Thomas Pikettys Weltformel
Die Thesen von Thomas Piketty bleiben in der Diskussion. Gerade seine These, wonach die Kapitalrendite dauerhaft über der Wachstumsrate der Wirtschaft liegt, darf zurecht bezweifelt werden. In einem Beitrag für die F.A.Z. hält Hans-Werner Sinn fest: “In der Tat liegt der Zins längerfristig meistens über der Wachstumsrate, wie Piketty behauptet. Doch folgt daraus nicht, dass die Vermögen schneller wachsen als die Wirtschaftsleistung. Das wäre zwar so, wenn die Ersparnis der Volkswirtschaft mit den Zinseinkommen gleichgesetzt werden könnte, so dass der Zinssatz der Wachstumsrate der Vermögen gleicht. Das aber ist nicht der Fall. Vielmehr ist die Ersparnis regelmäßig kleiner als die Summe aller Kapitalerträge. Insofern liegt die Wachstumsrate der Vermögen unter dem Zins, und der Umstand, dass der Zins die Wachstumsrate übersteigt, impliziert keinesfalls, dass die Vermögen schneller wachsen als die Wirtschaftsleistung.”
Dennoch sieht Sinn die Notwendigkeit korrigierender Eingriffe:
” (…) wenn wirklich die Gefahr besteht, dass die Zahl der Reichen im Verhältnis zur Zahl der Armen zu langsam wächst, ist die beste Medizin, dass man die Aufstiegschancen verbessert. Je mehr Tellerwäscher Millionäre werden, desto kleiner ist das Verteilungsproblem. Auch hilft es, wenn die Reichen mehr Kinder als die Armen haben, denn durch die Teilung der Erbschaften würde sich das Verteilungsproblem von ganz allein lösen.
Dessen ungeachtet braucht man ein progressives Steuersystem, um den Zuwachs der Nettoeinkommen im oberen Bereich zu begrenzen. Denn auch wenn es keine Grundtendenz zu mehr Ungleichheit aufgrund der von Piketty formulierten Theorie gibt, kann die Ungleichheit innerhalb der Gruppe der Vermögensbesitzer zunehmen, weil einzelne Dynastien immer mehr Vermögen akkumulieren. Ob in Europa ein besonderer Handlungsbedarf besteht, lässt sich freilich bezweifeln, denn die Progression hat hier ja bereits erhebliche Ausmaße angenommen.”