Die EZB soll es richten – Frank­reich setzt in der Politik auf Pump

Deutlich mehr als die Hälfte der Franzosen haben sich bei den jüngsten Wahlen gegen eine Politik der fiskalischen Konsolidierung ausgesprochen. Sowohl der rechte Rassemblement National (RN) wie auch das Linksbündnis Nouveau Front Populaire wollen mehr Staatsausgaben und mehr Schulden.

Damit ist zu erwarten, dass die Verschuldung des französischen Staates, die noch 2008 im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung auf dem gleichen Niveau wie die Deutschlands lag, demnächst mit jener Italiens gleichzieht.

Für die Politiker des Linksbündnisses ist das kein Problem. Im Zweifel soll die Europäische Zentralbank (EZB) einspringen. So kann man es im Programm von Jean-Luc Mélenchon, dem Anführer der radikalen Linken nachlesen.

Offen wird dort angesprochen, dass der EZB keine andere Wahl bleibe, wolle sie den Euro nicht gefährden: „Frankreich erwirtschaftet 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Euro-Zone. Wenn Spekulanten die Staatsschulden Frankreichs angreifen würden, wäre das Risiko einer Explosion für die gesamte Euro-Zone viel größer als im Fall Griechenlands. Die EZB wird das Risiko eines solchen finanziellen Zusammenbruchs und des Verschwindens des Euros nicht eingehen.“

Schon seit Jahren argumentieren Europas Linke in diese Richtung. Der bekannte französische Ökonom Thomas Piketty fordert eine „Demokratisierung der Geldpolitik bis hin zur Annullierung der von der EZB gehaltenen Schulden der Euro-Länder. Wenn man ohnehin davon ausgehen kann, dass die Schulden annulliert werden, warum soll man dann keine machen?

Nun muss es nicht gleich so weit kommen. Klar ist aber, dass die mühsam erkämpfte Unabhängigkeit der Notenbanken nicht nur in der Euro-Zone unter Druck steht. In den USA droht dieselbe Entwicklung ebenfalls, wenn Donald Trump erneut das Weiße Haus bezieht.

Politischer Druck führt zu Inflation

Dabei kann man die faktische Unabhängigkeit der Notenbanken nicht hoch genug schätzen. Der Ökonom Thomas Drechsel zeigt in einer aktuellen Studie anhand von Daten persönlicher Treffen zwischen US-Präsidenten und Notenbank-Vertretern zwischen 1933 und 2016, dass höherer politischer Druck mit einem starken Anstieg der Inflation einhergeht. Besonders problematisch ist der mit diesen Eingriffen einhergehende Anstieg der Inflationserwartungen, der die Bekämpfung der Inflation erschwert.

Dass Europa vor einer Verstärkung des politischen Drucks auf die EZB steht, dürfte angesichts der Wahlergebnisse klar sein. Es ist zu erwarten, dass der Widerstand der EZB und der anderen Euro-Länder gegen diese inflationäre Politik unzureichend sein wird.

Umso wichtiger ist es da, dass die Befürworter eines stabilitätspolitischen Kurses der EZB ihre Bedenken klar äußern, so wie es Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) jüngst getan hat. Dies mag zwar, wie einige Kritiker meinen, ebenfalls die Unabhängigkeit der EZB gefährden. Da diese aber schon von anderer Seite mehr als gefährdet ist, geht es nunmehr um die Vereitelung eines noch größeren Schadens.

→ handelsblatt.com: Die EZB soll es richten auf alles – Ein Rezept fürs Steuerrecht auf 38 Seiten“, 14. Juli 2024