Die Energie­frage entscheidet über Deutsch­lands Wohl­stand

Deutschlands Wirtschaft stagniert seit Jahren. Das inflationsbereinigte Bruttoinlandsprodukt liegt auf dem Niveau des Jahres 2019.

Anders als nach früheren Krisen ist es Deutschland nach dem coronabedingten Einbruch nicht gelungen, zum Vorkrisen-Wachstumstrend zurückzukehren – also die Wirtschaftsleistung zu erreichen, die bei unverändertem Trend zu erwarten gewesen wäre.

Der Mannheimer Ökonom Tom Krebs schätzt in seinem Buch „Fehldiagnose“ die Differenz zwischen dem Vorkrisentrend und der tatsächlichen Produktion auf rund acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Allein der Energiepreisschock aufgrund des russischen Angriffskrieges steht für einen jährlichen Verlust an Wirtschaftsleistung von über vier Prozent und für Reallohnverluste von 3,4 Prozent, weshalb Krebs von der „schwersten Wirtschaftskrise der deutschen Nachkriegsgeschichte“ spricht.

Die Gefahr ist groß, dass die Krise sich selbst verstärkt und das Produktionspotenzial dauerhaft senkt, zum Beispiel durch die Abwanderung energieintensiver Unternehmen.

Krebs kritisiert, dass viele seiner Ökonomen-Kollegen die Bedeutung der Energiekosten für die wirtschaftliche Entwicklung unterschätzen. Die gängigen ökonomischen Modelle überschätzten die Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und privaten Haushalten an Energiepreisschocks und unterschätzten zugleich die Anpassungskosten.

Energie bedeutet Wohlstand

Eine Kritik, der man uneingeschränkt zustimmen muss. Der positive Zusammenhang zwischen dem Energieeinsatz und der Wirtschaftsleistung ist eindeutig. Für die Beziehung zwischen CO2-Ausstoß und Wirtschaftsleistung gilt das übrigens nicht, denn der Ausstoß hängt von der Art der Energieerzeugung ab.

Wollen wir Wohlstand hierzulande erhalten, müssen wir anerkennen, dass sicherer Zugang zu günstiger Energie eine, wenn nicht sogar die entscheidende Voraussetzung dafür ist. Krebs plädiert aus diesem Grund für eine umfassende und mindestens bis 2035 dauernde Strompreisbremse, um unmittelbar die Energiekosten zu senken und den Unternehmen Planungssicherheit zu geben. Zugleich soll der Staat umfangreich in die Energieinfrastruktur investieren.

So richtig diese Forderung ist, das wird nicht genügen, die Gefahr der Deindustrialisierung abzuwenden, wenn Deutschland am eingeschlagenen Kurs in der Energiepolitik festhält.

Eine Trendwende zu billiger Energie ist nicht in Sicht. Eine dauerhafte Subventionierung können wir uns nicht leisten. Und damit fehlt die entscheidende Voraussetzung für die Planungssicherheit.

Wie groß die Herausforderung ist, zeigt das Beispiel Wasserstoff. Zwar erklären die Forscher von Fraunhofer nicht, wie von mir an dieser Stelle am 13. Oktober fälschlicherweise geschrieben, dass sich eine Produktion von Wasserstoff in Deutschland nicht rechnet.

Korrekt wäre es gewesen zu schreiben, dass Wasserstoff, egal wo er produziert wird, deutlich teurer ist als heutige Energieträger – und die Voraussetzungen für eine Produktion von Wasserstoff hierzulande besonders schlecht sind. Netzausbau und Speicher für eine allein auf erneuerbaren Energien fußende Energieversorgung dürften bis 2045 über 1100 Milliarden Euro kosten.

Energie bedeutet Wohlstand. Die Verknappung und Verteuerung von Energie kostet Wohlstand – und zwar erheblich. Ändern wir unsere Energiepolitik nicht in Richtung Angebotsausweitung und niedrigere Preise, werden wir die Stagnation nicht überwinden.