In der Büro­kratie­falle: Weniger Staat ist die Lö­sung, nicht mehr

Kaum eine Woche vergeht, in der die Politik nicht den Abbau von Bürokratie beschwört. Die Ampel hat den Bürokratieabbau zuletzt in ihrer Klausur als Investitionshemmnis erkannt und Besserung gelobt. Dabei sind die Bemühungen, Bürokratie abzubauen, weder neu, noch waren sie bisher sonderlich erfolgreich.

Das Statistische Bundesamt erstellt regelmäßig Berichte über das Ausmaß der Bürokratisierung und vermeldet immerhin Fortschritte, wenn auch nur marginale: Der Bürokratiekostenindex ist von 100 im Jahr 2012 bis heute auf 98,5 gesunken.

Dass der Bürokratieabbau nicht so richtig vorankommt, darf niemanden wundern. Wir haben es schließlich mit Politikern zu tun, die nicht auf Anreize setzen und einen Rahmen vorgeben, sondern stattdessen glauben, eine staatliche Mikrosteuerung selbst kleinster Details sei sinnvoll und möglich.

Da niemand alles vorhersehen und beeinflussen kann, benötigt die Politik für diese Art der Steuerung eine immer größer werdende Bürokratie. Nicht zufällig ist die Zahl der Bundesbeamten seit 2010 um 59 Prozent gestiegen; allein die Ampel hat 1710 zusätzliche Beamtenstellen geschaffen, 249 davon im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.

Weil die Politik bei der Auswahl dieser Personen mehr auf Parteinähe als auf Fachqualifikation achtet oder Beamte gleich in den Ruhestand versetzt, verschlechtert sich die Qualität von Gesetzen zusätzlich. Gleiches gilt für die Fähigkeit der Bürokratie, diese Gesetze durchzusetzen und zu überwachen. Man denke nur an das Chaos um das „Gebäudeenergiegesetz“.

Spirale der Bürokratisierung, die kaum zu durchbrechen ist

In der Folge muss die Politik erneut nachsteuern, um die Unzulänglichkeiten oder unerwünschten und übersehenen Nebenwirkungen der bestehenden Regeln zu korrigieren. Das erfordert weitere Bürokratie. Eine Spirale der Bürokratisierung, die kaum zu durchbrechen ist.

Daran ändert sich auch nichts, wenn man weitere Stellen für Entbürokratisierungsbeauftragte schafft oder im Statistischen Bundesamt Mitarbeiter einstellt, um Daten zum Ausmaß der Bürokratisierung zu erheben.

Das Kernproblem liegt darin, dass die Politik ihren eigenen Steuerungsansatz nicht hinterfragt. So kann sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ein und derselben Rede zur Lage der Europäischen Union dafür loben, die europäische Wirtschaft mit massiven Regelungen zugunsten des Klimaschutzes belastet zu haben, und weitergehende Maßnahmen in dieser Richtung und zugleich eine Initiative zur Entbürokratisierung ankündigen.

Der Widerspruch wird nicht erkannt. Welches Ausmaß die Regulierungswut mittlerweile hat, zeigt der EU-Klimazoll: Die EU-Verordnung umfasst mit Anhängen gut 100 Seiten. Die Leitfäden für Importeure und Produzenten aus Drittländern umfassen zusammen über 360 Seiten.

Aber auch das hiesige Wirtschaftsministerium bleibt nicht stehen. Während der zuständige Minister regelmäßig über Bürokratieabbau redet, handelt er genau in entgegengesetzter Richtung. Jüngstes Beispiel ist die „wertegeleitete Außenwirtschaftspolitik“, für die neue Auflagen, beispielsweise für Hermesbürgschaften, geplant werden.

Übergriffige Regulierung und wuchernde Bürokratie

Das Ergebnis ist offensichtlich. Die Wirtschaft erstickt angesichts der Kombination aus übergriffiger Regulierung und wuchernder Bürokratie. Dass Letztere ohnehin einen systemimmanenten Druck zum Wachstum hat, wie es der britische Historiker Cyril Northcote Parkinson bereits vor 70 Jahren im „Economist“ diagnostizierte, macht es noch schlimmer. Die Produktivität sinkt, Stagnation und Wohlstandsverlust sind die zwingende Folge.

So langsam sollten wir das Problem an der Wurzel packen. Wir haben nicht „zu wenig Staat“, wie gerne behauptet wird, sondern zu viel. Schluss mit der Detailsteuerung durch Politiker und Organisationen, die – wie alle anderen Menschen und Organisationen auch – an dieser Aufgabe scheitern müssen.

→ handelsblatt.com: „In der Bürokratiefalle: Weniger Staat ist die Lösung, nicht mehr“, 8. Oktober 2023