“Erst Migration, dann Sozialismus”
Dieser Kommentar von mir erschien bei Cicero Online:
Die zunehmende Ungleichheit soll hinter dem Aufschwung der Populisten stehen. In Wahrheit dient diese These nur dem Einstieg in immer mehr Umverteilung.
Die Medien in Deutschland lieben Studien anerkannter Institutionen, die eine seriös-akademisch anmutende Grundlage für die eigene Weltanschauung liefern. Passen die Aussagen in das gewünschte Bild, können die Studienautoren sichergehen, dass ihnen höchste Aufmerksamkeit zuteilwird. Die Journalisten müssen sich dazu nicht einmal durch die Details dieser Studien arbeiten, werden doch Presserklärungen und knappe Zusammenfassungen gleich mitgeliefert. Doch damit nicht genug: Nicht selten geben die Autoren oder Auftraggeber der Studien in Zusammenfassung und Presseerklärung den Studien einen „Spin“, der sich aus der eigentlichen Studie gar nicht ergibt. Auch werden Studien oft dazu herangezogen, um bestimmte politische Entscheidungen herbeizuführen oder zu rechtfertigen.
Was nicht passt, wird passend gemacht
Vergangene Woche war es wieder so weit, als das von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegebene Populismusbarometer veröffentlicht wurde: In den Medien – an dieser Stelle sei stellvertretend das Handelsblatt zitiert – wurde viel Wert darauf gelegt, die Schlussfolgerungen der Forscher besonders hervorzuheben, nach denen sich vor allem sozialpolitische Themen wie steuerpolitische Umverteilung und Wohnungsbau als Brückenthemen einer kulturell und sozial immer tiefer gespaltenen Gesellschaft eignen: „Allein die Forderung nach ‚viel höheren Investitionen in den sozialen Wohnungsbau‘ erhöht aus Sicht der Forscher die Zustimmung bei Populisten und Nicht-Populisten um jeweils 15 Prozentpunkte.“ Die Diskussion zur vermeintlichen Ungerechtigkeit wird damit von einer neuen Seite befeuert, denn die Schlussfolgerung scheint klar: Die Antwort auf die populistische Gefahr ist mehr Sozialpolitik und Umverteilung.
Betrachtet man die Studie jedoch genauer, erscheint ein ganz anderes Thema Ursprung der Spaltung zwischen „populistischem“ und „unpopulistischem“ Lager zu sein: Migration und Flucht. Doch dieses Thema passt nicht zu der gewünschten Nachricht. Besser ist es doch, statt sich dem eigentlichen Thema zu widmen, die Unzufriedenheit großer Bevölkerungsteile dazu zu nutzen, um auf anderen politischen Gebieten aus der Angst vor der AfD Kapital zu schlagen. Höhere Steuern, mehr Umverteilung und immer stärkere staatliche Eingriffe stehen auf dem Programm.
Das Märchen von der zunehmenden Ungleichheit
Dabei zeigen Zahlen der OECD, dass Deutschland nicht nur eines der Länder mit der geringsten Einkommensungleichheit ist, sondern auch das Land mit dem geringsten Armutsrisiko. Die verfügbaren Einkommen der ärmsten zehn Prozent sind außerdem zwischen 2007 und 2014 schneller gewachsen als das sogenannte Mittlere Einkommen. Aus dieser Perspektive hat die Ungleichheit also abgenommen, was angesichts des Aufschwungs am Arbeitsmarkt kaum verwundert.
Aufgrund dieser Verbesserung in den vergangenen Jahren wird von den Medien gerne ein längerer Zeitraum in den Vordergrund gestellt, um dann doch zu dem gewünschten medialen Spin zu kommen – eben dem Problem der Ungleichheit. Dabei ist von der steigenden Einkommensungleichheit nach einer Umverteilung durch den Staat ohnehin nichts mehr zu sehen. Das Problem ist also schon bereinigt, so man der Auffassung ist, dass eine solche Bereinigung wirklich erforderlich ist.
Migration und Armutsrisiko hängen zusammen
Ein genauerer Blick auf die Entwicklung des Armutsrisikos in unserem Land zeigt, dass Migration und Armutsrisiko in einem engen Zusammenhang stehen:
- Bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund liegt das Armutsrisiko bei 11,3 Prozent.
- Bei der Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist das Risiko deutlich höher: Menschen mit „direktem Migrationshintergrund“ haben ein Risiko von 22,2 Prozent, jene mit „indirektem“ (also Nachkommen von nach Deutschland eingewanderten Menschen) ein Risiko von 16,1 Prozent.
In den Jahren 2012 und 2016 waren rund 6,8 Millionen Deutsche ohne Migrationshintergrund vom Armutsrisiko betroffen; bei den Menschen mit direktem Migrationshintergrund betrug der Anteil 2,35 Millionen, bei einem indirektem Migrationshintergrund 1,65 Millionen.
Da der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund bekanntlich steigt, besteht offensichtlich ein Zusammenhang zwischen statischer Armut und der Zusammensetzung der Bevölkerung. Dies veranschaulicht auch folgende Rechnung: Bei Annahme gleicher Armutsquoten der wie im Jahre 2014 genügt ein Anstieg des Anteils der Bevölkerung mit Migrationshintergrund von 22 auf den heutigen Wert von 25,6 Prozent, um den Anstieg der Gesamtarmutsquote seit 2005 zu erklären.
