Will debt derail Abenomics?
Seit dem Amtsantritt von Japans neuem Ministerpräsidenten Abe steht das Land unter besonderer internationaler Beobachtung. Abe ist angetreten, Japan aus der nunmehr zwei Jahrzehnte andauernden wirtschaftlichen Stagnation zu befreien („Abenomics“). Dazu will er:
- viel Geld drucken (relativ zur Größe der Volkswirtschaft rund ein Drittel mehr als die nicht gerade knausrige Fed), um dadurch die Inflation über zwei Prozent zu bekommen.
- „flexibel“ weiter Defizite machen (und das macht er…zur Zeit zirka zehn Prozent vom BIP zum Staatsdefizit).
- mit Reformen das Wachstumspotential stärken. Also zum Beispiel mehr Frauen in den Arbeitsmarkt integrieren.
Der Economist hatte daraufhin sogar einen Titel, der Abe in einem Supermannkostüm zeigt. Zwei unmittelbare Erfolge hat die Politik bis jetzt gehabt: eine deutliche Abwertung des Yen und ein Kursfeuerwerk am japanischen Aktienmarkt. Auch die Inflation hat bedingt durch teurere Importe leicht angezogen.
Bleibt die offene Frage: Wird es gelingen? Und natürlich auch: Was können wir daraus lernen? Stecken wir doch in einer ähnlichen Situation wie Japan nach dem Platzen der Blase Anfang der 1990er-Jahre. Aus der Flut der Analysen ragt die von Michael Pettis heraus. Seine Argumente:
- Der Kernhebel von Abenomics ist die Steigerung des Außenhandelsüberschusses: Japan will sich quasi aus der Krise „heraus exportieren“.
- Mit dieser Strategie steht Japan nicht alleine, da dies in einer Welt mit Nachfragemangel (bedingt durch die Krise in den USA und Europa) alle anderen auch wollen (siehe auch die Kritik an den deutschen Exportüberschüssen).
- Ökonomisch entspricht einem wachsenden Exportüberschuss eine volkswirtschaftliche Spar-Rate, die über den Investitionen liegt. Aus diesem Grunde gibt es zwei Szenarien: a) Es funktioniert, und die Wirtschaft wächst mit starken Exporten b) Es funktioniert nicht, und die Wirtschaft fällt in eine Rezession mit rückläufigen Importen. Zwar gäbe es in beiden Szenarien höhere Handelsüberschüsse, aber das Ergebnis wäre ein tiefgreifend anderes.
- Die Zusammenhänge sind so: Höhere Importpreise wirken wie eine Konsumsteuer. Die Privathaushalte fragen weniger nach. Der Exportsektor profitiert. Dadurch sinkt gesamtwirtschaftlich die Konsumquote und ceteris paribus müssen umgekehrt die Ersparnisse zunehmen. Wenn nicht mehr investiert wird, fließen diese Ersparnisse als Kapitalanlage ins Ausland und drücken den Yen. Da es sich um zwei Seiten derselben Medaille handelt, wächst der Außenhandelsüberschuss.
- Die angekündigte Erhöhung der Konsumsteuer wird diesen Effekt zusätzlich verstärken.
- Japan versucht somit, die Wettbewerbsfähigkeit ähnlich wie China und Deutschland dadurch zu stärken, dass es billiger produziert, nicht besser. Lohnkostensenkung statt Produktivitätssteigerung steht im Fokus der Bemühungen.
- Dieses Zusatzangebot trifft aber auf keine Zusatznachfrage in der Welt, weil verschuldete Länder sich nicht weiter verschulden wollen oder können. Damit wächst auch das Risiko, dass andere Staaten mit ähnlichen Maßnahmen auf die Politik Japans reagieren und wir einen Abwertungswettlauf erleben.
- Japan hat bis heute nicht die Folgen der Blase aus den 1980er-Jahren bereinigt. Statt die untragbaren Schulden abzubauen, wurden sie vom Privatsektor auf den Staat übertragen. Aus diesem Grunde muss das Zinsniveau auf Jahrzehnte hinaus auf einem tiefen Niveau verharren. Schon ein geringer Zinsanstieg würde den Staat zahlungsunfähig machen.
- Da der Nominalzins jedoch dem Nominalwachstum einer Volkswirtschaft entspricht, müsste der Zins von der Notenbank künstlich tief gehalten werden, sollte Abenomics funktionieren und das Nominalwachstum anspringen. Dies würde zu sogenannter financial repression führen, also der schleichenden Enteignung der Sparer zugunsten des Staates (Schuldner).
- Empirisch weiß man, dass dies wiederum zu einer höheren Sparquote und damit – bei gegebenen Investitionsniveau – zu noch höheren Handelsüberschüssen führen wird.
Pettis schließt mit der einfachen Zusammenfassung, dass Schulden eben doch eine Rolle spielen. Japan sollte diese rasch und konsequent jetzt abbauen.
Aus meiner Sicht ist Abenomics der verzweifelte Versuch, eine untragbare Schuldendynamik zu durchbrechen. Nur durch deutliche Entwertung der Schulden durch negative Realzinsen (financial repression) kann Japan einen Staatsbankrott verhindern. Dann ist es egal, ob dieser formell erfolgt oder aber das Geld in einer Hyperinflation ala Weimar vernichtet wird. Als Vorbild für uns kann Japan sicherlich nicht dienen. Eher als Warnung. Bis jetzt sieht es aber so aus, dass niemand diese Mahnung erhört.