Deutsch­land drohen Gelb­westen­proteste wie in Frank­reich

Laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung von 2021 ist der steigende CO2-Preis ein wichtiges Instrument, „verbunden mit einem starken sozialen Ausgleich, insbesondere Menschen mit geringeren Einkommen zu unterstützen“. Konkret: „Um einen künftigen Preisanstieg zu kompensieren und die Akzeptanz des Marktsystems zu gewährleisten, werden wir einen sozialen Kompensationsmechanismus entwickeln (Klimageld).“

So weit die Ankündigung. In der Praxis hat die Ampel steigende Einnahmen der CO2-Steuer und weitere mit der Begründung „Klimaschutz“ versehene Abgabenbelastungen nicht an die Bürger zurückgegeben, sondern für mehr oder weniger sinnvolle politische Projekte verwendet. Da hilft es wenig, dass die Regierung darauf verweist, dass die EEG-Umlage gesenkt wurde und es Zeit braucht, die technischen Voraussetzungen für die Auszahlung von Klimageld zu schaffen.

Denn es handelt sich bei den Abgabenerhöhungen keineswegs um Bagatellbeträge: Die Stiftung Warentest rechnet vor, dass der CO2-Steueranteil am Benzin seit Jahresbeginn von 8,57 Cent auf 12,86 Cent pro Liter gestiegen ist. Eine Steuererhöhung um fast 50 Prozent. Diesel, Heizöl und Erdgas sind ähnlich betroffen.

Schon seit dem 1. Dezember müssen LKW eine zusätzliche Maut von 200 Euro je ausgestoßener Tonne CO2 abführen. Eine Erhöhung um fast 100 Prozent. Ab 1. Juli werden dann auch kleinere Lastwagen mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht von der Maut erfasst, was einen weiteren Kostenschub bedeutet. Nachdem fast alle Waren (auch) mit LKW transportiert werden, schlägt dies auf fast alle Preise durch und befeuert die Inflation.

Die Erhöhung der Steuern für die Landwirtschaft – denn um nichts anderes handelt es sich, wenn Fahrzeuge, die die Straßen kaum nutzen, die volle Mineralölsteuer bezahlen müssen, die ursprünglich zur Finanzierung des Straßenbaus gedacht war – ist nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Wer angesichts eines Haushalts, der relativ zur Wirtschaftsleistung rund 60 Milliarden Euro über dem Niveau von 2019 liegt, keine Einsparungsmöglichkeiten findet, sondern auf die weitere Erhöhung von Steuern und Abgaben setzt, darf sich über Protest nicht wundern. Eher spricht es für die Geduld der Deutschen, dass sie die ständig steigende Abgabenlast bisher so klaglos hingenommen haben.

Die Mittelschicht trägt besonders hohe Belastungen

Während die Steuer- und Abgabenquote laut Institut der deutschen Wirtschaft etwa ein Prozent über dem Niveau von 2019 liegt, ist die Belastung gerade für Mittelschichtsfamilien besonders hoch. Die OECD rechnet vor, dass ein verheiratetes Paar mit Kindern in Deutschland durchschnittlich 40,8 Prozent Steuern und Abgaben zu leisten hat – der zweithöchste Wert aller OECD-Staaten.

Genau diese Menschen werden durch die aktuelle Politik besonders belastet. Während Bürgergeldempfänger vor steigenden Heizkosten geschützt sind, weil diese der Staat übernimmt, reduziert jeder Kostenanstieg bei den Energiepreisen das verfügbare Einkommen der unteren Mittelschicht deutlich. Während Städter sich am 49-Euro-Ticket erfreuen, müssen die Bürger auf dem Land mehr Geld für Benzin und Diesel in die Hand nehmen – ohne auf einen ausgebauten öffentlichen Nahverkehr ausweichen zu können. Mangels verfügbarer Einkommen profitiert diese Gruppe auch nicht von Kaufboni für Elektroautos oder Wärmepumpen.

Spätestens wenn die Bürger erkennen, wofür die Regierung die deutlichen Mehreinnahmen verwendet – allein die Kosten der ungesteuerten Migration belaufen sich nach Auskunft der Bundesregierung auf über 50 Milliarden Euro, und Investitionen hochprofitabler US-Unternehmen werden mit Milliarden subventioniert –, ist es zum Unmut nicht weit.

Ich hätte nie gedacht, dass es in Deutschland jemals so etwas wie die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich geben könnte. Nun denke ich, mit jedem weiteren Tag, den die Politik darauf beharrt, die Proteste als Folge externer Faktoren – Krieg, Inflation, Bundesverfassungsgericht – darzustellen, statt die Ursachen im eigenen Handeln zu suchen, wächst die Gefahr.

→ handelsblatt.com: „Deutschland drohen Gelbwestenproteste wie in Frankreich“, 14. Januar 2024