25 Prozent auf alles – Ein Rezept fürs Steuerrecht auf 38 Seiten
Die Ampel hat es geschafft, sich auf einen Haushalt für das kommende Jahr zu einigen. Ein erwartbarer Nebeneffekt dieser Einigung: Die deutschen Steuergesetze wachsen um weitere Paragrafen an.
Damit setzt sich ein schlechter Trend fort. Seit 1980 hat sich die Länge des Einkommensteuergesetzes auf rund 200.000 Wörter verdoppelt, wie die Ökonomin Luisa Wallossek von der Ludwig-Maximilians-Universität München in der Fachzeitschrift „National Tax Journal“ vorrechnet.
Statt der versprochenen Entlastung von Bürokratie steigt der Arbeitsaufwand für Bürger, Unternehmen und Staat weiter an. Statt der angestrebten Gerechtigkeit durch viele Einzelfallregelungen wächst die Ungerechtigkeit durch immer mehr Einzelfallregelungen – sodass nur jene, die sich einen Steuerberater leisten können, ihre Steuerlast optimieren können. Immerhin rund 20 Millionen Bürger verzichten auf die Abgabe einer Erklärung und schenken so dem Staat geschätzt eine Milliarde Euro.
Die Regierung macht, was sie in solchen Fällen gerne macht: Sie setzt Arbeitskreise ein. Gleich zwei Expertengruppen sollen Vorschläge für eine „bürgernahe Einkommensteuer“ und eine „moderne Unternehmensteuer“ vorlegen.
Dass deren Vorschläge Gehör finden werden, darf angesichts der bisherigen Erfahrungen bezweifelt werden. Zu groß ist der Wunsch der Politik, über das Steuerrecht in die Wirtschaft und das Verhalten der Bürger einzugreifen.
Ein guter Vorschlag für ein gerechtes und unkompliziertes Steuerrecht liegt seit Jahren auf dem Tisch. Bereits 2011 präsentierte der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Paul Kirchhof, einen Entwurf für ein „Bundessteuergesetzbuch“.
Mit einer 22-köpfigen Expertengruppe hatte der renommierte Steuerjurist neun Jahre daran gearbeitet, ein Steuergesetz zu entwerfen, das nur noch 38 Seiten umfasst – wohlgemerkt für alle Steuern, also Einkommensteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Umsatzsteuer und Verbrauchsteuer.
Einheitlicher Satz von 25 Prozent
Das geht naturgemäß nur mit einer deutlichen Vereinfachung. 534 einzelne steuerliche Begünstigungen würden gestrichen, sämtliche Einkommen würden einheitlich mit einem Satz von 25 Prozent besteuert.
Für sozialen Ausgleich würde ein deutlich höheres Existenzminimum sorgen, während der Wegfall von Abzugsmöglichkeiten die Entlastung der oberen Einkommensgruppen verringern würde. Die Gewerbesteuer würde abgeschafft und durch einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommensteuer ersetzt. Der Mehrwertsteuersatz würde vereinheitlicht und die Erbschaftsteuer ohne Ausnahme auch für Familienunternehmen erhoben, mit einem Einheitssatz von zehn Prozent.
Die Reaktion der Politik war 2011 so erwartbar wie falsch. Der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble von der CDU warnte vor Steuerausfällen. Ein vorgeschobenes Argument, ließen sich diese doch leicht durch etwas höhere Steuersätze vermeiden.
In Wahrheit dürfte der Grund für den Widerstand der Politik gegen eine solche Vereinfachung ganz anders begründet sein, nämlich durch den damit einhergehenden Verlust der Möglichkeit zur Feinsteuerung.
Die schlechte wirtschaftliche Lage Deutschlands macht jedoch einen Bürokratieabbau dringender denn je. Deshalb sollte ein weiterer Anlauf erfolgen, das Steuerrecht radikal zu vereinfachen. Spätestens wenn der Fachkräftemangel auch die Finanzämter erreicht, wird der Regierung ohnehin keine andere Wahl bleiben, als die Komplexität der Steuergesetzgebung zu reduzieren.
Paul Kirchhof hat den richtigen Vorschlag gemacht. Eine mutige Politik würde ihn aufgreifen.