Ziel­konflikte zu leugnen ist gefährlich

Mehr als 80 Prozent der Menschen fordern in einer weltweiten Umfrage, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mehr gegen den Klimawandel unternehmen. Das ist das Ergebnis einer Studie des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), die im Juni veröffentlicht wurde. Die Studie zeigt eine breite Unterstützung für mehr Maßnahmen gegen den Klimawandel – und dies auch in Ländern, in denen man das nicht unbedingt erwartet hätte.

So gaben immerhin 78 Prozent der befragten Afghanen an, dass der Klimawandel ihnen in diesem Jahr mehr Sorgen bereite als im vergangenen Jahr. Angesichts der Lage in diesem Land – die Missstände reichen von eklatanter Armut bis zu fehlendem Bildungszugang für Mädchen und Frauen – löst das zumindest bei mir Verwunderung aus. Man könnte meinen, dass die Menschen in Afghanistan viel drängendere Sorgen haben.

Doch genau diese Frage, nämlich nach der relativen Wichtigkeit des Themas Klimaschutz im Vergleich zu anderen Themen und Sorgen wird in der Studie nicht gestellt. Die Befragten müssen an keiner Stelle angeben, bei welchem anderen Thema sie bereit wären, Abstriche zu machen, um mehr Klimaschutz zu erreichen.

Lebenstil ändern für den Kampf gegen den Klimawandel?

Wer das nicht sagen muss, dem fällt es leicht, ein „Mehr“ von etwas Wünschenswertem zu fordern. Die einzige Frage, die in diese Richtung geht, nämlich die nach der Änderung des eigenen Lebensstils für den Klimaschutz, zeigt denn auch: Nur 33 Prozent gaben an, der Klimawandel beeinflusse wichtige Entscheidungen in Bezug auf den eigenen Lebensstil stark.

Das passt zu Studien, die zeigen, dass in den meisten Ländern der Welt andere Entwicklungsziele als wichtiger eingeschätzt werden als der Klimaschutz. So nannten in der monatlichen „World-Worries“-Umfrage des Marktforschungsunternehmens Ipsos nur 17 Prozent der Studienteilnehmer den Klimawandel als einen Faktor, der ihnen Sorgen bereitet.

Trotz der zweifelhaften Aussagekraft der eingangs erwähnten UN-Umfrage wurde sie hierzulande medial breit aufgegriffen – als willkommene Gelegenheit, das Thema Klimawandel erneut prominent zu platzieren.

Offenbar sehen viele Journalisten sich in der Verantwortung, bei diesem Thema aktivistisch zu handeln. So berechtigt dies sein mag, so problematisch ist es, wenn es undifferenziert geschieht.

→ handelsblatt.com: „Zielkonflikte beim Klimawandel zu ignorieren ist gefährlich“, 11. August 2024