Stoppt die Planwirtschaftler

Mit seiner „Industriestrategie“ will Wirtschaftsminister Robert Habeck gleichzeitig die Klimaziele erreichen und unseren Wohlstand erhalten. Den Staat sieht der Grünen-Politiker hierbei als Partner der Wirtschaft. Bei der Lektüre des 56-seitigen Papiers wird allerdings klar, dass im Zweifel – und den gibt es oft – auf Steuerung, Vorgaben und Subventionen gesetzt wird.

In dem Papier werden Bereiche definiert, denen sich die staatlichen Planer mit besonderer Aufmerksamkeit widmen wollen. Neben bekannten Themen wie der Förderung der erneuerbaren Energien und der E-Mobilität, dem Aufbau einer „Wasserstoffwirtschaft“ und der Finanzierung neuer Technologien in Stahl-, Zement- und Grundstoffindustrie werden weitere Bereiche ins Visier genommen.

Dazu gehören unter anderem die pharmazeutische Industrie, Quantentechnologien, Robotik, Raumfahrt, Leichtbau, industrielle Bioökonomie, also die Verwendung biobasierter statt fossilbasierter Produkte und Verfahren, digitale Technologien und die Digitalisierung von Produktionsprozessen und industriellen Lieferketten. Liest man diese keineswegs vollständige Liste, kann man zu dem Schluss kommen, dass kaum ein wesentlicher Bereich der hiesigen Industrie der staatlichen Aufmerksamkeit entkommen soll.

Man kann Habeck zugutehalten, dass die Abkehr vom Markt und die Hoffnung auf den staatlichen Gestalter keine neue Entwicklung ist. Schon sein Vorgänger, Peter Altmaier von der CDU, hatte vor der Bundestagswahl in bester planwirtschaftlicher Tradition „Garantien“ für Klima und Wirtschaft abgegeben. Diese hatte er mit jährlichen Vorgaben zur CO2-Einsparung für jeden Sektor bis zum Jahr 2050 verbunden.

Auch das Wahlprogramm der CDU für die letzte Bundestagswahl orientierte sich am französischen Modell der Industriepolitik. Industrien sollten geschaffen, Technologien entwickelt und Wertschöpfungsstrukturen verlagert werden.

Ressourcen effektiver einsetzen

Wer in der Wirtschaft also darauf hofft, dass nach der nächsten Bundestagswahl wieder mehr Zutrauen in die Kräfte des Marktes in Politik und Ministerien einkehrt, dürfte deshalb enttäuscht werden. Der Glaube an den Staat herrscht parteiübergreifend.

Das geistige Rüstzeug liefert Habecks „Lieblingsökonomin“ Mariana Mazzucato. Sie propagiert einen „Unternehmerstaat“, der bestimmt, wie viele E-Autos fahren, dass Wasserstoff die Ressource der Zukunft ist und welche Produkte man besser im Inland produziert.

Alle großen Innovationen – so Mazzucato – wären die Folge staatlicher Initiativen und nicht jene des Privatsektors. Letzterer hätte nur auf den staatlich geförderten Innovationen aufgesetzt und diese kommerzialisiert.

Es würde unseren Politikern guttun, sich näher mit dem letzten Versuch planwirtschaftlicher Steuerung in Deutschland auseinanderzusetzen. Die Staatliche Plankommission der DDR hätte ganz ähnlich argumentiert.

So wurden politisch Schlüsselbereiche definiert, darunter Wohnungsbau und wichtige Industrien für den Export, die dann mit entsprechenden Ressourcen zur Planerfüllung ausgestattet wurden, wobei der Umgang mit den dabei unvermeidlichen Zielkonflikten nicht geklärt wurde. Die Politik hebelte die ökonomische Logik jahrelang aus.

Das Ergebnis ist bekannt: Der Vermögensstock der DDR erodierte und die Leiter der staatlichen Kombinate waren mehr damit beschäftigt, sich Ressourcen zu sichern, als damit die Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten. Schon vor dem Mauerfall war klar, dass die DDR spätestens Mitte der Neunzigerjahre Konkurs hätte anmelden müssen.

Natürlich sind wir heute trotz Industriestrategie weit von einer Planwirtschaft nach Art der DDR entfernt. Doch auch in unserem System bewirkt übermäßige staatliche Steuerung, dass Ressourcen weder effektiv noch effizient eingesetzt werden.

Als John F. Kennedy das von Mazzucato gerne als Beweis angeführte Mondprogramm ausrief, hat er das Ziel vorgegeben – die Mondlandung –, aber nicht, wie die Mondfähre gebaut werden soll. So kann der Staat erfolgreich Impulse geben und Rahmenbedingungen setzen. Aber er sollte es auch dabei belassen.

→ handelsblatt.com: „Stoppt die Planwirtschaftler“, 14. November 2023