Es trifft immer die Mitte
Einkommensungleichheit und Armutsrisiko werden folglich durch unsere Art der Migrationspolitik verstärkt. Kein Wunder, dass dies gerade in den ärmeren Gesellschaftsschichten zu „populistischen“ Tendenzen führt. Die Lösung des Problems liegt daher in einer Anpassung unserer Migrationspolitik als in einer Ausweitung der Umverteilung. Bereits heute trägt die Mittelschicht die finanzielle Hauptlast dieser verfehlten Politik; denn immer, wenn die Politik von „den Reichen“ spricht, meint sie eigentlich diejenigen, die gut verdienen. Doch Reichtum und ein hohes Einkommen sind zwei verschiedene Sachverhalte. Der Spitzensteuersatz (also der Höchstsatz vor der „Reichensteuer“) wird bereits ab einem Einkommen von knapp über 54.000 Euro fällig – das entspricht rund dem 1,3-fachen des Durchschnittseinkommens. Zum Vergleich: 1965 musste man noch das 15-fache des Durchschnittseinkommens verdienen, um den Spitzensteuersatz zu bezahlen. Auf heute übertragen wären das mehr als 620.000 Euro.
Hohe Steuern auf Einkommen vermindern die Möglichkeit der Vermögensbildung aus eigener Arbeit und reduzieren so die soziale Mobilität. Während Vermögen tiefer besteuert werden, schlägt der Staat bei den Gutverdienern gnadenlos zu. Diese werden sich nach Steuern und Sozialabgaben beim Gang durch die besseren Viertel unserer Metropolen und mit Blick auf die Immobilienpreise keineswegs „reich“ fühlen, sondern merken, dass ihnen von ihrem hart erarbeiteten Geld herzlich wenig bleibt.
Vermögensverteilung wird zum Problem
Bei den Vermögen dagegen liegen die Dinge anders, denn hier hat auch in Deutschland die Ungleichheit zugenommen. Es lohnt sich aber, auf die Ursache dieser Entwicklung zu schauen: Der Großteil der Bevölkerung verfügt über kaum Ersparnisse und hält diese hauptsächlich in Form von Geldvermögen. Im Gegensatz zu den Besitzern von Sachvermögen (Immobilien und Unternehmensbeteiligungen) profitieren sie damit nur wenig von der Politik des billigen Geldes der Europäischen Zentralbank.
Um der Ungleichheit entgegenzuwirken musst die Politik den Bürgern also helfen, Vermögen zu bilden. Dies beginnt bei einer Entlastung der Mittelschicht, die dann mehr von ihren Einkommen behalten und damit für das Alter vorsorgen könnte. Außerdem müsste die Politik dringend die Rahmenbedingungen für die private Vermögensbildung ändern. Statt Anlagen in Geldvermögen zu fördern (Riester-Rente, Lebensversicherung, Pensionsfonds) sollten Anlagen in Produktivvermögen und Immobilien gefördert werden. In Betracht gezogen werden sollte auch ein staatlich organisierter (nicht verwalteter!) Fonds, wie ihn die Ökonomen Thomas Mayer und Daniel Gros schon 2013 in die Diskussion gebracht haben.
Programm gegen Populismus
Das Programm gegen Populismus liegt damit auf der Hand: Abgabenentlastung, Förderung der Vermögensbildung in produktiven Anlageformen und Begrenzung der Zuwanderung in das Sozialsystem. Alle drei Punkte passen jedoch nicht in die ideologischen Vorstellungen jener, die mit Hilfe mehr oder weniger fundierter Studien und daraus abgeleiteten politischen Empfehlungen (mit Erfolg!) versuchen, die öffentliche Meinung und damit die Politik des Landes zu beeinflussen. So versuchen sie beispielsweise zu erreichen, dass die Sozialleistungen weiter ausgeweitet werden. Auch die Renten sollen weiter erhöht werden, trotz dessen, dass die verdeckten Schulden des Staates für Renten und Pensionszusagen schon heute unfinanzierbar sind.
Zugleich nehmen die Eingriffe in die freie Wirtschaft zu. Jedem angehenden Ökonomen ist schon nach zwei Semestern klar, dass durch eine Verknappung des Angebots keine Preissenkung zu erreichen ist. Trotzdem wird versucht, über Mietpreisbremsen und die Kürzung der Modernisierungsumlage die Mietsteigerung zu begrenzen. Dies kann nicht gelingen, vielmehr ist zu erwarten, dass die Investitionen in den Wohnungsbau zurück gehen. Richtig wäre, das Wohnungsangebot durch erleichterten Dachausbau und vor allem durch das Mobilisieren von Flächen zu vergrößern. In Berlin beispielsweise gibt es viele Freiflächen, auch das Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof ließe sich sofort bebauen. Dies aber ist von staatlicher Seite nicht gewollt.
Radikale Parteien als Gewinner
Nun könnte man die Schultern zucken und sagen, fein, dann bewegen wir uns eben immer mehr in Richtung einer „DDR light“: Hohe Abgaben, immer mehr Empfänger von Transferleistungen und Immobilien, die mangels Investitionen langsam verrotten. Hauptsache es bleibt uns eine weitere Radikalisierung und Polarisierung der Gesellschaft erspart. Doch das ideologisch motivierte Verdrängen der eigentlichen Ursache hinter der Zunahme populistischer Tendenzen in unserer Gesellschaft wird dazu führen, dass diese nicht schwinden, sondern zunehmen.
Wer in einer solchen Situation wider besseres Wissen eine Kampagne für noch mehr Umverteilung lanciert, läuft man Gefahr, den Populisten ein weiteres Thema zu liefern. Er legt die Basis für eine wahrhaft national-sozialistische Bewegung. Der Front National in Frankreich ist schon auf diesem Kurs. Die AfD bewegt sich rasch in diese Richtung. Ein hoher Preis für das Leugnen der wahren Ursachen des zunehmenden Populismus.
→ cicero.de: “Erst Migration, dann Sozialismus”, 8. Oktober 2018