Polarisierung erschwert rationale Klima- und Energiepolitik
Warum ist es nicht möglich, angesichts des offensichtlichen Scheiterns unserer Energiepolitik, eine Kehrtwende zu vollziehen? Es dürfte an der Debattenkultur liegen, die sich immer mehr auf Emotionen, „Haltung“ und Lager fokussiert und immer weniger auf die Inhalte.
Eine Studie des Mercator Forums für Migration und Demokratie an der Technischen Universität Dresden ist der Frage nachgegangen, ob die „affektive Polarisierung“ zugenommen hat. Darunter versteht man, dass Menschen sich in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen mit emotionaler Ablehnung begegnen.
Kernergebnis: In Europa gehen die Wähler von linken und grünen Parteien stark auf Distanz zu Menschen, die politisch anders denken. Das wird besonders bei den emotional besetzten Themen deutlich. Letzteres ist natürlich der Themenbereich „Klima“.
U.a. die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete:
- „Im Herbst 2022 befragten sie in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut YouGov dazu etwa 20.000 Menschen aus Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, den Niederlanden, Polen, Schweden, Spanien, der Tschechischen Republik und Ungarn nach ihrer eigenen politischen Haltung und ihrer Wahrnehmung des politischen Gegenübers. Die Befragten sollten sich zunächst auf einer Skala von 0 bis 10 zu verschiedenen gesellschaftspolitischen Themen einordnen und anschließend angeben, wie sie Menschen bewerten, die am jeweils anderen Ende des Spektrums stehen. Danach mussten die Befragten beantworten, wie hoch sie das Spaltungspotenzial des jeweiligen Themas einschätzen.“ – bto: Das ist eine ziemlich umfassende Anzahl an Teilnehmern.
- „So fanden die Forscher heraus, dass Wähler linker und grüner Parteien Menschen mit anderen Ansichten stärker ablehnen als Menschen, die sich eher im rechten politischen Spektrum verorten, besonders bei Themen wie dem Klimawandel und dem Umgang mit Pandemien. (…) Die geringste Ablehnung gegenüber Menschen mit anderen Positionen sah die Studie bei FDP-Wählern, gefolgt von Christdemokraten und Nicht-Wählern.“ – bto: Das sehen wir tagtäglich an den Diskussionen in den Medien, der Besprechung dieser Themen, aber auch der Kommentare in den sozialen Medien.
- „Bei der Frage nach den Themen, denen die Befragten das größte Spaltungspotenzial zuschreiben, nannten viele aber nicht nur das Thema Klimawandel, sondern auch Sozialleistungen und ihre Finanzierung. Dabei, so zeigten die Ergebnisse, sind Sozialleistungen nur geringfügig polarisierend, rufen also keine besonders starke Ablehnung von Personen mit anderer Haltung hervor.“ – bto: Weil vermutlich diejenigen, die bezahlen, sie als kritisch sehen, aber eben dem bürgerlichen Lager angehören und damit, wie gesehen, offener sind für andere Meinungen.
- „Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bei der affektiven Polarisierung laut der Studie aber nicht vorne, sondern Italien, gefolgt von Griechenland. Deutschland liegt im Mittelfeld: Etwa 21 Prozent der deutschen Befragten ordneten die Forscher als ‚stark polarisiert‘ ein, das heißt, dass sie Menschen mit einer entgegengesetzten Haltung als besonders negativ, und Menschen mit einer ähnlichen Haltung wie der eigenen als besonders positiv einschätzten.“ – bto: Ich finde das einen sehr hohen Wert.
- „Worin genau dieses Phänomen seinen Ursprung findet, da sind sich die Forscher noch uneins. Als mögliche Gründe führen sie mediale Diskurse, politische Konfrontationen oder schlicht eine sehr überzeugte politische Gesinnung auf. Sie betonen, dass gesellschaftliche Diskurse grundsätzlich zu begrüßen sind. Gefährlich werde es aber, wenn die politische Meinung, wie beim Phänomen der affektiven Polarisierung, zu einem Teil der Identität werde.“ – bto: Und genau das verhindert konstruktive Lösungen!
Genau hier dürfte die Ursache dafür liegen, dass wir sehenden Auges in die Deindustrialisierung laufen. Wir haben genug Beispiele und Fakten dazu. Wir sehen, dass die Energiewende gescheitert ist. Wir haben es aber mit einer einflussreichen, lautstarken und – wie diese Studie zeigt – nicht erreichbaren, um nicht zu sagen, intoleranten Gruppe zu tun, die jeglichen sachlichen Diskurs verhindert. Dank der medialen (Über-)präsenz laufen wir als Gesellschaft damit in das gestern an dieser Stelle zitierte Szenario hinein. Massive Wohlstandsverluste, Verteilungskonflikte und politische Destabilisierung sind die unvermeidliche Folge.
→ faz.net: „Linke lehnen die Meinungen anderer stärker ab“, 18. Juli 2023