Deutsch­land braucht radikale Sanierung auf Kredit

Wohl kein Land – außer China – hat so stark von der Globalisierung profitiert wie Deutschland. Weltweit öffneten sich Märkte, wurden Industrien modernisiert und Produktionskapazitäten erweitert.

Ein traumhaftes Umfeld für Deutschland, das zu den Hauptlieferanten für die Modernisierung der Welt gehörte und auch noch die Autos für eine wachsende globale Mittelschicht lieferte. Der Euro erwies sich als zusätzlicher Wachstumsmotor. Je schwächer er aufgrund der anhaltenden „Euro-Rettungspolitik“ wurde, desto wettbewerbsfähiger wurden die hiesigen Exporteure.

Eine Stärkung des Euro ist nicht zu erwarten. In anderer Hinsicht hat sich das Umfeld jedoch dramatisch zu unserem Nachteil verändert. Die Globalisierung befindet sich auf dem Rückzug. Das wurde uns vor Kurzem eindrücklich durch das Treffen der BRICS+, ein Staatenbündnis um Brasilien, Russland, China und Südafrika, im russischen Kasan in Erinnerung gerufen. Hinzu kommt, dass es egal ist, wer das Rennen um das Weiße Haus gewinnt, eine Trendumkehr zu offenen Märkten und Freihandel ist in keinem Fall zu erwarten.

Die hohe Verschuldung der Welt, die – wie der IWF energisch warnt – weiter deutlich ansteigen wird, droht zur Gefährdung für Finanz- und Preisstabilität zu werden. Die Eurozone ist mangels grundlegender Reformen nur vordergründig stabiler als vor zehn Jahren. Was droht, sind fortwährend neue Krisen und eine Geldpolitik, die die Hauptaufgabe bei der Sicherstellung von Solvenz, anstatt von geringen Inflationsraten sieht.

Dass Deutschland die guten Jahre nach der Finanzkrise bis zum Corona-Schock nicht genutzt hat, ist mittlerweile Allgemeingut. Es wurde nicht in die Zukunftsfähigkeit des Landes investiert, sondern der Sozialstaat ausgebaut und eine Klima- und Energiepolitik betrieben, die davon auszugehen schien, dass die deutsche Wirtschaft jede beliebige Last stemmen kann.

Heute, nach fünf Jahren Stagnation, wissen wir es besser. Was aber nicht bedeutet, dass die Politik die richtigen Schlüsse daraus zieht. Statt grundlegende Reformen zu ergreifen, setzt Wirtschaftsminister Robert Habeck auf schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme. Als würde ein Investitionszuschuss von zehn Prozent etwas an der grundlegenden Erkenntnis ändern, dass sich eine Investition rechnen muss und sich aus diesem Grund hierzulande nicht lohnt.

Anders als im Jahr 2003 können wir aktuell nicht darauf setzen, unsere Probleme durch mehr Exporte zu lösen. Wir müssen dringend – und hier stimmt die Analyse des Wirtschaftsministers – mehr in unser Land investieren. Das sollten wir – auch hier ist ihm zuzustimmen – auf Kredit machen, vor allem mit Blick auf die in der Eurozone ohnehin zu erwartende Entwertung der Schulden durch höhere Inflationsraten. Wer hier spart, ist künftig der Dumme.

Es gehört zu den Märchen der hiesigen politischen Diskussion, die Schuldenbremse wäre schuld am erbärmlichen Zustand unseres Landes. Es waren die Regierungen unter Kanzlerin Angela Merkel, die die sprudelnden Steuereinnahmen in den Jahren vor Corona nicht richtig verwendet haben. Die Ampel hat den falschen Kurs von Sozialstaatsausbau und „Transformation“ der Wirtschaft vom Kabinettstisch aus nur noch konsequenter fortgesetzt und hat nun das Pech, dass die fetten Jahre vorbei sind.

Trotzdem sollte der deutsche Staat mehr Schulden machen. Dabei sollte sich der Staat aber zurücknehmen – weniger Bürokratie, ein einfacheres Steuer- und Abgabensystem mit geringeren Lasten, Verzicht auf die Rolle des Transformators – und die Allokation der schuldenfinanzierten Sondertöpfe nicht der Politik überlassen. Konkret sollten die „Sondervermögen“ wie Unternehmen von einem professionellem Management geführt und nicht durch Politiker verwaltet werden. Einzig und allein die Kriterien von Effizienz und Effektivität dürfen eine Rolle dabei spielen, wann und wie beispielsweise Autobahnen saniert oder Breitbandnetze gebaut werden und nicht die Wünsche von Politikern nach Fototerminen oder Ausgaben in ihrem Wahlkreis.

Unsere Volksvertreter haben in den letzten Jahren bewiesen, dass sie nicht in der Lage sind, Steuermittel und Schulden richtig zu allokieren. Deshalb sollten wir ihnen den Zugriff auf die Kasse erschweren.