Warum ein zu grosser Finanzsektor schadet
Ich habe schon mehrmals auf Studien hingewiesen, die darlegen, dass ein zu großer Finanzsektor der Wirtschaft schadet ‒ nicht nur durch die damit verbundenen Krisen, sondern auch strukturell. Ein neues Paper aus der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich bestätigt diese These erneut. Der Blog der FINANZ und WIRTSCHAFT fasst die Fakten daraus wie folgt zusammen:
- “Ein wachsender Finanzsektor ist bis zu einer gewissen Grösse nützlich für die Volkswirtschaft. Wird diese Grösse überschritten, leidet dagegen die Produktivität der Wirtschaft. Und noch wichtiger: Wächst der Finanzsektor zu schnell, hemmt das die Produktivität der Volkswirtschaft.”
- Anfangs führen “mehr Arbeitsplätze im Finanzsektor (…) zu höherem Produktivitätswachstum. Ab einer bestimmten Grösse wird der Zusammenhang allerdings negativ. Mehr Arbeitsplätze im Finanzsektor gehen dann mit einer Abschwächung des Produktivitätswachstums einher. Am Beispiel der USA rechnen Cecchetti und Kharroubi vor, dass die optimale Anzahl Arbeitsstellen im Finanzsektor um 4 Prozent aller Arbeitsplätze im Land liegt.”
- “Es besteht ein negativer Zusammenhang zwischen dem Wachstum des Finanzsektors und dem Produktivitätswachstum in der Volkswirtschaft. Je schneller der Finanzsektor wächst, desto schwächer ist das Produktivitätswachstum der gesamten Wirtschaft.” ‒ bto: Genau dies haben andere Studien auch schon gezeigt.
- Ursache 1: “Ein wachsender Finanzsektor geht mit steigender Kreditvergabe einher. Und um Kredite von Banken zu erhalten, müssen Unternehmen meist Pfandsicherheiten (Collateral) bieten. Hier werden Industrien bevorzugt, die greifbare Sicherheiten wie Gebäude, Lager und dergleichen zu bieten haben. Neue, überdurchschnittlich produktive Sektoren wie die Informationstechnologie besitzen allerdings nur wenig greifbare Sicherheiten, denn sie arbeiten hauptsächlich mit intellektuellem Kapital.”
- Ursache 2: “Ein grosser und überdies wachsender Finanzsektor entzieht der ‚realen‘ Wirtschaft auf dem Arbeitsmarkt Talente. Wenn Ingenieure, Mathematiker und Physiker für eine Investmentbank arbeiten und komplexe derivative Produkte erfinden, ist ihr Nutzen für die Volkswirtschaft möglicherweise kleiner, als wenn sie ihren Intellekt den Herausforderungen der ‚echten‘ Wirtschaft widmen würden.”
Gerade die Entwicklung der Gehälter im Finanzsektor ist sehr interessant. “Die rote Kurve zeigt das Salärniveau des Finanzsektors relativ zum Rest der Wirtschaft. Die grüne Kurve zeigt einen konstruierten ‚Index der Deregulierung‘. Je niedriger der Wert, desto höher die Regulierung.
Augenfällig: Von Mitte der Dreissiger- bis Anfang der Achtzigerjahre war der US-Finanzsektor im Vergleich zu seiner eigenen Historie hoch reguliert. Während dieser Zeit der straffen Regulierung standen die Löhne im Finanzsektor ungefähr im Einklang mit dem Rest der Wirtschaft. Das relative Salärniveau (rote Kurve) lag zwischen 1 und 1,1.
Mit dem Beginn der Deregulierungswelle in den Achtzigerjahren schossen die Saläre der Banker in die Höhe. 2009 betrugen sie das 1,7-Fache des Salärniveaus des Rests der Wirtschaft.”
Als ob es eines weiteren Arguments für die erhöhte Restrukturierung des Finanzsektors bedurft hätte.
→ FINANZ und WIRTSCHAFT: Warum ein zu grosser Finanzsektor schadet, 13. März 2015