Produktivitätswachstum auf dem Stand von 1840

Heute Morgen Optimismus, jetzt zur Erinnerung die Dramatik der Situation:  

Wir haben zu viele Schulden. Bekannt. Wir brauchen Wachstum, um mit den Schulden umzugehen. Bekannt. Wachstum folgt auch der Erwerbsbevölkerung und der Produktivität. Bekannt. Beides schrumpft beziehungsweise wächst fast nicht mehr. Bekannt. Dennoch immer wieder gut, sich in Erinnerung zu rufen:

Productivity since 1790

Source: Historical Statistics of the United States, Bureau of Labor Statistics, Bureau of Economic Analysis, BAWERK.NET

Das ist bedeutend. Die Produktivität – hier am Beispiel USA – wächst so langsam wie zuletzt in der Zeit vor 1840.

Das hat auch damit zu tun, dass der Finanzsektor immer mehr der besten und klügsten Köpfe aus der Realwirtschaft abgezogen hat. Ich habe verschiedentlich auf bto Studien dazu verlinkt. Der Anteil des Finanzsektors am Wachstum des BIP in den USA war wirklich erheblich.

Source: Bureau of Economic Analysis, BAWERK.NET

Ohne Finanzsektor wäre das BIP pro Kopf vom Jahr 2000 bis 2015 praktisch nicht gewachsen. Im Zeitraum seit 2008 war es sogar negativ. Die Ursache ist klar: Der Finanzsektor schwächt letztlich die Realwirtschaft und stärkt sie nicht.

→ BAWERK.NET: That 70s show – episode 3, 22. August 2015

Kommentare (4) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    Das schwache Wachstum hat m.E. vor allem damit zu tun, dass die Investitionen in die Produktivitätssteigerung anderer Länder gesteckt werden. Das wahre Produktivitätswachstum haben seit Jahren Länder wie China oder Malaysia. Solange das noch Arbitrageeffekte bringt, indem man die dort noch billigen Arbeitskräfte für die im Westen noch zahlungsfähigen Konsumenten produzieren lässt, besteht kein Wettbewerbsdruck im Westen zur Produktivitätssteigerung. Und die Zahlungsfähigkeit im Westen läuft nun mal über Verschuldung. Erst wenn das kippt, kann man auch hier wieder produktiver werden, indem etwa Mathematiker in der naturwissenschaftlichen Forschung arbeiten und nicht überflüssige Zertifikate oder Optionsscheine basteln. Dazu müssten aber die großen und kleinen Anleger wissen, dass die Notenbank keinem aus der Patsche hilft. Und die Leute müssten die Furcht vor Veränderungen verlieren, vor allem vor der Veränderung in der Arbeitswelt. Davon ist m.E. noch nichts zu bemerken.

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    • Horst
      Horst sagte:

      “Und die Zahlungsfähigkeit im Westen läuft nun mal über Verschuldung.”

      Ein Blick nach Japan genügt, um die Relevanz dieser Aussage auch für den Osten zur Allgemeingültigkeit zu erklären.

      China oder Malaysia – pars pro toto – sind lediglich das hinterhereilende Japan.

      Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      Turner ist immer gut dafür, zum Nachdenken anzustoßen.

      Ich glaube, dass seine Überlegungen in die richtige Richtung weisen:

      Das Gravitationszentrum unserer Wertschöpfung migriert von der klassischen Güterproduktion zu den Dienstleistungen.

      Damit wird zwar nicht, wie Turner meint, das Produktivitätswachstum irrelevant, aber das, was wir als Produktivitätswachstum MESSEN, verliert an Relevanz.

      Ein weiteres Anzeichen dafür, dass wir mit unserem Wirtschaften vor einem Paradigmenwechsel stehen.

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