einigen Ländern der Welt positiv vorangehen, so sie es schaffen, die jungen Menschen auszubilden und produktiv einzusetzen, also nicht für Krieg und Terror.
- “Drittens erfordert der Klimawandel die ökologische Transformation einer Vielzahl von Produktionsprozessen. Askese mag im hoch entwickelten Europa als neuer Lifestyle Forderung der Klimaschützer sein und breite Akzeptanz finden – für die bevölkerungsstarken, weit weniger wohlhabenden Gesellschaften in Südostasien, Lateinamerika oder Afrika ist Verzicht jedoch schlicht ein ‘No Go’. Wer ohnehin kaum etwas hat, kann und will nicht noch weniger haben.” – bto: Und auch bei uns ist es ziemlicher Quatsch, ist doch Technologie die Lösung, nicht Askese.
- “Viertens liefert gerade die Digitalisierung die Basistechnologien, mit deren Hilfe in den 2020er-Jahren nahezu alles klima- und ressourcenschonend(er) und ganz anders als bisher erledigt werden kann. Algorithmen und künstliche Intelligenz werden Verhaltensweisen und Verwendung optimieren, Fehler und Verschwendung verringern sowie unnötige und ungewollte Misswirtschaft verhindern. Erforderlich hierfür sind jedoch völlig neue Herstellungsverfahren, Logistikketten, Transportkanäle, Abrechnungs-, Finanzierungs- und Versicherungssysteme. Sie zu entwickeln, zu nutzen und zu verbessern, wird enorme Investitionen voraussetzen – auch in Deutschland und der Schweiz.” – bto: Womit es doch gut ist, dass das Geld so billig ist …
- “Für die Prognose geringer Kapitalkosten spricht, dass der zinssenkende Angebotsüberschuss auf den Kapitalmärkten nur zum Teil der Geldschwemme der Notenbanken geschuldet ist. Genauso ist dafür eine Sparschwemme verantwortlich, die sich dadurch ergibt, dass in demografisch alternden Gesellschaften – wie Deutschland und der Schweiz – zu viel gespart und zu wenig investiert wird. Zudem dürfte im Wandel von einer kapitalintensiven Industriegesellschaft zu einer digitalen Wissensgesellschaft der Bedarf an Krediten geringer werden.”– bto: Also lohnt sich Sparen auf absehbare Zeit nicht. Frage: Was bedeutet das für die Altersversorgungssysteme?
- “Die wachsende Weltbevölkerung, die Aufholprozesse in den aufstrebenden Volkswirtschaften, die ökologische Transformation zur Verlangsamung und Verhinderung des Klimawandels, die dank niedriger Realzinsen billig zu finanzieren sein wird, sowie das Optimierungspotenzial der Digitalisierung bilden den Humus, auf dem ein Wirtschaftsboom erst spriessen und danach gedeihen kann. Das wird wohl – im Schumpeter’schen Geist der schöpferischen Zerstörung – nicht ohne Auf und Ab, Abschwung und Umbruch geschehen. Aber alles in allem bleiben die Voraussetzungen mehr als gut, dass auch die 2020er Jahre zu einem guten Jahrzehnt werden.” – bto: Ich glaube auch, dass wir vor einem technologischen Aufschwung stehen. Ich fürchte nur, dass Deutschland daran nicht teilnimmt, weil wir auf Verbot und Askese setzen und wenn das nicht genügt auch auf Enteignung.
→ fuw.ch: “Die 2020er Jahre können gut werden”, 21. Januar 2020